Viele der Gedenkmünzen aus der ehemaligen DDR werden heute von Sammlern geflissentlich übersehen. Ein Blick auf die Motive zeigt aber, dass einige von ihnen auf zeitgeschichtlich interessante Ereignisse verweisen: „Die Deutsche Demokratische Republik begann erst 1966 mit der Prägung von Gedenkmünzen. Ihre zahlreichen Ausgaben spiegeln Identitätsbildung und Geschichtsverständnis des sozialistischen Staates. Spezifische DDR-Themen sind zum Beispiel die 10. Weltfestspiele der Jugend und Studenten (1973) oder 20 Jahre NVA (1976) sowie für das Geschichtsbild der DDR wichtige Personen wie die Kommunistenführer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht (1971).“ (Ulrich Schäfer: Deutsche Gedenkmünzen nach 1945 aus kunsthistorischer Sicht, In: GeldKunst-KunstGeld, Osnabrück 2005, S. 111). Einerseits gab es die sogenannten Kurs-Umlaufmünzen aus unedlen Metallen für den inländischen Geldumlauf. Andererseits erschien eine große Zahl von Gedenkprägungen aus Silber, die vorwiegend westliche Devisen einbringen sollten. Den größten Bekanntheitsgrad im Lande erlangte wohl ein schlichtes Geldstück, das bis zur Wendezeit in den Geldbörsen der DDR-Bürger anzutreffen war: „Das Fünfmarkstück zum 20. Jahrestag (1969) aus einer ungewöhnlichen Kupfer-Nickel-Legierung kommt auf ihrer Bildseite nach dem Entwurf von Axel Bertram betont feierlich und seriös daher nur mit der Aufschrift ‚XX Jahre DDR‘ in einer strengen Kapitalis und mit römischen Ziffern.“ (Ebenda, S. 130).
Seit 1971 gab es in der DDR die Kurs-Gedenkmünzen zu zwanzig Mark aus Neusilber, einer Legierung aus Kupfer, Zink und Nickel. Wenig später kamen auch Stücke zu zehn Mark heraus. Zu den frühen Ausgaben zu zehn Mark gehört eine Münze, die anlässlich der Weltfestspiele von 1973 in Ost-Berlin geprägt wurde. Auf der Bildseite zeigt sie das Emblem der Spiele, eine stilisierte Festivalblume. Umgeben ist sie von zwei Schriftzeilen mit der offiziellen Bezeichnung der Veranstaltung: „Das von Axel Bertram gestaltete Zehnmarkstück zu den 10. Weltfestspielen der Jugend und Studenten 1973 – tatsächlich der Jugend aus den sozialistischen Bruderländern in ‚Berlin, Hauptstadt der DDR‘ – zeigt die Weltkugel als Zentrum eines Blütensymbols aus fünf um den Globus angeordneten Kreisen, die vielleicht an die die Erdteile repräsentierendenden fünf olympischen Ringe erinnern sollen.“ (Ebenda, S. 135). Die Gestaltung der Rückseite mit einer besonders großen Wertangabe und dem kleinen Staatsemblem darunter entspricht der von der Münze zu 20 Mark des gleichen Jahrgangs, die anlässlich des 70. Geburtstages von Otto Grotewohl erschien und ebenfalls von Axel Bertram entworfen wurde. Die in einer relativ hohen Auflage von ca. 3,6 Millionen Exemplaren geprägte Sondermünze ist am 7. Mai 1973 ausgegeben worden: „Es gibt auch Probeprägungen, die anstelle des gerippten Randes die vertiefte Inschrift 10 Mark zeigen.“ (Manfred Pfefferkorn: Zwischen Germanischem Museum und Brandenburger Tor – 40 Jahre Deutsche Gedenkmünzen, Ostfildern 1993, S. 199). Etwa 800 Exemplare dieser Proben mit Randschrift wurden hergestellt. Während das millionenfach geprägte Umlaufstück heute schon ab einem Euro im Handel erhältlich ist, wird der Wert der Probestücke in der Katalogliteratur mit 600 Euro angegeben.
