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Vom Tischlergesellen zum Staatsmedailleur: Pietro Giampaoli

Dietmar Kreutzer

Sein bekanntestes Werk ist wahrscheinlich eine Silbermünze zu 500 Lire, auf deren Vorderseite die drei Schiffe von Christoph Kolumbus zu sehen sind, die Niña, die Pinta und die Santa Maria. Die Rückseite der Münze zeigt die Büste einer Frau in einem Gewand der Renaissance, welche Italien symbilisiert. Die Büste nach einer Vorlage von Pisanello ist umgeben von 19 Schilden. Die Schilde stehen für die Regionen Genua, Turin, Aosta, Mailand, Trient, Venedig, Triest, Udine, Bologna, Florenz, Ancona, Perugia, Rom, L'Aquila, Neapel, Bari, Potenza, Catanzaro, Palermo und Cagliari. Die letzten beiden Schilde sind hinter der Büste versteckt. Darunter prangt der Name des Medailleurs.


Pietro Giampaoli (1898-1998) - Bildquelle: Cumhuriyet Paralari.


Pietro Giampaoli wurde am 13. Februar 1898 in Urbignacco di Buja (Provinz Udine) als Sohn von Luigi und Teresa Pischiutta geboren. Seine Kindheit verbrachte er in der Schreinerei seines Vaters, einem Handwerker, der gerade so sein Auskommen hatte. In der Werkstatt seines Vaters lernte er mit Holz umzugehen. Er sägte, hobelte und schnitzte viel. Nach der Volksschule wanderte Giampaoli nach Österreich aus, wo er im Alter von 16 Jahren vom Ersten Weltkrieg überrascht wurde. Zurück in der Heimat, begann er Schützengräben an der Front auszuheben. Später wurde Giampaoli zum Kriegsdienst eingezogen. Im Jahr 1917 geriet er bei einem Fronteinsatz in Kriegsgefangenschaft. In einem ungarischen Kriegsgefangenenlager lernte er von einem Russen, wie man Metalle graviert, kleine Gegenstände, die man im Lager vorfand. Eines Tages gelang ihm die Flucht aus dem Lager, in dem viele Menschen vor Hunger und Kälte starben. Er fand Unterkunft bei einem Bauern. Tagsüber arbeitete er, abends und an den Feiertagen begann er, einfache Gegenstände zu gravieren, die ihm die Bauern vorbeibrachten: Uhren, Armbänder, Schachteln, Zigarettenetuis. Nach Kriegsende wurde ein Traum für Giampaoli wahr: Er durfte die Kunstakademie Scuola di Brera in Mailand besuchen!


100 Lire (Vatikan, 1950, 900er Gold, 5,2 Gramm, 21 mm)

Bildquelle: Stacks Bowers Galleries, January 2025 NYINC Auction, Lot 39028.


Mit großem Erfolg nahm er an den Kursen für Gravur und Bildhauerei teil und gewann 1924 den ersten Preis der Schule als Bildhauer. Giampaoli machte sich selbstständig. Die Jahre, die er dann in Mailand verbrachte, waren vielleicht die leidvollsten, die elendsten seines Lebens. Er arbeitete und studierte zugleich. Es fehlte ihm an Geld, seine Kleidung war ärmlich und schäbig, die Schuhe abgenutzt. Manchmal lief er auf flüssigem Asphalt und dann auf Sand. So bildete sich eine Schicht, die als Sohle fungierte. Die zweite Etappe nach seiner Zeit in Mailand führte ihn nach Venedig. Wenig später ging er nach Rom. Er musste die Reise unterbrechen, weil er nicht genug Geld hatte, um die Fahrkarte zu kaufen. Ein. Fremder half ihm aus. In der Hauptstadt war er mittellos, ohne Empfehlungsschreiben, ohne Bekannte. Aber Giampaoli vertraute auf seine Fähigkeiten!



500 Lire (Italien, 1958-2001, 835er Silber, 11 Gramm, 29 mm)

Bildquelle: Numista, Whitegandalf


Er bezog ein Zimmer im sechsten Stock eines alten Gebäudes und begann zu arbeiten. Nach ersten beruflichen Erfolgen stieß seine Familie aus Buja zu ihm. In seiner Werkstatt gravierte er, formte, goss und patinierte er Medaillen mithilfe eines altmodischen Gussofens. Alle Familienmitglieder arbeiteten mit, der Vater, seine Brüder Vittorino und Celestino, die Mutter. Während die Schwestern als Aushilfen tätig waren, bereitete eine alte Tante die Mahlzeiten zu. Trotz aller Enttäuschungen und Entbehrungen fehlte es dem Team nie an Optimismus, guter Laune und dem Wille zur Arbeit. Giampaoli war daran gewöhnt, arm zu sein. Er machte sich wenig Gedanken um die Gas- oder Stromrechnung, den letzen Kredit beim Lebensmittelhändlers oder den Vermieter, der lautstark sein Geld einforderte. Im letzten Moment ging immer alles gut! Währenddessen kamen Medaillen von zunehmendem künstlerischem Wert aus seiner Werkstatt. Die Auftraggeber begannen ihn mit den großen Klassikern der Renaissance zu vergleichen. Ein Kritiker schrieb, dass in jeder Medaille sein Herz stecke, seine ganze Seele. Jedes Stück des Künstlers zeige zwei Persönlichkeiten, die des Abgebildeten und die des Künstlers, beide in einer kraftvollen und geradezu überwältigenden Ausstrahlung.



100. Jahrestag der Vereinigung Italiens (Medaille, Italien,1961, 900er Gold, 10,4 Gramm, 26 mm)

Bildquelle: Katz Coins Notes & Supplies Europe, E-Auction 148, Lot 858


Er porträtierte den Papst, Staatsoberhäupter, Kardinäle, Bischöfe, Künstler, Bauherren und Politiker. Bis eines Tages ein Anruf kam. Man wollte ihn in der Staatlichen Münzanstalt haben! Das war im März 1937. Eine Gedenkmünze zehn Lire wurde zu seinem ersten Auftrag. Bald war Pietro Giampaoli der Chefgraveur der Münzstätte. Er blieb bis zu seinem 65. Geburtstag im Jahr 1963. Die Münzen des Vatikans wurden bei Giampaoli in Auftrag gegeben, ebenso die Medaillen. Dabei porträtierte er vier Päpste, nämlich Pius XI. und XII, Johannes XXIII. und Paul VI. In der den Jahrzehnten an der Münzstätte erhielt er auch Auslandsaufträge, etwa für türkische und maltesische Münzen. Für seine Medaillen bekam Giampaoli immer wieder Preise. Ein Missgeschick widerfuhr ihm dennoch und das ausgerechnet an seiner bekanntesten Münze! Auf der Probe des 500-Lire-Stückes aus dem Jahr 1957 hatte er mit seinem Schüler Guido Veroi den Stander der drei Schiffe gegen den Wind gesetzt. Ein Kapitän machte ihn auf den Fehler aufmerksam. Alle Münzkataloge diese Probe!



100 Pounds (Les Gavroches, Malta, 1977, 917er Gold, 32,0 Gramm, 33,5 mm)

Bildquelle: Coinscatalog.


Dietmar Kreutzer

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