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Vom Goldschmied zum Münzhändler: Heinrich Pilartz (1899-1968)

Heinrich Pilartz war der jüngste von vier Söhnen eines Kölner Tischlermeisters. Schon als Zwölfjähriger interessierte er sich für Antiquitäten und Münzen: "Sein Schulweg führte Heinrich meist am Laden des römischen Bekker, eines zu jener Zeit bekannten Antiquitätenhändlers im Rathausviertel, vorbei. Nachdem er sich stundenlang zunächst die Nase an der Scheibe plattgedrückt hatte, wurden dann sorgfältig einige Groschen vom ersparten Taschengeld in römischen Münzen angelegt." (1) Später interessierte er sich auch für altdeutsche Taler, Goldgulden und Dukaten. Nach einer Ausbildung zum Goldschmied eröffnete Pilartz ein eigenes Geschäft. Als Meister beschäftigte er dort bis zu 22 Gold- und Silberschmiede. In der Inflationszeit waren Juweliere gefragte Leute: "Die Menschen kauften und verkauften Goldschmuck und Goldmünzen in rascher Folge, je nach dem Stand der Finanzen zu einem bestimmten Zeitpunkt. Einige wurden durch die Inflation reich und beeilten sich, ihre Billionen von Papiermark in Goldmünzen, Barren, Schmuck und Edelsteine umzutauschen. Andere, fassungslos über den Verlust, sahen sich gezwungen, Familien-Erbstücke zu verkaufen und in den Schubladen ihrer Kommoden nach alten Talern und Gold-Dukaten zu suchen, die sie in besseren Zeiten aufbewahrt hatten, und diese zum Goldschmied zu bringen, um sie nach Gewicht zu verkaufen." (2) Auf diese Weise gelangten auch viele römische Münzen und altdeutsche Taler in das Geschäft von Heinrich Pilartz. Nach der Inflationszeit war Pilartz daher in der Lage, mit Münzen zu handeln. Die Industrie- und Handelskammer Köln berief ihn als vereidigten Sachverständgen für Münzen.


Heinrich Pilartz

Bildquelle: Ein Leben im Dienste der Numismatik


"Goldenes Buch" einer traditionellen Kölner Gesellschaft

Goldschmiedearbeit von Heinrich Pilartz (1928)

Bildquelle: Ein Leben im Dienste der Numismatik


Die Verordnung zur Abgabe von nicht numismatischem Gold im Dritten Reich drohte für Pilartz gefährlich zu werden. Er erkundigte sich bei einer Reise nach Berlin direkt beim Finanzminister Graf Schwerin von Krosigk, was dies im Einzelnen bedeute und was er mit seinen Münzen tun solle. Das Bombardement vom 8. Juni 1943 ließ sein Haus abbrennen und vernichtete einen großen Teil seiner Bestände: "10.000 mittelalterliche Taler zerschmolzen ihm in den Flammen, eine der wichtigsten Münzsammlungen Europas." (3) Als die Ruinen ausgekühlt waren, versuchte Pilartz einige der Münzen, die nicht unkenntlich geworden waren, zu retten. Mit den Resten seiner Bestände setzte er sich zu seinem jüngeren Bruder nach Bayern ab und kehrte erst nach Kriegsende zurück: "Pilartz konnte sie nach seiner Rückkehr nach Köln und dem unmittelbar nach der Währungsreform einsetzenden Wiederaufbau seines Geschäftes als wichtiges Startkapital verwenden. (...) So entschloss sich Heinrich Pilartz damals, den Münzhandel nach dem Wiederaufbau seines Hauses hauptberuflich zu betreiben - zumindest als den bedeutendsten Zweig innerhalb des von ihm seit 1949 bereits wiedereröffneten großen Antiquitätengeschäftes." (4) Für die zu Auktionen eingelieferten Münzen gab es eine eigens dafür gebaute Tresorkammer aus Stahlbeton, die mit dem Polizeifunk verbunden war. Das Münzlager befand sich in einem großen Panzerschrank. Bis zu seinem frühen Tod im Jahre 1969 richtete Pilartz regelmäßig Auktionen in Köln aus. An fast 7.000 Sammler und Museen verschickte er seine Auktionskataloge und Lagerlisten.