Die Weltfestspiele der Jugend und Studenten waren 1947 vom links orientierten „Weltbund der Demokratischen Jugend“ initiiert worden. Vom 28. Juli bis zum 5. August 1973 fanden die zehnten Spiele mit über 25.000 Gästen aus 140 Ländern in Ost-Berlin statt. Zu den Polit-Diskussionen und Rock-Konzerten kamen etwa acht Millionen Besucher. Rückblickend werden sie oft als „Woodstock des Ostens“ verklärt. Und tatsächlich war das Freiheitsgefühl jener Tage ungewöhnlich für die damaligen Verhältnisse: „Wenn sich Jugendliche in dem großen Brunnen der Völkerfreundschaft auf dem Alexanderplatz Kühlung verschafften, lachten die Volkspolizisten freundlich, statt wie sonst energisch einzuschreiten. Man durfte ungehindert über den Rasen laufen, sich in die Grünanlagen setzen und zur Gitarre singen, ohne dass ein Großaufgebot von Sicherheitskräften aufmarschierte.“ (Stefan Wolle: Das Woodstock des Ostens, www.spiegel.de, 28.07.2008). Die Staatsicherheit schritt nur ein, wenn das Treiben zu bunt wurde. Ein Transparent mit der Aufschrift „Wir Homosexuelle der Hauptstadt begrüßen die Teilnehmer der X. Weltfestspiele und sind für den Sozialismus in der DDR“ wurde jedenfalls beschlagnahmt. Der Schriftsteller Klaus Laabs weiß noch, wie er es wagte, auf offener Straße einen langen Kuss mit einem jungen Mann zu tauschen: „Er war nicht ungefährlich, trotz der Regenbogenfahnen, die ein paar Tage lang statt der roten wehten und der Hauptstadt der DDR einen Hauch von San Francisco verliehen.“ (Klaus Laabs: In eigener Sache, maskiert, In: Homosexualität in der DDR, Hamburg 2006, S. 162).
In jenen Tagen wagte sich im Osten von Berlin auch die Freikörperkultur aus dem Abseits hervor: „Ausgerechnet zu den Weltfestspielen 1973, als sich in der Hauptstadt der DDR die Jugendlichen aus aller Welt zum fröhlichen Jubeln und Marschieren trafen, entstand hier am Müggelsee ein illegaler Nacktbadestrand. Vom Demonstrieren und Parolen-Schreien genervt, zog die Internationale der Teenager an den Müggelsee und probte Völkerverständigung hautnah und splitternackt.“ (Thorsten Preuss: Die Nacktmeile am Müggelsee, In: die tageszeitung, 01.06.1991, S. 31). Doch nach dem Ende der Festspiele kehren die alten Sitten zurück. Der Antrag auf Einrichtung eines FKK-Strandes wurde von der zuständigen Stadtbezirkverwaltung brüsk abgelehnt: „Stattdessen schickte das Amt Volkspolizisten in Überfallwagen zum wilden Strand. Die kreisten die FKKler ein und nahmen sie fest. Als besondere Erziehungsmaßnahme wurden die Nacktbader auf die Wagen (zu)geführt und nicht etwa ins nächste Polizeirevier gebracht, sondern direkt ins Präsidium, zum zwanzig Kilometer entfernten Alexanderplatz. Und zwar so wie sie die Polizei eingesammelt hatte, nämlich nackt.“ (Ebenda). Doch die Welle der Freiheit war nicht mehr aufzuhalten. Im Jahr 1976 sah man bereits Jugendliche zur Tausend-Jahr-Feier in der sächsischen Kreisstadt Altenburg nackt im Schlossteich baden. Und zu Weihnachten des Jahres zeigte die beliebte DDR-Fernsehsendung „Außenseiter – Spitzenreiter“ einen Beitrag von einem FKK-Stand an der Ostsee. Chefreporter Hans-Joachim Wolle: „Zu unserer freudigen Überraschung ließ uns die Staatsmacht gewähren.“ (FKK in der DDR, Berlin 2008, S. 9). Damit war die Freikörperkultur quasi legitimiert. Die Freigeister, die die Partei zu den Weltfestspielen gerufen hatte, wurde sie in den folgenden Jahrzehnten nicht mehr los. #Weltfestspiele #DDR #DeutscheDemokratischeRepublik #Westdeutschland #FKK #Freikörperkultur #Homosexualität #Woodstock #WoodstockDesOstens #Sozialismus #AxelBertram #OttoGrotewohl #Gedenkmünze #Gedenkprägung #Mark #MarkDerDDR #XWeltfestspiele #70erJahre #DietmarKreutzer
Comments