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Michael Kurt Sonntag

Wenn der Schein trügt

Nachdem der Seleukidenkönig Demetrios II. (der ältere Bruder von Antiochos VII.) im Sommer 138 v. Chr. von den Parthern gefangen genommen worden war, stellte Antiochos VII. Euergetes Sidetes (seine Beinamen bedeuten der Wohltäter aus Side) in Side ein Söldnerheer zusammen, um damit die Herrschaft im Seleukidenreich zu übernehmen. Da Demetrios II. aber nur einige Gebiete im nördlichen Syrien, Sidon, Tyros und Gaza sowie Mesopotamien und Babylonien beherrscht hatte, der Rest des Landes sowie die Hauptstadt Antiocheia am Orontes aber seit 144/43 v. Chr. in der Hand des Usurpators Tryphon lagen, musste Antiochos VII. erst Tryphon loswerden, um im Seleukidenreich zu regieren. Um seine Legitimität zu festigen, heiratete er seine Schwägerin, die Königin Kleopatra Thea. Danach vertrieb er Tryphon aus Nordsyrien, verfolgte und belagerte diesen zunächst in Dora und dann in Apamea, wo Tryphon schließlich besiegt und hingerichtet wurde (137 v. Chr.)

In der Folge restaurierte er die seleukidische Autorität im ehemals tryphonischen Herrschaftsgebiet, machte Judäa tributpflichtig und zwang es, die Oberhoheit der Seleukiden anzuerkennen. Doch dann zwangen ihm parthische Vorstöße 130 v. Chr. einen Feldzug im Osten auf. Antiochos siegte zunächst in drei Schlachten, gewann Seleukeia am Tigris und Susiana und griff auch Gebiete in Medien erfolgreich an. Da sein Heer die Gastbevölkerung im Winterquartier aber arg strapaziert hatte, verbündeten sich die einstigen Gastgeber im Herbst 129 v. Chr. mit den angreifenden Parthern und Antiochos wurde im Kampf getötet und sein Heer vernichtend geschlagen.


Zu den zahlreichen Silbermünzen, die Antiochos VII. prägen ließ, zählen Tetradrachmen und Drachmen im attischen Standard ebenso wie Tetradrachmen, Didrachmen und Drachmen im phönikischen Münzfuß (14 g/Tetradrachmon). Mit Ausnahme der kilikischen Städte Soloi, Tarsos und Mallos, die eigene Rückseitenbilder für die Münzen des Antiochos benutzen, trugen die Tetradrachmen des Antichos im attischen Standard rückseitig die stehende Athena-Nikephoros und die Drachmen eine stehende Nike.


Seleukidenreich. Antiochos VII. Euergetes Sidetes (138–129 v. Chr.).

Tetradrachmon, 16,74 g, 29 mm, Münzstätte Antiocheia am Orontes [Gorny & Mosch 297/1325]


Betrachten wir die abgebildete Münze etwas eindringlicher, so sehen wir vorderseitig das Porträt Antiochos' VII. im Diadem nach rechts gewandt. Rückseitig erkennen wir die Göttin Athena im langen Chiton, mit attischem Helm und Speer, ihre Linke auf einen Schild gestützt und auf ihrer Rechten die Siegesgöttin Nike haltend. Die Münzlegende lautet ΒΑΣΙΛΕΩΣ / ΑΝΤΙΟΧΟΥ / ΕΥΕΡΓΕΤΟΥ ([Münze] des Königs Antiochos des Wohltäters).


Auf den Rückseiten der phönikischen Antichos-Münzen im phönikischen Münzfuß findet sich der in Phönikien übliche nach links stehende Adler und in der Legende fehlt der Beinamen ΕΥΕΡΓΕΤΟΥ.


Seleukidenreich. Antiochos VII. Euergetes Sidetes (138–129 v. Chr.).

Tetradrachmon, 13,99 g, 29 mm, Münzstätte Tyros (Phönikien). [Roma Numismatics 28/367]


Dem Numismatiker Oliver D. Hoover zufolge führte der massive Ausstoß von Antiochos-Tetradrachmen im attischen Standard sowie ihr weites Verbreitungsgebiet jedoch dazu, dass diese Tetradrachmen gezielt immittiert wurden, waren sie doch so beliebt, dass sie die Ariarathidischen Könige von Kappadokien sogar posthum (d. h. nach dem Tod des Antiochos VII.) massenhaft immitierten. Auf den ersten Blick sind diese Münzen von den Originalen nicht zu unterscheiden, zumal Bildmotive und Legenden exakt übernommen wurden.


