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Dietmar Kreutzer

Zuckmayers Parforceritt: „Ich besaß noch 50 Pfennige.“

In seinen Lebenserinnerungen berichtet der Schriftsteller und Dramatiker Carl Zuckmayer über die spannendsten Episoden seiner Jugendjahre in der Weimarer Republik. Im Winter nach dem Ersten Weltkrieg erschien die Zukunft düster: „Die Fabrik meines Vaters hatte sich nur schwer, der Industrie-Erfassung folgend, auf die Anfertigung von Granatzündern umstellen lassen, jetzt lag sie, wie der Weinhandel, der Haupterwerbszweig unserer Heimat, darnieder und konnte sich erst allmählich erholen. Mein Vater hatte, seines Augenleidens wegen, vorzeitig ausscheiden müssen – die Pension und das angelegte Vermögen litten an der Schwindsucht durch die fortschreitende Geldentwertung, und mit der in bravem Patriotismus gezeichneten Kriegsanleihe konnte man die Wände tapezieren.“ (Carl Zuckmayer: Als wär’s ein Stück von mir, Frankfurt/Main 1996, S. 335) Aus dem silbernen Markstück des Kaiserreiches war inzwischen ein Leichtgewicht aus Aluminium geworden, das allmählich immer weiter an Wert verlor. Gemeinsam mit seiner Freundin Mirl versuchte sich Zuckmayer mit Gelegenheitsarbeiten in Berlin durchzuschlagen – vergeblich. Mit dem Geld, das er für zwei Eheringe aus der Vorkriegszeit bekam, wollten Carl und seine Freundin nach Süddeutschland ziehen: „Hochkarätiges Gold stand damals in gutem Kurs. Der Erlös im Pfandhaus reichte für die Fahrkarten nach München. Dort würde es besser sein.“ (Ebenda, S. 396)

Carl Zuckmayer (1896-1977) im Jahre 1920. [Bildquelle: Wikimedia, Bundesarchiv].

Die Beziehung zu seiner Freundin ging in die Brüche. Zuckmayer reiste daher weiter. Per Pedes kam er bis Heidelberg, wo er einen norwegischen Studenten kennenlernte. Der lud ihn für die Zeit der Sommerferien in seine Heimat ein. Für Zuckmayer war das eine Chance, die er sich nicht entgehen lassen wollte: „Ein Stück Welt zu sehen, aus dem Inland herauszukommen, was sonst für junge Menschen, der Devisenverhältnisse halber, damals fast unmöglich war.“ (Ebenda, S. 419) Doch die Gebühr von zehn Kronen für ein norwegisches Visum waren angesichts der rasch fortschreitenden Geldentwertung eine Unsumme: „Ich besaß noch fünfzig Pfennige.“ (Ebenda) Also machte sich Zuckmayer wieder zu Fuß auf den Weg. In Brake erklärte sich ein mitfühlender Kapitän bereit, den jungen Mann über die Heuerliste seines norwegischen Erzdampfers mitzunehmen. Endlich in Narvik! Der Vater seines Freundes setzte ihn im Bergbau beim Verlegen von Leitungen ein. Am Ende des Sommers war Zuckmayer ein reicher Mann: „Die norwegischen Kronen, die ich verdient hatte, verschafften mir einen glorreichen Einzug in Kiel. In Deutschland schwoll, langsam erst, aber unaufhaltsam, die Inflation, und jede noch so kleine Summe ausländischer Valuta machte ihren Besitzer vorübergehend zum Finanzbaron.“ (Ebenda, S. 422f.) Das neutrale Norwegen hatte keinerlei Schäden infolge des Ersten Weltkrieges zu beklagen. Anders als Deutschland verfügte es über eine konvertierbare, mit Gold gedeckte Währung. Das Land war überdies Mitglied der Skandinavischen Münzunion, zu der auch Schweden und Dänemark gehörten. Die Währung der im Weltkrieg neutralen Länder bestand aus werthaltigem Gold- und Silbergeld!