Arbeitsalltag

Bildquelle: Ein Leben im Dienste der Numismatik


Ein Blick in die zeitgenössische Presse zeigt, wie der Münzhandel aussah. In der Kölner Stadt-Rundschau hieß es im Februar 1959, dass der Kölner Kunsthandel einen guten Ruf genieße und verschiedene Gebiete abdecke: "Das der Numismatiker, der Münzsammler ist dabei eines der exklusivsten. Die großen deutschen Münzsammler kennen einander, und die Experten unter den Münzhändlern erst recht. Die Zahl der Fachmünzhändler und vereidigten Sachverständigen in der Bundesrepublik beträgt nur 16, in der ganzen Welt knapp 200. Einer davon, der einzige in Nordrhein-Westfalen, ist der Goldschmiede-Meister und Antiquitätenhändler Heinrich Pilartz, der morgen das 60. Lebensjahr vollendet. (...) Siebzig internationale Münzhändler auf der ganzen Welt tauschen laufend ihre alljährlich herauskommenden Kataloge aus. (...) In Deutschland gibt es zur Zeit rund 3.000 Mitglieder in Münzsammlervereinen, in den USA rund 80.000." Pilartz erzählte dem Reporter von Kontakten in alle Welt, bis in den Osten der Sowjetunion: "Und dann war da die Dame von der Universität des US-Staates Mississippi, die eine Europa-Tournee unternahm, um hier thrazisch-mazedonische Münzen zu archivieren. Pilartz machte sie mit einem Kölner Privatsammler bekannt, in dessen Kollektion sich nach Aussage der amerikanischen Wissenschaftlerin mehr und bessere Stücke dieses Spezialgebietes befanden als in allen Museen, die sie bisher besucht hatte. Der Münzhändler-Goldschmied fertigte für die geplante Monographie der Amerikanerin Gipsabgüsse der betreffenden Münzen an." (5) Die Preise, die in der Philatelie üblich sind, würden in der Numismatik allerdings nicht erreicht: "Der Kölner Experte bezeichnete als teuerste Münze die zehnfache griechische Drachme (30 Gramm Silber) aus dem 4. vorchristlichen Jahrhundert, je nach Erhaltungsgrad beträgt deren Preis zwischen 7.000 und 25.000 DM." (6)


Lagerliste Nr. 37 von April 1969

Bildquelle: ZVAB, Antiquariat Carl Wegner


Auktionskatalog

Bildquelle: London Ancient Coins


Von den Auktionen wurde in der Presse berichtet: "Braunschweiger Mehrfachtaler sind die Stars der fünften Auktion der Kölner Münzhandlung Heinrich Pilartz (28. bis 30. November 1963). Sie stammen aus der Zeit des 30jährigen Krieges und dienten den Herzögen von Braunschweig für interessante monetäre Maßnahmen. Man veranlasste die Untertanen, einen bestimmten Stock solcher schwerer Silbermünzen zu horten. Der Besitz musste aber der Obrigkeit gemeldet werden, die damit einen Überblick über die Silberreserve behielt. Wenn der Souverän eines Tages größere Ausgaben hatte, beispielsweise um eine Armee auszurüsten, griff er auf dieses Silber zurück und gab seinem Volk dafür Münzen anderer Art mit geringerem Kurswert." (7) Ein weiterer Bericht zur gleichen Auktion: "Die Kölner Münzhandlung Heinrich Pilartz veranstaltet vom 28. bis 30. November ihre fünfte und bisher reichhaltigste Auktion. Der Katalog umfasst 2.105 Stücke, unter denen vor allem eine Reihe sehr schöner und vorzüglich erhaltener Mehrfachtaler aus dem 17. Jahrhundert auffallen. Ein zehnfacher Taler aus Braunschweig-Wolfenbüttel aus dem Jahr 1624 ist auf 3.800 Mark geschätzt, ein fünffacher Taler aus Braunschweig-Lüneburg aus dem Jahr 1639 auf 2.500 Mark. Auch ein auf 2.000 Mark geschätzter kursächsischer Taler auf den Westfälischen Frieden dürfte großes Interesse erregen. Unter den deutschen Münzen des 19. Jahrhunderts nach Schwalbach ragen ein stempelfrischer Frankfurter Doppelgulden auf die Erwählung Friedrich Wilhelms IV. zu deutschen Kaiser (750 Mark) und ein auf 1.200 Mark veranscvhlagter sächsischer Münzbesuchstaler von 1839 hervor. Unter dem Reichssilber ist das bayrische Drei-Mark-Stück von 1918 zur Goldenen Hochzeit Ludwigs III. (2.000 Mark, vorzüglich) das Glanzstück. Neben den griechischen und römischen Geprägen dürften auch die angebotenen Papstmedaillen und -münzen sowie die interessante Reihe italienischer Prägungen viel Beachtung finden." (8)


