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War der Baaltars von den Münzen des Mazaios das Vorbild für den Zeus der Alexander-Tetradrachmen?

Michael Kurt Sonntag

Da es sicher keinen Sammler antiker griechischer Münzen gibt, dem Alexander der Große unbekannt ist, möchte ich mein Augenmerk an dieser Stelle auf den Perser Mazaios und dessen Münzen lenken, ehe ich mich der Beantwortung der im Titel erwähnten Frage widme.


Um 361 v. Chr. ernannte der persische Großkönig Artaxerxes II. Mnemon (405/4-359 v. Chr.)  den persischen Adligen Mazaios (aramäisch [von rechts nach links gelesen]: MZDY = Mazday) zum Satrapen (zum Statthalter) von Kilikien. Nun war dieser als Satrap zwar an die Weisungen seines Königs gebunden und wurde auch durch königliche Funktionäre überwacht, doch genoss er innerhalb seiner Satrapie höchste administrative, richterliche und militärische Macht. Nachdem der persische Großkönig Artaxerxes III. Ochos (359-338 v. Chr.) und Mazaios den „Tennes“-Aufstand in Phönikien niedergeschlagen hatten, wurde Mazaios um 345 v. Chr. auch zum Satrapen der weitläufigen Satrapie Transeuphratesien (aramäisch: ´BR NHR` = Abar Nahara) ernannt – diese umfasste Phönikien, Syrien und Mesopotamien (ohne Babylonien) –, wodurch sich sein Herrschaftsbereich beträchtlich erweiterte. Für Leo Mildenberg war Mazaios zwischen 345 und 334 v. Chr. tatsächlich Vizekönig des größten Teils der Levante. Beim antiken Historiker Plutarch lesen wir: „Mazaios war bekanntlich der bedeutendste Mann an Dareios Hofe gewesen“ (Plutarch, Alexander 39).


Doch so bedeutend Mazaios am persischen Hof auch gewesen sein mag, an den Schlachten gegen Alexander den Großen am Granikos (334 v. Chr.) und bei Issos (333 v. Chr.) scheint er nicht teilgenommen zu haben, da ihn keiner der antiken Geschichtsschreiber als Beteiligten erwähnt. Hierfür kann es nur eine Erklärung geben, Mazaios muss zu dieser Zeit mit anderen wichtigen Aufgaben in Transeuphratesien betraut worden sein. So wird vielleicht auch verständlich, weshalb nicht er Alexander 333 v. Chr. bei den Kilikischen Toren zum Kampf stellen sollte, sondern Arsames, der bereits am Granikos gegen Alexander gekämpft hatte. Hieraus abzuleiten, Mazaios habe seine Satrapie Kilikien 334/333 v. Chr. an Arsames verloren, ist keineswegs zwingend. Mildenberg und Bing zufolge handelte Arsames in Kilikien nämlich nur als Untergebener des Mazaios, da letzterer von 333 bis 332 v. Chr. mit der Verteidung Nordsyriens beschäftigt war.


Nach der persischen Niederlage bei Issos wurde Kilikien makedonisch und Balakros, ein Leibwächter Alexanders, der neue Satrap Kilikiens. Weil die Truppenstärke des Mazaios im August 331 v. Chr. nicht ausreichte, um den Makedonenkönig, wie befohlen, an der Überquerung des Euphrat bei Thapsakos zu hindern, floh er und ließ ihn passieren. Am 1. Oktober desselben Jahres, als es zur Schlacht bei Gaugamela kam, befehligte Mazaios den rechten persischen Flügel mit großem Einsatz und zunächst auch großem Erfolg. Bei Arrian heißt es diesbezüglich: „Die Reiterei des rechten persischen Flügels hingegen, die noch nichts von der Flucht ihres Königs wußte, umritt den linken makedonischen Flügel und griff Parmenion in der Flanke an. Als so zum ersten Mal die Sache für die Makedonen eine gefährliche Wendung zu nehmen drohte, schickte Parmenion eiligst zu Alexander, sein Heeresteil liege in schwerem Kampf und Hilfe sei dringend nötig“ (Arrian, Alexanderzug III, 14,6; 15,1). Schließlich aber scheiterte Mazaios an der Hartnäckigkeit der Thessaler, die seine Reiterei in die Flucht schlugen. Auch floh er, nachdem er von der Flucht seines Großkönigs erfahren hatte, vom Schlachtfeld nach Babylon, das er im Auftrag des Dareios gegen die Makedonen verteidigen sollte.