Kappadokien. Ariarathes VII. Philometor (um 116–100 v. Chr.).

Tetradrachmon im Namen Antiochos' VII. Euergetes (um 116–100 v. Chr.). 16,62 g, 28 mm, Münzstätte in Kappadokien [Künker, Lagerliste 139/24]


Numismatiker glaubten deshalb noch bis Anfang des 21. Jahrhunderts, diese Ausgaben seien späte Emissionen des Antichos VII. aus Antiocheia am Orontes. Erst als 2002 ein Tetradrachmon des Antiochos VII. erschien, das dieselben Kontrollmarken aufwies wie die Tetradrachmen Ariarathes VII. Philometor von Kappadokien (um 116–100 v. Chr.), wurde klar, dass es sich dabei um eine offizielle Immitation einer Tetradrachme von Antiochos VII. handeln musste. Später entdeckte man eine Vielzahl ähnlicher Immitationen, die sich allesamt von den seleukidischen Originalen nur durch ihre kappadokische Kontrollmarken-Konvention und durch stilistische Abweichungen unterschieden (Oliver D. Hoover: Handbook of Coins of Northern and Central Anatolia, Lancaster/London 2012, S. 316). Will man wissen, ob ein Tetradrachmon ein Original oder eine Immitation ist, so empfielt es sich einen Blick in den Katalog „Seleucid Coins. A Comprehensive Catalogue, Part II, Volume I, Lancaster/London 2008, S. 399–407, Nr. 2136–2150“ von A. Houghton, C. Lorber und O. D. Hoover zu werfen. Dort werden nämlich die kappadokischen Tetradrachmen im Namen von Antiochos VII. (posthume Ausgaben) der Jahre um 130–80 v. Chr. detailliert aufgeführt. So kann man anhand der primären und sekundären Kontrollmarkenkennzeichnung erkennen, welche Tetradrachmen Immitationen sind.


Bleibt aber die Frage nach dem Warum – warum immierte z. B. Ariarathes VII. Philometor (116–100 v. Chr.) die seleukidischen Tetradrachmen Antiochos' VII.?

Vielleicht fällt die Antwort auf diese Frage leichter, wenn wir zunächst einmal kurz Leben und Wirken des Ariarathes VII. betrachten. Nach der Ermordung Ariarathes' VI. (116 v. Chr.) bestieg Ariathes VII. den Thron Kappadokiens. Da er zu dem Zeitpunkt noch minderjährig war, übernahm seine Mutter Laodike die Regentschaft für ihn. Um 105 v. Chr. fiel der bithynische König Nikomedes III. in Kappadokien ein, heiratete Laodike, um die Regenschaft an sich zu reißen, wurde aber bald darauf vom pontischen König Mithradates VI. Eupator, der ein Bruder der Laodike war, aus Kappadokien vertrieben. Mithradates setzte Ariarathes VII. anschließend als König ein. Weil Mithradates VI. aber eine schützende Hand über Gordios, den Mörder von Ariarathes VI., hielt, kam es um 101/100 v. Chr. zum Zerwürfnis zwischen Ariarathes VII. und Mithradates VI. und Ariarathes VII. stellte eine Armee auf, um Mithradates auf dem Schlachtfeld zu begegnen. Doch bevor es zum Krieg kam, lud Mithradates den Ariarathes zu einem klärenden Gespräch. Allerdings wurde Ariarathes während dieser „Konferenz“ ermordet und der kappadokische Thron anschließend mit dem 8-jährigen Sohn des Mithradates VI. besetzt.


Vergegenwärtigt man sich, dass Ariarathes VII. in sehr unruhigen politischen Zeiten lebte, in denen militärischer Schutz unabdingbar war und dass er für die Gewährleistung dieses Schutzes auf eine Vielzahl syrischer Söldner zurückgriff, die in vertrautem Geld attischen Standards bezahlt werden wollten, dann wird vielleicht klar, weshalb der kappadokische König die Tetradrachmen von Antiochos VII. massenhaft immitieren ließ. Bei O. Hoover heißt es diesbezüglich: „The types of this king“ – [gemeint sind die Münztypen Antiochos VII.] – were apparently copied to meet the needs of Syrian mercenaries fighting in Kappadokia on behalf of Ariarathes VII.“ (Oliver D. Hoover, wie a. a. O.)

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