1 Krone (Norwegen, 1917, 800er Silber, 7,5 Gramm, 25,5 mm). [Bildquelle: Oslo Myntgalleri].

In den ersten Jahren der Weimarer Republik war Zuckmayer ein erfolgloser Schriftsteller. Er lebte vom kargen Honorar gelegentlicher Zeitungsartikel: „Die Inflation, es war im Sommer 1923, näherte sich ihrem Höhepunkt, man lebte zwischen Millionen, Milliarden und Null, ich durchweg in der letzteren Gegend. Auf der Plattform eines Vierter-Klassen-Wagens, an einer alten Brotrinde kauend, schrieb ich ein Gedicht: Das Essen. […] Niemand ahnte, dass es die Delirien eines knurrenden Magens waren.“ (Ebenda, S. 436) Im November 1923 war der Spuk vorüber: „Der Zauberer Hjalmar Schacht hatte die Rentenmark geschaffen und den Druck der Billionenscheine gestoppt. Gustav Stresemann führte die Regierung und begann, die Verständigung mit dem Westen, vor allem Frankreich, anzubahnen. Die Inflation ging zu Ende, die deutsche Währung war normalisiert, und für ein paar Jahre brach ein begrenzter Wohlstand aus.“ (Ebenda, S. 453) Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht stellte die Renten- auf die Reichsmark um. Die Banknoten sollten zu vierzig Prozent durch Gold und Devisen gedeckt sein. Das Münzgeld aus Silber kehrte zurück. Auch für Zuckmayer änderte sich viel. Völlig überraschend erhielt er für eines seiner Stücke den Kleist-Preis. Mit dem Preisgeld von 1.500 Mark konnte sich der Autor sattessen und all seine Schulden bezahlen! Und es sollte noch besser kommen. Als das Stück mit großem Erfolg in Berlin aufgeführt wurde, wollten es mehr als einhundert deutsche Bühnen kaufen: „Am nächsten Morgen […] erklärte mir der gleiche Geschäftsführer des Ullstein Verlags, der mir zwei Tage vorher hundert Mark verweigert hatte, er könne mir bis zu zehntausend jeden gewünschten Betrag auszahlen.“ (Ebenda, S. 482)

3 Mark (Deutsches Reich, 1922, Aluminium, 2 Gramm, 28 mm). [Bildquelle: Cosmos of Collectibles]
1 Reichsmark (Deutschland, 1925, PP, 500er Silber, 5 Gramm, 23 mm). [Bildquelle: Künker, Auktion 286, Los 2420]

Im Herbst 1932, auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise, kam es zu einem unangenehmen Zusammentreffen mit dem US-Schriftsteller Ernest Hemingway. Zuckmayer hatte dessen Roman „In einem anderen Land“ für die Bühne dramatisiert: „Das Stück wurde im Deutschen Theater gespielt, Hemingway kam zur Premiere – aus Paris, wo er sich damals aufhielt – nach Berlin. Er war schon bei der Ankunft betrunken, trug eine flache Whiskyflasche in der Rocktasche, die er von Zeit zu Zeit an den Mund setzte.“ (Ebenda, S. 524) In der Pause besuchte er im Beisein von Zuckmayer die Garderobe der Schauspielerin Käthe Dorsch. Hemingway fragte, wieviel diese Frau - that girl - für eine Nacht koste: „Man brachte ihn auf dezente Art wieder aus der Garderobe hinaus, nachdem er ein festes Angebot von hundert Dollar und keinen Cent mehr gemacht hatte. […] Er wusste natürlich, dass man eine Schauspielerin nicht für eine Nacht kaufen kann, aber in seinem Rausch machte es ihm Spaß, den primitiven amerikanischen Hillbilly zu spielen.“ (Ebenda) Der Auftritt wirft auch ein Licht auf das Kräfteverhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland. Viele Amerikaner glaubten für Dollars alles kaufen zu können. Infolge des Weltkrieges hatte der Dollar das britische Pfund als weltweite Leitwährung abgelöst. Die USA verfügten nun über die mit Abstand größten Goldreserven der Welt. Die Weltwirtschaftskrise sollte dies allerdings ändern. Wie viele Währungen geriet auch der Dollar unter Druck. Am 5. April 1933 hob Präsident Franklin D. Roosevelt die Einlösbarkeit des Dollars auf und verhängte ein Goldverbot.

½ Dollar (USA, 1933, 900er Silber, 12,5 Gramm, 31 mm). [Bildquelle: Numismatic Guaranty Corporation]

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