Die braunschweigischen Herzogtümer blicken auf eine lange und reiche Münz- und Medaillenprägung zurück. Die Silberausbeute der Bergwerke im Harz machte es möglich und war die Quelle für den Reichtum der Landesherren. Sie bedienten sich des geprägten Metalls als Mittel zur Schatzbildung aber auch der Repräsentation und fürstlichen Propaganda. Wie die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg und Braunschweig-Wolfenbüttel ließen es sich auch andere Potentaten viel Geld kosten, um sich auf goldenen und silbernen Geldstücken mit allen Abzeichen ihrer Macht darzustellen. Dass gelegentlich Doppelstücke und Abschläge auf viereckigem Metall, die so genannten Klippen, hergestellt wurden, unterstreicht die Rolle, die sie als „Geschenk- und Verehrpfennige“ gespielt haben. Bei den braunschweigischen Münzen kommen als Besonderheit die schweren Mehrfachtaler (Löser), jene übergroßen Silberstücke mit prachtvollen Herrscherbildnissen, Bergwerksdarstellungen, Allegorien und reichem Wappenschmuck, hinzu. Manche haben die Zeiten überstanden und werden zur Freude der Sammler regelmäßig vom Handel angeboten.
Mit den ganzen, halben und viertel Glockentalern feierte Herzog August 1643 die Befreiung seiner Residenzstadt Wolfenbüttel von kaiserlichen Besatzern. Bildquelle: Caspar.
Schaut man sich frühe Talerprägungen an, so kristallisieren sich als beliebte Motive Fürstenporträts mal stehend, mal reitend oder als Brustbild heraus, gefolgt von Heiligenbildnissen und prächtigen Wappenschildern. Im späten 16. Jahrhundert kommen allegorische Figuren sowie Stadt- und Gebäudeansichten hinzu. Nicht zu vergessen die Widmungen und Inschriften zur Erinnerung an wichtige Ereignisse in den Fürstenhäusern und an andere Anlässe. Neben den allbekannten Wildemanntalern, benannt nach den behaarten Riesen als Wappenhalter, gibt es die Glocken- und Glückstaler, aber auch die Jakobs-, Licht-, Lügen-, Pelikan-, Pfaffenfeind-, Rebellen-, Schiffs-, Mücken-, Luftpumpen-, Eintrachts- und viele andere Taler. Diese emblematischen Münzen mit all ihren Varianten zu bekommen und auch ihren Sinn zu ergründen, ist eine Lebensaufgabe.
Der dreifache Lösertaler von 1664 bildet unter dem springenden Welfenross eine Bergbaulandschaft ab und setzt den schwer arbeitenden Bergleuten ein numismatisches Denkmal. Bildquelle: Caspar.
Vor allem die mit sieben unterschiedlichen Bildern und Aufschriften geprägten Wolfenbütteler Glockentaler von 1643 haben es Generationen von Forschern und Sammlern angetan. Auftraggeber der Serie war August der Jüngere von Braunschweig-Wolfenbüttel, einer der bemerkenswertesten Männer seiner Zeit. Der gelehrte Herzog verkörperte das Ideal des guten, allseitig gebildeten, mildtätigen Fürsten, der das Wohl seiner Landeskinder über alles stellte. August brachte einen Bücher- und Handschriftenschatz von rund 130.000 Exemplaren zusammen und machte ihn der Öffentlichkeit zugänglich. Die mit vielen bibliophilen Kostbarkeiten ausgestattete Bibliothek in Wolfenbüttel, in der keine geringeren als der Polyhistor und Berliner Akademiegründer Gottfried Wilhelm Leibniz sowie der Dichter Gotthold Ephraim Lessing tätig waren, trägt den Namen dieses welfischen Fürsten. Hier finden Forscher unter anderem seltene numismatische Drucke. In den Leichenpredigten sind überdies viele biographische Einzelheiten über das Leben und Schaffen von Münzmeistern und anderen Personen vermerkt, die mit Münzen und Medaillen zu tun hatten.
