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Helmut Caspar

Westfälische Kupfermünzen: Geldschöpfung im 16. und 17. Jahrhundert

Es gehört zu den Besonderheiten der westfälischen Münzgeschichte, dass einige Fürstentümer und Städte statt Silbermünzen massenhaft aus Kupfer verprägten. Münster und Soest eröffneten die Serie 1543 und 1559 mit Pfennigen, es folgten Osnabrück 1566, Werl 1556, Warendorf 1574, Coesfeld 1578, Ahlen 1584, Dülmen 1590, Haltern 1593, Beckum 1595, Wiedenbrück 1596, Rheine 1602, Werne 1602 und Hamm 1609. Am Anfang sei es den Städten um die Behebung des Kleingeldmangels gegangen, der sich im täglichen Leben empfindlich bemerkbar machte, schreibt Peter Berghaus in seiner „Westfälischen Münzgeschichte des Mittelalters“ (1974). Doch bald habe sich gezeigt, dass die Kupferprägung einen willkommenen Zuschuss für die Stadtkasse ergab. Die Städte holten dafür die Einwilligung der Landesherren ein, manche aber prägten die Kupferpfennige auch ohne diese Genehmigung.

Blick in eine Münzstätte um 1620. Das Spottbild nimmt die Machenschaften der Kipper und Wipper aufs Korn, die mit der gesetzwidrigen, von Fürsten und Städten aber gedeckten, Herabsetzung des Silbergehaltes viel Geld verdienten. Foto: Caspar.


In seiner „Beschreibung der Kupfer-Münzen Westfalens nebst historischen Nachrichten“ (1872) hat Joseph Weingärtner diese Gruppe als Besonderheit charakterisiert, die nirgend woanders zu finden ist.

„Wohl in keinem Lande Deutschlands kommen von einer in demselben Jahre geprägten Münze so zahlreiche Verschiedenartigkeiten der Stempel vor, als es hier der Fall ist; häufig beschränken sie sich auf Abkürzungen der Worte um einen oder ein Paar Buchstaben, auf Verzierungen, Scheidezeiten usw,“

schrieb der Autor und fügte hinzu, in Westfalen finde man vielfach an einem und demselben Orte gleichzeitig eine Münzstätte des Bischofs, des Domkapitels und der Stadt.


Westfälische Kupfermünzen waren regional kursierende Zahlungsmittel. Da die beteiligten Stände keine eigenen Edelmetall-Ressourcen besaßen wie andere, besser situierte Kommunen oder Fürstentümer, und das Silber teuer einkaufen mussten, halfen sie sich, indem sie billiges Kupfer verarbeiteten. Die Scheidemünzen sind bis auf Ausnahmen einfach gestaltet, weshalb die Stempelherstellung nicht viel kostete und sich daher auch günstig auf den Münzgewinn, auch Schlagschatz genannt, auswirkte. Künstlerisch aufwändige und komplizierte Wappendarstellungen und Allegorien, ja auch Stadtansichten wie man sie auf hochwertigen Talern und Dukaten erkennt, wurden für diesen Zweck nicht gebraucht. Mit den zum alsbaldigen Verbrauch bestimmten Kupfermünzen konnten und wollten die Herausgeber keinen Staat machen, und sie wurden auch nicht zur Repräsentation geprägt. Es gab allerdings auch Ausnahmen. So ehrten die Fürstbischöfe und das Domkapitel von Münster auf ihren Kupferstücken den Apostel Paulus und stellten auf ihnen auch die Insignien ihres Standes zur Schau.


Westfälische Scheidemünzen weisen zumeist ein einfaches Design auf, weshalb die Stempelherstellung nicht viel kostete und sich daher auch günstig auf den Münzgewinn auswirkte. Aus Ahlen und Beckum  stammen diese anspruchslos gestalteten Zwölf-Pfennig-Stücke von 1610 und 1595. Foto: Caspar.


Zunächst hat man im Bistum Münster geprägtes Kupfer als eine Art Quittung benutzt, wenn etwas zu bezahlen war, aber gerade kein silbernes Geld bei der Hand war. Man erwartete, dass die Marken bald wieder gegen kurantes Geld eingetauscht werden können. Mehr und mehr eroberten die Kupferstücke in den allgemeinen Geldverkehr und wurden wie normale Zahlungsmittel verwendet. Die durch Kriege und Katastrophen in Not geratenen Städte haben ihre Einwohner bei der Vorlage der Kupferstücke auf bessere Zeiten vertröstet und versprochen, sie bald in kurantes Geld einzuwechseln.


