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Helmut Caspar

„Weder übermütig noch zaghaft“: Wie sich Danzig in der Zwischenkriegszeit auf Münzen präsentierte

Polens über tausendjährige Geschichte war durch ein ständiges Auf und Ab gekennzeichnet: großer territorialer Ausdehnung bis hinein in das heutige Russland und einer beherrschenden Stellung im Ostseeraum sowie kulturellen Höhenflügen folgten Niedergang, Chaos und Abhängigkeit von fremden Mächten, schließlich die Zerschlagung des Staates am Ende des 18. Jahrhunderts. Kenntlich ist die glanzvoll von den Piasten, Přemysliden, Anjou, Jagiellonen, Báthory, Wasa, Sobieski und den aus Sachsen stammenden Wettinern geprägte Entwicklung an großartigen Bauwerken wie Kirchen und Klöster, Burgen und Schlösser, Rathäuser und prächtige Bürgerbauten sowie an Leistungen bedeutender Künstler und Gelehrter.

Der Neptunbrunnen ist auf den 25-Gulden-Stücken von 1923 [Künker 213/5756] und 1930 [Sincona 1/908] aus Gold dargestellt.


Durch Schifffahrt, Bootsbau und Handel mit Fischen, Getreide und anderen Waren reich geworden, besitzt die an der Weichselmündung gelegene Stadt Danzig prächtige Kirchen, stolze Bürgerhäuser, repräsentative Tore und wuchtige Getreide- und andere Speicher. Dargestellt ist sie auf Bildern von starken Festungsanlagen umgeben, bekrönt durch die Türme der Marienkirche, der Johanniskirche, der Nikolaikirche, der Katharinenkirche sowie dem zierlichen Turm des Rathauses und weiterer Sakral- und Profanbauten. Auch auf Medaillen kann man die Stadt an ihrer Silhouette und durch das aus einer Krone über zwei Kreuzen bestehende Stadtwappen erkennen.

Der Neptunbrunnen mit der Figur des mit einem Dreizack bewaffneten antiken Meeresgottes wurde 1633 vor dem Artushof aufgestellt, dem kostbar dekorierten Treffpunkt der Reichen und Schönen auf der Prachtstraße Dlugi Targ im Herzen von Danzig [Foto: Caspar].


Die Siegermächte des Ersten Weltkriegs trennten 1919 Danzig durch den Versailler Vertrag vom Deutschen Reich ab und machten aus der Stadt einen eigenen Staat mit knapp 400.000 Einwohnern auf einer Fläche von knapp 2000 Quadratkilometern, wenn man die Gewässer einrechnet. Diese Freie Stadt stand unter der Aufsicht eines vom Völkerbund bestimmten Hohen Kommissars, während ihre Sicherheit durch polnische und britische Truppen garantiert wurde. Nach außen ließ sich Danzig durch die polnische Regierung in Warschau vertreten. Die Trennung vom Deutschen Reich erfolgte ohne Volksabstimmung, und so ersehnten viele Danziger ihre „Heimkehr“ nach Deutschland. Ein 1921 zwischen Deutschland, Polen und Danzig geschlossenes Abkommen sicherte den Verkehr durch einen „Korridor“ von und nach Ostpreußen mit Königsberg als Hauptstadt. Mit der Beschießung eines Militärpostens auf der Westerplatte unweit von Danzig durch das deutsche Panzerschiff Schleswig-Holstein am Morgen des 1. September 1939 brach Hitler den Zweiten Weltkrieg vom Zaun. An dessen Ende war auch Danzig fast vollständig zerstört, was man aber der Stadt heute nicht mehr ansieht: Polnische Denkmalpfleger und Restauratoren haben sie mit großer Hingabe originalgetreu wiederaufgebaut.

Die seit 1919 Freie Stadt Danzig bildete auf ihren Münzen besondere Sehenswürdigkeiten ab, so die Marienkirche [Repro: Caspar] und den Turm des Rathauses [Gärtner 46/4011].