Der Brillentaler von Julius von Braunschweig-Lüneburg aus dem Jahr 1586 ist ein seltenes Beispiel dafür, dass eine Sehhilfe auf geprägtem Metall dargestellt wurde. Bildquelle: Caspar.
Die aus Harzer Silber in Zellerfeld geprägten Glockentaler feiern in verschlüsselter Form die Befreiung der von kaiserlichen Truppen besetzten Festung Wolfenbüttel. Erst 1643, fünf Jahre vor dem offiziellen Ende des Dreißigjährigen Kriegs, konnte August der Jüngere unter dem Geläut aller Kirchenglocken in Wolfenbüttel einziehen. Die Münzen symbolisieren auf anschauliche Weise das lange Warten auf die Inbesitznahme der von starken Bastionen gesicherten Residenzstadt und die Vertreibung der kaiserlichen Truppen. Die Münzen mit dem herzoglichen Wahlspruch "ALLES MIT BEDACHT" zeigen das geharnischte Hüftbild des Landesherrn sowie Glocken ohne (Taler 1-3) beziehungsweise mit Klöppel (Taler 5-6). Beim vierten Glockentaler erkennt man nur den Klöppel, der an einen Stein gelehnt ist und gleichsam darauf wartet, dass man ihn in die Glocke einfügt und beim letzten und siebenten Taler der Serie erkennt man, wie die von drei Händen gezogene Glocke über dem Panorama der Stadt Wolfenbüttel zum Klingen gebracht wird. Die siebente Ausgabe ist die häufigste der Serie. Man hat zwölf Varianten ausfindig gemacht, was auf eine hohe Auflage und einen großen Verbrauch an Stempeln schließen lässt. Neben den Glockentalern kommen auch Versionen als Halb- und Vierteltaler vor, die seltener als die ganzen Taler sind.
Der Wahrheitstaler von Herzog Heinrich Julius aus dem Jahr 1597 mahnt "TUE RECHT UND SCHEUE NIEMAND." Bildquelle: Caspar.
Bereits im späten 16. Jahrhundert taten sich braunschweigische Herzöge mit Münzen hervor, die auf Zeitereignisse reagierten. Ein schönes Beispiel ist der Mückentaler, den Herzog Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel im Jahr 1599 schlagen ließ. Er bezieht sich auf Konflikte, die der Landesherr mit adligen Familien ausfocht. Auf der Rückseite sieht man, wie ein Löwe, der den Herzog symbolisieren soll, von zehn Mücken attackiert wird. Dem Löwen geschieht nichts, weil der kaiserliche Adler ihn beschützt und hilft, Ruhe und Ordnung wiederherzustellen. Zu der Serie gehören der Rebellentaler von 1595 mit der abgekürzten Aufschrift "N. M. T" (Noli me tangere: Rühr mich nicht an) und weiteren abgekürzten Warnungen. Eine lautet in der Auflösung „Es wird schwer, wider den Stachel zu löcken,“ eine andere kündigt an „Das Leid wird vom Haus des Undankbaren und Aufsässigen nicht weichen.“
Dann gibt es noch den 1596 und 1597 geprägten Lügentaler, bei dem der Löwe einen Steinbock zerreißt, womit die gegen den Herzog rebellierende Familie derer von Steinberg gemeint ist. Der Wahrheitstaler von 1597 rät den Aufsässigen "Tue Recht und scheue niemand" und stellt fest, dass die Wahrheit alle Verleumdung und Lüge besiegt. Dass sich Herzog Heinrich Julius für sein Land aufopfert, schildert der 1599 ausgegebene Pelikantaler. Er spielt auf die Legende an, wonach ein Pelikan seine Jungen mit dem eigenen Blut ernährt. Die Umschrift "PRO ARIS ET FOCIS" (Für Haus und Herd) will glauben machen, dass sich der Landesherr förmlich für das Wohl seiner Untertanen verzehrte.
