Der Regent, der das Königreich Württemberg im Jahre 1871 ins Deutsche Reich führte, war kein Mann seiner Zeit. Das zeigte sich schon in früher Jugend. König Karl (1864–1891) interessierte sich mehr für Musik als Politik oder das Kriegshandwerk. Mit der Thronübernahme durch den schwärmerisch und phantasievoll veranlagten König begann somit die große Wirkungszeit der württembergischen Ministerpräsidenten. Als herausragende Politiker dieser Zeit konnten sich Friedrich Varnbüler und vor allem Hermann von Mittnacht profilieren: „Die Entschlussschwäche Karls und seine Entfernung vom Zentrum der Geschäfte gaben Mittnacht die Gelegenheit, endlich die Überordnung des Geheimen Rats über das Ministerium umzukehren und sich auch formell zu dessen Chef zu machen.“[1]
Der König kümmerte sich dagegen kaum noch um seine verfassungsmäßigen Pflichten: Bis zu 800 nicht unterschriebene Dokumente sollen sich zeitweise angesammelt haben. Für die Verwaltung war das einerseits ärgerlich, andererseits bequem, konnte sie doch weitgehend ohne Einmischung des Königs regieren. Der König träumte derweilen monatelang in Italien oder auf Schloss Friedrichshafen am Bodensee. Was Karl I. dort beschäftigte, ist diversen Veröffentlichungen zu entnehmen: „Im Jahre 1883 wurde Karl von dem knapp 30-jährigen US-Amerikaner Woodcock und dessen Freund Donald Hendryck fasziniert. Er schenkte dem ehemaligen Kongregationalistenprediger ein großes Vermögen und verlieh ihm 1888 den Titel ‚Charles (Karl) Baron Woodcock-Savage‘. Als er sich mit seinem Freund im ‚Partner-Look‘ auf gemeinsame Ausfahrten begab, erregte er öffentliches Ärgernis.“[2]
Bismarck und die Presse wurden aufmerksam. Auf Drängen von Ministerpräsident Mittnacht entsagte Karl im Jahr 1889 der Liaison, fand aber wenige Monate später einen neuen Favoriten am Hoftheater. Der plötzliche Tod im Oktober 1891 verhinderte eine drohende Entmündigung und Absetzung.
Vereinstaler des Karl von 1871. Siegestaler. 900er Silber, 16,7 g, 33 mm
[Emporium Hamburg, Auktion 87–88, 2393]
Auf einer Münze porträtiert wurde Karl erstmals 1846 als Kronprinz. Anlass war seine Hochzeit mit der 23-jährigen russischen Großfürstin Olga, einer Tochter von Zar Nikolaus I. Einen Goldabschlag des entsprechenden Doppeltalers überreichte König Wilhelm I. dem Zaren. Nach dem Regierungswechsel von 1864 kamen jährlich Vereinstaler mit dem Porträt des neuen Königs heraus. Anlässlich des Sieges im Deutsch-Französischen Krieg erschien 1871 ein Siegestaler in hoher Auflage mit einer über Kriegstrophäen schwebenden Victoria.
Mit dem „Doppeltaler“ auf die Wiederherstellung des Ulmer Münsters hat es eine besondere Bewandtnis: „Es handelt sich dabei nicht um Gedenkmünzen, sondern um Medaillen, die ausschließlich als Preise der Münsterbaulotterie verwendet wurden. Die Medaillen wurden vom Ulmer Münsterbau-Comité nach der Genehmigung durch einen Königlichen Erlass vom 27. Juli 1869 bei der Königlichen Münze in Stuttgart in Auftrag gegeben.“[3]
Die Stücke aus 900er Silber von 1869 unterscheiden sich von einer Nachauflage aus dem Jahr 1871, die aus hochfeinem Medaillensilber hergestellt worden sind. Letztere dürften anlässlich der Vollendung des bedeutenden Kirchenbaus geprägt worden sein. Die detailscharfe Wiedergabe der Westfront des Münsters durch den Medailleur Christian Schnitzspahn gilt als Meisterleistung.