Mitte Oktober, als Alexander mit seiner Armee vor den Toren Babylons erschien, übergab er diesem die Stadt jedoch kampflos. Dies tat er allerdings nicht, weil er feige oder gar ein opportunistischer Verräter war, wenngleich er hiernach zum Satrapen von Babylonien ernannt wurde, sondern weil er als kluger, erfahrener und weitsichtiger Feldherr die Ausweglosigkeit seiner Lage erkannt hatte und nach der zweiten Flucht des Dareios wohl auch nicht mehr an einen Sieg des Perserreichs glaubte. Hatten es doch die Perser trotz zahlenmäßiger Überlegenheit bis dahin nicht vermocht, Alexander auch nur ein einziges Mal zu schlagen. Darüber hinaus hatten die Schicksale der Bewohner von Tyros und Gaza in abschreckender Weise deutlich gemacht, wie grausam Alexander mit jenen verfuhr, die sich ihm widersetzten und dabei unterlagen. Wenn Mazaios sich der makedonischen Macht beugte, so geschah dies letzten Endes im Interesse Babylons und seiner Einwohner – ersparte er der Stadt doch damit umfangreiche Zerstörungen und den Einwohnern Hungersnot, tausendfachen Tod und Versklavung. Und da er seinerseits Alexander treu diente, beließ ihn dieser, auch nachdem Dareios ermordet worden war und er dessen Position als Großkönig eingenommen hatte, in Amt und Würden. Mazaios blieb folglich Satrap von Babylonien bis zu seinem Tod im Jahre 328 v. Chr.


Die Statere des Mazaios


Da Kilikien die erste Satrapie des Mazaios und Tarsos eine der ältesten und produktivsten Münzstätten innerhalb der Satrapie und des Perserreiches war und Mazaios zudem nahezu drei Jahrzehnte lang über Kilikien und Tarsos herrschte, ist es nicht verwunderlich, wenn er seine Münzen in Tarsos prägen ließ. Allen in Tarsos geprägten Münzen gemeinsam ist die Tatsache, dass sie auf ihren Vorderseiten den Stadtgott von Tarsos, den thronenden Baal, auch Baaltars genannt, abbilden. (Abb. 1, 2 und 3)

Abb. 1: Stater (um 361–350/334 v. Chr.), Silber, 10,80 g, Ø (Höhe Rs.) 23 mm. Münzstätte Tarsos. Fotoquelle: Numismatik Naumann, Auktion 128 (7. Mai 2023), Los 379



Abb. 2: Stater (um 361–354 v. Chr.), Gold, 8,21 g, Ø (Höhe Vs.) 17 mm. Münzstätte Tarsos.

Fotoquelle: Gorny & Mosch, Auktion 306 (15. Oktober 2024), Los 249



Abb. 3: Stater (um 361/350–334 v. Chr.), Silber, 10,87 g, Ø (Höhe Vs.) 23,30 mm. Münzstätte Tarsos. Fotoquelle: MA-Shops, Kim J. Nazzi, Belgien (März 2025)


Dass es sich hier um keinen anderen Gott handeln kann, macht die in aramäischen Buchstaben geschriebene Legende deutlich, die da lautet: B´LTRZ = Baaltars. Ebenfalls in aramäischen Buchstaben erscheint der Name des Mazaios: MZDY = Mazday, der sich auf den Münzrückseiten befindet.

Betrachtet man die Statere aus Abb. 1, 2 und 3 etwas eindringlicher, so fällt auf, dass der Gott Baal, ikonographisch gesehen, sowohl der unumschränkte Herrscher als auch der Garant für Wohlstand ist – thront er doch wie ein weltlicher König auf ein Langzepter gestützt und hält dabei eine Getreideähre und eine Weintraube in seiner Hand. Der Adler, der sich auf der dritten Münze dazugesellt, mag ein Hinweis darauf sein, dass Baal hier mit Zeus gleichgesetzt wurde, weswegen Mildenberg diesen Gott auch als Baal-Zeus beschreibt.


Die Tetradrachmen Alexanders des Großen


Nachdem Alexander der Große die Macht in Makedonien übernommen hatte und etwas später auch das eroberte Perserreich regierte, ließ er überall in seinem Reich u. a. Tetradrachmen prägen, die vorderseitig das Porträt des Herakles im Skalp des Nemeischen Löwen zeigen und rückseitig den nach links thronenden Zeus mit um die Hüften gelegtem Himation offenbaren. Einen Zeus, der auf seiner Rechten einen Adler hält und seine Linke auf ein Langzepter stützt. (Abb. 4 und 5)



Abb. 4: Tetradrachmon (336/333–323 v. Chr.), 17,17 g, Ø (Höhe Vs.), 27,15 mm.

Münzstätte Amphipolis, Makedonien.

Fotoquelle: Numismatik Lanz, Auktion 146 (25. Mai 2009), Los 110



Abb. 5: Tetradrachmon (um 327–323 v. Chr.), 17,26 g, Ø (Höhe Vs.), 27,80 mm.