Mit dem Ruf "ALLES MIT BEDACHT" und – übersetzt – "DIE WÜRFEL SIND GEFALLEN" begibt sich August der Jüngere von Braunschweig-Wolfenbüttel auf dem Schiffstaler auf eine ungewisse Reise. Bildquelle: Caspar.
Viel Rätselraten gibt es seit dem frühen 16. Jahrhundert über den so genannten Pfaffenfeindtaler. Der braunschweigische Herzog Christian, den seine Feinde den „tollen Christian“ nannten, ließ die mit dem Motto "GOTTES FREVNDT DER PFAFFEN FEINDT" 1622 versehenen Spottmünzen aus dem Silber vor allem des Liborius-Schreins im Dom zu Paderborn prägen, nachdem er die alte Bischofsstadt erobert hatte. Von den schon zur Entstehungszeit mit manchen Legenden umgebenen Geldstücken, auf denen ein geharnischter Arm mit Schwert aus Wolken herausschaut, gibt es zahlreiche Varianten und Abweichungen. Zudem kommen auch Nachprägungen aus der Zeit um 1671 vor, als sich Herzog Rudolph von Braunschweig-Wolfenbüttel mit dem Bischof von Münster, Christoph Bernhard von Galen, im Krieg befand. Diese Stücke sind an einem Käppchen zu erkennen, das auf die Schwertspitze gesteckt ist und den Kampf gegen Jesuiten symbolisieren soll. Bis ins 18. Jahrhundert hinein hat es Nachprägungen von dem Pfaffenfeindtaler gegeben. Es kommen von diesen ursprünglich zur Bezahlung der herzoglichen Truppen, aber auch zur antikatholischen Propaganda zu Beginn des Dreißigjährigen Krieg verwendeten Silbermünzen auch Doppelstücke sowie Dukaten vor, die ausgesprochen selten und begehrt sind.
Die Pfaffenfeindtaler von 1622 waren sehr beliebt, worauf die Verwendung mehrerer Prägestempel und nachträgliche Veränderungen weisen. Bildquelle: Caspar.
Die herzoglichen Brüder Rudolf August und Anton Ulrich ließen 1702 die so genannten Luftpumpentaler und ebensolche Medaillen prägen. Auf der Vorderseite ist zu sehen, wie zwei Pferde versuchen, zwei durch die Kraft des Vakuums untrennbar miteinander verbundene Halbkugeln auseinander zu reißen. Auf der Rückseite schafft es eine zarte Frauenhand, durch Drehen an einem Ventil, dass die unzertrennlichen Halbkugeln auseinander fallen. Die Inschrift "NON VI SED ARTE" unterstreicht, dass bei diesem seinerzeit bestaunten Vorgang nicht rohe Kräfte, sondern List und Kunstfertigkeit am Werke sind. Die seltenen Prägungen spielen darauf an, dass die brüderliche Eintracht durch eine Frau, die Gemahlin von Herzog Anton Ulrich, gestört wurde. Dass die Dame eine holsteinische Prinzessin ist, unterstreicht das mit einem Nesselblatt geschmückte Armband.
Der Luftpumpentaler von 1702 ist ein seltenes Beispiel für die Verwendung eines technischen Geräts als Symbol für das Zerbrechen brüderlicher Eintracht durch Machenschaften einer fürstlichen Dame.
Ein von den herzoglichen Brüdern in Auftrag gegebener Eintrachtstaler unterstreicht, dass nichts die familiäre Harmonie und Liebe stören kann. Das Thema war in der Barockzeit sehr beliebt, denn auch andere Fürstlichkeiten haben die Eintracht unter Brüdern durch Gedenkmünzen gefeiert und der Mit- und Nachwelt zu verstehen gegeben, dass „doppelt besser hält.“
Auf dem Taler von 1698 geben die beiden Brüder Rudolf August und Anton Ulrich ihre angebliche Eintracht bekannt. Der Luftpumpentaler von 1702 belehrte Zeitgenossen und Nachwelt eines Besseren. Bildquelle: Caspar.
Helmut Caspar
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