Doppelter Vereinstaler des Karl von 1871. Ulmer Münster. Feinsilber-Abschlag, 33,5 g, 41 mm
[Künker, Berlin-Auktion 2015, 494]
Nach dem Übergang zur Goldwährung prägte die Stuttgarter Münzstätte etwa 10 % der Reichsmünzen aus. Allein 200 Tonnen Feingold verprägten die Württemberger im Laufe der Jahre. Als besonders selten gelten aber nur die 20-Mark-Stücke der Jahrgänge 1913 und 1914, die kriegsbedingt nicht mehr in Umlauf kamen. Fast alle Exemplare wanderten in den Schmelzofen.
Unter den Münzen des letzten Königs Wilhelm II. (1891–1918) stechen zwei Gedenkprägungen hervor: Im Jahr 1911 erschien ein 3-Mark-Stück anlässlich der Silberhochzeit des Monarchen und seiner Gemahlin Charlotte: „Das Modell schuf der von der Bau- und Großplastik kommende, an der Stuttgarter Kunstakademie arbeitende Professor Ludwig Habich. Er, ein bedeutender Künstler seiner Zeit, schnitt aus vertieftem Münz- und Schriftgrund ein künstlerisch außergewöhnliches Stempelbild.“[4]
Von der Vorderseite gibt es zwei Varianten. Der Stempel, der für die ersten 7000 Exemplare zum Einsatz kam, wurde wegen eines Fehlers im Schriftgrund überarbeitet. Den Entwurf für die zweite Gedenkmünze zum 25. Regierungsjubiläum des Königs im Jahr 1916 lieferte ebenfalls Ludwig Habich. Infolge des Silbermangels während des Krieges kamen nur 1000 Stück heraus. Ihre Seltenheit bewirkt, dass sie bei entsprechender Erhaltung mehrere tausend Euro wert sind.
3 Mark des Wilhelm II. von 1911. Silberhochzeit. 900er Silber, 16,7 g, 33 mm
[Dorotheum, Auktion 22.05.2019, 714]
20 Mark des Wilhelm II. von 1914. Polierte Platte, 900er Gold, 8,0 g, 22,5 mm
[Künker, Herbst-Auktionen 2018, 8726]
In den Jahrzehnten nach der Reichsgründung hatte das landwirtschaftlich geprägte Württemberg in der Industrieproduktion den Anschluss an die anderen deutschen Länder gefunden. Waren es in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nur einige Textil-Manufakturen, die Investitionen an sich ziehen konnten, entwickelte sich gegen Ende des Jahrhunderts vor allem die Metallverarbeitung. Die bedeutende Silberwarenfabrik Bruckmann & Söhne in Heilbronn oder die bis heute existierende Württembergische Metallwarenfabrik (WMF) dienen als Beispiele dafür. Im Jahr 1886 stellte Gottlieb Daimler in der Nähe von Stuttgart ein erstes Automobil vor. Im gleichen Jahr eröffnete Robert Bosch in Stuttgart seine Werkstätte für Feinmechanik und Elektrotechnik. Das erste steuerbare Luftschiff des württembergischen Grafen Ferdinand von Zeppelin flog im Juli 1900 über den Bodensee.
Der Erste Weltkrieg setzte dem wirtschaftlichen Aufschwung im „Ländle“ ein vorläufiges Ende. Die Produktion wurde weitgehend auf Kriegsbedarf umgestellt. Lebensmittel waren nun rationiert. Im Herbst 1918 gründete sich in Stuttgart ein revolutionärer Arbeiter- und Soldatenrat. Nach einem Sturmangriff auf das Wilhelmspalais, den Wohnsitz des Königs, verließ Wilhelm II. am 9. November die Residenzstadt. Drei Wochen später entsagte er dem Thron. Das Königreich Württemberg war damit Geschichte. Drei Jahre später starb der Ex-König im Alter von 73 Jahren.
Anmerkungen
Bernhard Mann, Kleine Geschichte des Königreichs Württemberg 1806–1918; Leinfelden-Echterdingen 2006, S. 212.
Bernd-Ulrich Hergemöller, Mann für Mann – Biografisches Lexikon; Frankfurt/M. 2001, S. 409.
Ulrich Klein, Albert Raff, Die Württembergischen Münzen von 1798–1873; Stuttgart 1991, S. 80.
Helmut Fritz, „Württembergs geliebter Herr“; in: moneytrend, Jg. 1986, S. 21.
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