Dass Danzig auf seinen silbernen und goldenen Münzen sowie auf Medaillen immer wieder gekrönte Häupter abgebildet hat, hängt mit dem Schutz zusammen, den die Stadt durch die Könige von Polen genoss. Da Polen ein Wahlkönigtum war, gelangten Kandidaten aus fernen Ländern, aber auch Vertreter eigener Adelsfamilien auf den Thron. Eine eigene Münzprägung konnte Danzig erst wieder nach dem Ersten Weltkrieg aufnehmen, und das in einer Zeit, als man im benachbarten Deutschen Reich noch um Sinn, Zweck und Form der neuen Gedenk- und Kursmünzen stritt. Die goldenen 25-Gulden-Stücke von 1923 und 1930 zeigen den 1633 vor dem Arthushof am Langen Markt aufgestellten Neptunbrunnen. Ein edel geformtes Gitter umschließt und schützt den Renaissance-Brunnen, dessen Bau sich die kunstsinnigen Bürger 100.000 Gulden kosten ließen.

Die im Zweiten Weltkrieg fast ganz zerstörte Stadt Danzig, heute Gdansk, hat Polen nach allen Regeln der Denkmalpflege und Restauratorenkunst mustergültig wiederaufgebaut Foto: Caspar].


Da Danzig mit seiner bedeutenden Handelsflotte im Ostseehandel eine dominierende Rolle spielte, lag es wenige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg nahe, dieses Motiv auf den höchsten Münzwert der Freien Stadt zu setzen und auch auf Geldscheinen der Bank von Danzig abzubilden. Die in einer Auflage von nur 1000 Exemplaren geprägte 25-Gulden-Münze von 1923 sollte die Golddeckung der Danziger Guldenwährung unterstreichen. Das war ein wichtiges Signal an die Um- und Mitwelt, denn im Deutschen Reich erreichte die Inflation 1923 gerade ihren Höhepunkt und die Reichsmark lag am Boden. In die Geldbörsen der Danziger dürften die Goldmünzen kaum geklappert haben. Man hat sie für repräsentative Geschenke verwendet oder Vertretern des Stadtstaates überlassen, die sich um die neue Währung verdient gemacht hatten. Wenn die Stücke im Handel angeboten werden, erzielen sie enorme Summen. Das wie die Ausgabe von 1923 gestaltete 25-Gulden-Stück von 1930 kam nicht mehr in den Umlauf. Der in einer Auflage von 4000 Stück geprägte Bestand blieb als Sicherheit in der Reichsbank in Berlin liegen. Nach dem sogenannten Anschluss Danzigs an Hitlerdeutschland am 1. September 1939 sollen hohe Nazifunktionäre mit dieser Rarität beschenkt worden sein. Wenn die Stücke heute gelegentlich angeboten werden, könnten sie aus einer von den US-Truppen angelegten Sammelstelle für herrenlose Wertgegenstände stammen.

Hoch in Ehren hält Danzig seinen großen Sohn, den Astronomen Jan Heweliusz/Johann Hevel, der sich als Begründer der Kartografie des Mondes und Entdecker von Kometen einen Namen gemacht hat. Der Notgeldschein von 1923 erinnert an den Gelehrten [Künker 237/4043].


Die Danziger Münzprägung der Zwischenkriegszeit hatte 1920 bescheiden mit einer in zahlreichen Varianten geprägten Zehn-Pfennig-Münze aus einer Neusilberlegierung begonnen. Obwohl die Auflage recht groß war, werden die Stücke heute selten angeboten. Die in Berlin und Utrecht geprägte Serie von 1923 besteht aus 1, 2, 5 und 10 Pfennigen. Dazu traten Werte zu einem halben Gulden, 1 Gulden, 2 Gulden, 5 Gulden und 25 Gulden. Es folgten Ausgaben mit den Jahreszahlen 1927, 1932 und 1935. Für Sammler dürfte es schon damals nicht einfach gewesen sein, die Danziger Goldmünzen zu bekommen.

Der Freistaat Danzig hat mit dem Neptun-Motiv und weiteren Münzbildern auf seine lange Geschichte als Handels- und Kulturzentrum und speziell auf die Leistungen seiner Bewohner als Reeder, Seeleute, Fischer und Schiffbauer hingewiesen. Wie das 25-Gulden-Stück von 1923 und 1930 sind auch die anderen Werte ansehnlich, so die Darstellungen der mittelalterlichen Marienkirche, des Krantors und das Rathaus mit seinem hohen Uhrenturm. Auf anderen Münzen sind mittelalterliche Koggen und Fische zu sehen. Die höheren Guldenwerte tragen die lateinische Rand- beziehungsweise Aufschrift NEC TEMERE NEC TIMIDE, die sich mit „Weder übermütig noch zaghaft“ übersetzen lässt. Das Motto passt gut zu einer Stadt, die sich mit seinen Nachbarländern gut stellen und sich durch besondere Leistungen durchsetzen musste.


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