Münzstätte Tarsos, Kilikien.

Fotoquelle: F. R. Künker, Auktion 248 (14. Mai 2014), Los 7181


Vergleicht man den Baaltars der Mazaiischen Silber- und Gold-Statere (Abb. 1, 2 u. 3) mit dem Zeus der Alexander-Tetradrachem (Abb. 4 und 5), dann ist eine kompositorische und stilistische Ähnlichkeit zwischen den Götterbildern nicht zu leugnen.


Ob der Baaltars des Mazaios folglich zur Vorlage für Alexanders thronenden Zeus wurde, ist eine Frage, auf die Numismatiker unterschiedlich geantwortet haben. O. H. Zervos erklärte 1982 beispielsweise bezüglich der frühesten Reichsprägung Alexanders des Großen, diese habe erst 333 v. Chr. eingesetzt, nachdem Alexander Tarsos erobert habe und seine Makedonen dort mit den Münzen des Mazaios in Kontakt gekommen wären und ihre Stempelschneider in der Folge davon beeinflusst worden seien. Als Beleg für diese These führt er Kriterien auf wie die gleiche Sitzposition des Zeus, den ähnlichen Faltenwurf und den dicken Wulst seines Himations um die Taille herum, die parallele Haltung der Füße des Gottes und den „orientalisch gestalteten  Stuhl“ des Zeus.


Für Martin Jessop Price dagegen, der den Beginn der frühesten Herakles-Zeus-Tetradrachmen-Prägung, als Ergebnis einer Münzreform, an den Anfang der Regierung Alexanders nach Amphipolis in Makedonien setzt, 336 v. Chr. also, waren diese Tetradrachmen eigenständige griechische Schöpfungen, die bereits vor der Eroberung von Tarsos in Makedonien umliefen und ihre Vorbilder in der griechischen Kunst hatten. Unterstützung fand die These von Price u. a. seitens des Numismatikers Stefan Ritter, der  schrieb: „Man hat gelegentlich postuliert, das Bild des thronenden Zeus sei von Darstellungen des Baal auf Münzen von Tarsos übernommen worden, doch ist diese These nicht haltbar; das Motiv hatte in der griechischen Münzprägung selbst eine lange Tradition und findet sich bereits im 5. Jahrhundert auf Münzen der Arkader, im 4. Jahrhundert dann auf den Stateren Achäischen Bundes.“ (Stefan Ritter: Bildkontakte. Götter und Heroen, S. 146 f.)


Eine interessante These, die indirekt die Ansichten von Zervos bezüglich des Vorbildcharakters der Mazaios-Münzen stützt, ist indes jene von H. A. Troxell von 1991, die zu bedenken gibt, dass die über einen langen Zeitraum und in großen Mengen emittierten Baaltars-Münzen des Mazaios von Tarsos für Soldzahlungen benutzt wurden, und von daher auch in Makedonien bereits vor 336 v. Chr. bekannt gewesen sein dürften. (vgl. diesbezüglich auch Leo Mildenberg, S. 44 f., Fußnote 7) Hiernach könnten sich die makedonischen Stempelschneider durchaus von den Mazaiischen Münzen aus Tarsos inspiriert haben. Fazit: Während ein Teil der Fachwelt die Frage nach dem Vorbildcharakter der Mazaiischen Münzen ausdrücklich bejaht, verneint sie der andere zumindest ebenso kategorisch.


Michael Kurt Sonntag



Literatur: 

O. H. Zervos: Notes on a book by Gerhard Kleiner/The Earliest Coins of Alexander the Great, in: Numismatic Cronicle 142 (1982), S. 166–179;

H. A. Troxell: Alexander´s Earliest Macedonian Silver, in: Mnemata, Papers in Memory of N. M. Waggoner, New York 1991, S. 4–61;

Martin Jessop Price: The Coinage of Alexander the Great and Philip Arrhidaeus, Zürich/London 1991;

U. Hübner, E. A. Knauf (Hrsg): Leo Mildenberg, Vestigia Leonis, Göttingen 1998;

Stefan Ritter: Bildkontakte. Götter und Heroen in der Bildsprache griechischer Münzen des 4. Jahrhunderts v. Chr., Berlin 2002;

Gerhard Wirth und Oskar von Hinüber (Hrsg. u. Übers.): Arrian, Der Alexanderzug / Indische Geschichte (Griechisch und Deutsch), 1985;

Eduard Eyth (Übers.): Plutarch, Alexander der Eroberer, 2008;

Hubert Cancik, Helmuth Schneider (Hrsg.): Der neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, 16 Bde., 1996–2003.

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