Im Jahr 1908 beging der österreichische Kaiser Franz Joseph I. sein 60. Thronjubiläum. Der Kaiser wollte nur eine Feier in kleinstem Rahmen. Doch die Befürworter redeten ihm zu, dass von einem nationalen Jubelfest sowohl die Wirtschaft profitiere als auch der Zusammenhalt in dem vom Streit der Nationalitäten geschüttelten Reich gestärkt würde: „Sehr spät, erst am 11. März 1908, beugte sich der Kaiser widerstrebend den Argumenten seiner Ratgeber und genehmigte Feiern und einen Festzug. Dieser sollte die Geschichte des Hauses Habsburg darstellen und außerdem allen Völkern der Monarchie in Deputationen Gelegenheit geben, ihrem Kaiser zu huldigen. Die Feiern sollten prächtiger werden als die zum 60jährigen Regierungsjubiläum der Königin Victoria 1897.“ (Brigitte Hamann: Hitlers Wien, München 1998, S. 136). Die Reihe der Gratulationsbesuche aus dem Ausland begann im Mai mit einem Besuch des Deutschen Kaisers und seiner Fürsten. Wenig später huldigten 82.000 mit Blumengirlanden geschmückte Schulkinder dem Kaiser im Park von Schönbrunn. Der Festumzug vom 12. Juni 1908 war jedoch der unbestrittene Höhepunkt der Feierlichkeiten. Drei Stunden lang zogen die Nationalitäten des Vielvölkerstaates an ihrem „Jubelkaiser“ vorbei. Das Defilee bestand aus 12.000 Personen, darunter 4.000 in historischen Kostümen und 8.000 in landesüblichen Trachten, zudem Wagen, Pferde, Ochsen und sogar Kanonen. Das Satireblatt Simplicissimus spottete über die wilden Völkerstämme aus dem Osten, die eigens angereist waren: „Da kamen die Kroaten und Rastelbinder, die Schlawiner und Mausefallenhandeler, die Hanaken, Scherenschleifer, die Betyaren, Huzulen und die Magyaren.“ (Ebenda, S. 148).
Nach dem Vorbild einer im Jahr zuvor aufgelegten Gedenkmünze zum 40. Jahrestag des Ausgleichs mit Ungarn kam eine goldene Gedenkmünze zu 100 Kronen heraus: „Diese war aufgrund ihrer Größe und ihres Gewichts überaus eindrucksvoll und zeigte ebenso wie die übrigen Gedenkprägungen auf ihrer Vorderseite ein neues Kaiserporträt und auf ihrer Rückseite ein dem Gedenken angemessenes Bildmotiv.“ (Michael Kurt Sonntag: Die imposanten 100-Kronen-Goldstücke Österreich-Ungarns, In: MünzenRevue, Heft 11/2016, S. 26). Für das neue Porträt des Kaisers ohne Lorbeerkranz zeichnete Rudolf Marschall (1873-1967) verantwortlich. Der österreichische Bildhauer und Medailleur war Professor der Wiener Akademie und Leiter der Meisterschule für Graveur- und Medailleurkunst: „Auf der Rückseite – diese ist ebenfalls ein Werk Marschalls – sehen wir die auf Wolken lagernde Ruhmesallegorie, die sich mit ihrem linken Unterarm auf den österreichischen Wappenschild stützt und in der ausgestreckten Rechten einen Lorbeerkranz hält.“ (Ebenda). Auf die Wolken ist eine lateinische Inschrift gesetzt, mit der die sechs Jahrzehnte der „ruhmvollen Regierungszeit“ des Kaisers gewürdigt werden. Die Stempel schnitt Rudolf Neuberger (1861-1916) vom Wiener Hauptmünzamt. Genau 16.026 Exemplare dieser heute als Rarität gehandelten Münze wurden geprägt. Die Ausgabe derartiger 100-Kronen-Stücke wurde wegen des großen Erfolgs beim Publikum als Standardprägung zu Anlagezwecken fortgesetzt. Auch die goldenen Standardmünzen zu 20 und 10 Kronen sind im Jahr des Jubiläums als Gedenkausgaben ausgewiesen worden. Auf der Vorderseite kam ebenfalls das neue Porträt von Rudolf Marschall zum Einsatz. Die Wertseite mit der Inschrift und den beiden Jahreszahlen des Jubiläums gestaltete Andreas Neudeck (1849-1914). Der Münz- und Medaillengraveur war Leiter der Graveurabteilung im Hauptzollamt Wien. Die Gedenkausgabe zu 20 Kronen kam in einer Auflage von 188.345 Exemplaren heraus. Von der Ausgabe zu 10 Kronen wurden 654.022 Stücke geprägt. Beide Ausgaben sind heute relativ preiswert zu haben.
Zwei der österreichischen Silbermünzen sind im Jahr des Jubiläums ebenfalls als Sonderausgaben erschienen. Das Stück zu fünf Kronen trägt auf der Vorderseite das von Rudolf Marschall gestaltete Porträt des Kaisers mit der üblichen Titulatur als Umschrift. Übersetzt bedeutet sie: Franz Joseph I. durch Gottes Gnaden Kaiser von Österreich und König von Böhmen, Galizien und Illyrien sowie apostolischer König von Ungarn. Auf der Rückseite ist eine eilende Siegesgöttin von Stefan Schwartz (1851-1924) zu sehen. Der Bildhauer und Medailleur war Lehrer an der Wiener Kunstgewerbeschule. Außer der Inschrift und den Jahreszahlen des Jubiläums sind auf der Rückseite die Wertbezeichnung mit Krone und das Staatswappen abgebildet. Die Auflag betrug 3.941.600 Exemplare. Die Kursmünze zu einer Krone ist ebenso mit dem vorgenannten Porträt samt Umschrift versehen. Die Rückseite zeigt unter der österreichischen Krone mit den Jahreszahlen des Jubiläums ein Monogramm des Kaisers vor zwei Lorbeerzweigen. In der Umschrift finden sich die Wertangabe sowie die Inschrift zur Dauer der Regierungszeit. Die Auflage erreichte 4.784.992 Exemplare. In den Rand der Münzen ist wie immer der lateinische Schriftzug „Viribus Unitis“ zu lesen. Dabei handelt es sich um den Wahlspruch des Kaisers, der bedeutet: Mit vereinten Kräften.
Finanziell entpuppte sich der große Umzug zum Thronjubiläum des Kaisers als Desaster. Ursprünglich sollte das Vorhaben aus dem Verkauf teurer Tribünenkarten finanziert werden. Doch die Preise für die Karten waren so hoch, dass es kaum Abnehmer gab. Später kursierte das Gerücht, dass ein Anschlag drohe. Nun waren die Karten selbst für einen Zehntel des Preises nicht mehr verkäuflich. Viele wurden schließlich kostenlos verteilt: „Statt des erhofften Überschusses erwirtschaftete der Festzug ein Defizit von etwa einer Million Kronen. Viele Händler und Handwerker warteten vergeblich auf ihr Geld. Schließlich mussten staatliche Stellen das fehlende Geld aufbringen, das an anderen Stellen dringend nötig gewesen wäre.“ (Hamann, S. 149f.).
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