Bei den Kupfermünzen rechnete man nach Pfennigen, Schilling und Stübern. Zwölf Pfennige gingen auf einen Schilling, von denen mal hier 28 und woanders aber nur 24 oder 21 auf einen Reichstaler gingen. Auch die Stüber wurden unterschiedlich zwischen acht und vier Pfennigen bewertet, weshalb der Reichstaler zwischen 40 und 50 Stüber berechnet wurde. Man kann sich gut vorstellen, welche Probleme man beim Umrechnen von Kupfergeld in kurantes Silber und Gold hatte und was sich beim Geldwechsel verdienen ließ. Von den Städten und den Landesfürsten veröffentlichte Tabellen erklärten, wie die einzelnen Sorten zu berechnen sind. Um Kupfermünzen benachbarter Städte zum Umlauf im eigenen Gebiet zuzulassen, hat man sie mit Gegenstempeln versehen. Doch nicht immer waren solche Kontermarken willkommen, denn es kam auch vor, dass solche Geldstücke von der Obrigkeit verboten wurden.

Das Domkapitel von Münster ließ 1608 diese mit einer Kontermarke gezeichneten Kupfermünze im Wert von drei Schillingen mit dem Heiligen Georg als Drachentöter prägen. Der Zwölfer von 1615 ist eine Ausgabe der Stadt Osnabrück. Foto: Caspar.


Viele Kupferstücke repräsentieren unterschiedliche Werte, sind aber gleich oder ähnlich groß. Nur die arabischen oder römischen Zahlen auf ihnen machen den Unterschied. Obwohl sie ein Mauerblümchen-Dasein fristen, sind sie wichtige Zeugnisse der Regional-, Wirtschafts- und Kulturgeschichte. Im Handel sind sie jedoch nicht allzu häufig anzutreffen. Denn da diese Spezies zum alsbaldigen Verbrauch bestimmt war und man sie auch nicht des Aufhebens für würdig hielt, wie etwa Silbertaler und Goldmünzen, verschwanden sie, unansehnlich und abgegriffen, wie sie waren, wieder im Schmelztiegel als Rohmaterial für eine neue Münzserie oder andere Zwecke. Wir können sicher Joseph Weingärtners Aussage zustimmen, dass Münzsammler in Bezug auf mehrere Länder und Städte Westfalens nie zum Abschluss kommen werden, weil es so viele verschiedene Ausgaben gibt.


Mit Kupfermünzen ist allerhand Missbrauch getrieben worden. Nicht nur, dass man sie wegen des zumeist einfachen, ja nachlässigen Stempelschnitts und der manuellen Prägeweise am Amboss beziehungsweise auf dem Klippwerk gefälscht hat. Man hat sie mitunter bei Kollekten in den Kirchen gespendet, was Pfarrer und Kirchgemeinden in Rage brachte und die Obrigkeiten zu Verboten veranlasste. In einer von Paul Bamberg in den „Blättern für Münzfreunde“ (Heft 4/1934, S. 79) publizierten Verordnung, gegeben im sächsischen Pulsnitz am 16. April 1676, wird festgestellt, man habe missfällig erfahren, dass viele kupferne und nichtswürdige Münzen, die anderswo gänzlich verboten sind, von gewinnsüchtigen Leuten in die Klingelbeutel geworfen werden, wobei nicht bedacht werde, dass sie dadurch nicht Menschen, sondern Gott betrügen. Wer sich künftig erlaubt, solche Machwerke zu spenden, werde streng bestraft. Über die Wirkung der Weisung ist nur bekannt, dass Gemeindemitglieder genötigt wurden, speziell für die Kollekte angefertigte Kirchenpfennige aus Silber zu kaufen und in die Kollekte zu werfen. Ob man auch im Westfälischen mit minderwertigen Münzen Schabernack getrieben und Gott, die Kirche und die Gemeinden hintergangen hat, könnten vielleicht Nachforschungen vor Ort ergeben.


Helmut Caspar

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