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Helmut Caspar

Vom Wert alter Münzbücher

Oft wird die Frage gestellt, was von heute nur noch antiquarisch beziehungsweise als Reprint erhältlichen Büchern mit kuriosen Namen wie „Talerkabinett“ oder „Münzbelustigungen“ zu halten und wie ihr wissenschaftlicher Wert einzuschätzen ist. Dazu kann man nur sagen: sie zu lesen kann ein Gewinn sein, auch wenn es manchen schwer fällt, die Frakturschrift zu entziffern und den nicht selten barock-weitschweifig formulierten Inhalt zu verstehen. Die Autoren schrieben die Folianten für eine kleine, aber feine und zudem finanziell gut gestellte Sammlerschaft, die wissen wollten, was für Stücke sie in ihren Händen halten und was ihnen noch fehlt.

Vornehme Herren verlustieren sich beim Anblick von Münzen, die sie extra gebauten Kabinettschränken entnehmen. Nur wer vermögend war, konnte sich ein solches Hobby leisten. [Bildquelle: Fotoarchiv von Helmut Caspar].

Hilfe kam unter anderem von Michael Lilienthal und seinem Katalog „Vollständiges Thaler-Cabinet das ist Historisch-critische Beschreibung derjenigen zweylöthigen Silber-Münzen, welche unter dem Namen Der Reichs-Thaler bekannt sind“. Der Band hat in der dritten Auflage von 1735 nicht weniger als 450 Seiten und dazu noch drei unpaginierte Register. Erfasst hat Lilienthal, der im Hauptberuf evangelischer Pfarrer war, mehr als 1.500 Taler und talerförmige Münzen. Die Aufzählung beginnt analog zur Hierarchie der feudalen Ständegesellschaft von damals mit den Geprägen der römisch-deutschen Kaiser und der russischen Zaren und geht über zu den Münzen aus den damaligen Königreichen Frankreich, England, Schweden, Ungarn, Böhmen, Dänemark, Polen und Preußen. Berücksichtigt sind ferner die Taler der deutschen Kurfürsten, gefolgt von den geistlichen Fürsten mit dem Papst an der Spitze. Mit den Talern der Fürsten, Markgrafen, Pfalzgrafen und anderen Standesherren sowie mit städtischen Münzen schließt Lilienthal sein Nachschlagewerk ab, das wegen der immensen Kosten auf Abbildungen auf Kupferstichen verzichten musste.


Lilienthals „Thaler-Cabinet“ war für lange Zeit eines der wenigen Nachschlagewerke für Sammler, die sich auf Großsilbermünzen spezialisiert hatten. [Bildquelle: Fotoarchiv von Helmut Caspar].

Da jedes Stück beschrieben wird, ist es auch heute möglich, bestimmte Objekte zu identifizieren. Das Talerbuch und ähnliche Publikationen sind schon lange überholt, besitzen aber kulturgeschichtliche Bedeutung, weil es das Interesse von Sammlern der Barockzeit an Talern und gleichwertigen Geprägen unterstreicht. Unser Wissen über alles, was mit Münzen und Medaillen und darüber hinaus mit Geschichte, Ökonomie und Sozialkunde zu tun hat, nahm in den vergangenen Jahrhunderten erheblich zu. Dessen ungeachtet sind die alten Drucke nicht zu verachten. Sie sind eine wichtige Fundgrube, doch hat man bisweilen Mühe, sich durch die oft mit lateinischen Passagen versetzten Texte zu arbeiten, um sie zu verstehen.


Als Orientierungshilfe für ihr Steckenpferd standen Sammlern seit dem frühen 18. Jahrhundert neben gedruckten Katalogen wie Lilienthals Talerbuch auch etliche Münzzeitschriften zur Verfügung. Berühmt wurde die in Nürnberg zwischen 1729 bis 1750 von Johann David Köhler wöchentlich veröffentlichte „Historische Münz-Belustigung“, in der Münzen und Medaillen barock-umständlich und jedesmal mit einem Kupferstich geschmückt vorgestellt werden.



Köhlers „Historische Münz-Belustigung“ enthält eine Fülle von lesenswerten Abhandlungen über antike, mittelalterliche und neuzeitliche Münzen sowie Medaillen aus dem In- und Ausland. Etwa in größeren heutigen Münzkabinetten kann man die Folianten studieren und für Darstellungen numismatischer und allgemein historischer Art nutzen. [Bildquelle: Fotoarchiv von Helmut Caspar].

Waren zunächst antike Münzen bei Forschern sowie Sammlern beliebt und wurden sie, wenn man keine Originale bei der Hand hatte, gelegentlich auch nachgeahmt oder frei erfunden, so wandte man sich im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts neueren Münzen zu; erst denen aus dem Mittelalter und dann auch den zeitgenössischen Geprägen. So kamen Taler-, Dukaten- und Groschenkabinette in Mode. Für sie hat man unter diesen und vergleichbaren Namen dicke Kataloge mit barock-weitschweifigen und sich heute kurios lesenden Beschreibungen gedruckt.

Köhlers „Münz-Belustigung“ sowie andere Journale und Publikationen werden manchmal als numismatische Kuriosa und überholt abgetan. Wenn man sich aber näher mit ihnen befasst, dann finden sich darin oft interessante Hinweise auf Hintergründe einer Emission, über die Personen, die sie veranlasst haben, sowie über Bilder, Wappen und Inschriften, die sie schmücken. In diesen Abhandlungen sind manche unser Bild vom Leben in alten Zeiten bereichernde Anekdoten enthalten. Kritische Reflexionen über die Fürstenherrschaft oder die bisweilen schwierige Lebenslage des Volkes darf man von ihnen hingegen nicht erwarten. Die Kupferstiche, mit denen die Schriften ausgestattet sind, begeistern oft durch ihre Präzision und eignen sich gut zur Illustration in heutigen Publikationen.


Münzjournale und Kataloge aus dem 18. Jahrhundert bieten mehr als barocken Schwulst. Oft enthalten sie Details, die für die Beurteilung von Münzen und Medaillen hilfreich sein können. Erstaunlich ist die Genauigkeit bei der Wiedergabe der betreffenden Prägungen. Die braunschweigischen Glockentaler von 1643 zum Beispiel werden in der „Münz-Belustigung“ von allen Seiten betrachtet und kommentiert. [Bildquelle: Fotoarchiv von Helmut Caspar].

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