Grab von Heinrich Pilartz auf dem Kölner Melaten-Friedhof

Bildquelle: Wikimedia, Egidius


Das zunehmende Interesse an moderneren Prägungen vollzieht ein Bericht von einer Auktion im Herbst 1966 nach: "Rund 3.000 Münzen und Medaillen wird Heinrich Pilartz am 27. und 28. September im Restaurant Christophorus, Oberländer Ufer 144, zur Versteigerung bringen. Antike Exemplare sind in der XII. Auktion der Münzhandlung nicht vertreten. Das Hauptgewicht liegt auf deutschen Reichsmünzen. Die erste Versteigerungsgruppe umfasst Gold zahlreicher deutscher Fürstentümer und Städte sowie der meisten europäischen Staaten, darunter wertvolle Rheinische Goldgulden des 14. Jahrhunderts. Unter dem Silber befindet sich auch ein Beispiel des Urtalers, Silbermünzen des Grafen Schlick aus Joachimsthal (frühes 16. Jahrhundert). Von besonderem Interesse ist auch eine Silbermünze des Fürsten von Sayn-Wittgenstein (zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts) mit einen Kölner Gegenstempel, der den Wert von 60 Kreuzer auf 42 Kreutzer herabsetzte (Schätzpreis 900 DM). Neben französischen Münzen (vom 14. Jahrhundert bis Napoleon III.) ist das Angebot an deutschen Münzen aus der Zeit von 1806 bis 1871 besonders reich in der Pilartz-Auktion. Die stärkste Gruppe stellen jedoch mit 1.371 Katalognummern Reichsmünzen, darunter auch schon Fünf-Mark-Stücke der Bundesrepublik, die durch ein besonderes Charakteristikum ausgezeichnet sind. Die teuersten Stücke der Versteigerung sind nach dem Schätzwert ein Hamburger Bank-Portugalöser von 1895 (1.500 DM), ein französisches 24-Livres-Stück von 1793 (1.500 DM), ein 20-Mark-Stück aus dem Jahr 1872 von Sachsen-Coburg-Gotha (7.000 DM), ein ähnliches Stück von Sachsen-Meiningen von 1905 (2.500 DM), ein Braunschweig-Lüneburger Ausbeutetaler von 1665 (2.500 DM), ein reich geschmückter Kölner Doppeltaler aus den Jahre um 1600 (1.400 DM) und ein Probe-Fünf-Mark-Stück von 1942 (10.000 DM). Das Versteigerungsgut stammt zum Teil aus der Sammlung des Kölner Justiziars C. und aus einer Schweizer Sammlung." (9)


Dietmar Kreutzer



Quellenangaben:

(1) Heinrich Pilartz: Ein Leben im Dienste der Numismatik; Köln 1967, S. 6

(2) Bill Higgie: European Report (Cologne) - Heinrich Pilartz; in: Numismatic News, Nr. 16/1963, S. 11

(3) Kunst macht sich bezahlt; in: Vierteljahresschrift für FReunde der stadt Köln, Heft 3, September 1965

(4) Ein Leben im Dienste der Numismatik, S. 13

(5) Münzen steigen im Sammlerinteresse: Der einzige Fachmünzhändler in NRW - Heinrich Pilartz am Klingelpütz; in: Kölner Stadt-Rundschau, 17.02.1959

(6) Ebenda

(7) Untertanen mussten Silber horten: Große Mehrfachtaler auf der 5. Kölner Münzauktion; in: Ein Leben im Dienste der Numismatik, S. 21

(8) Taler, Gulden, Mark: Kölner Münzauktion; in: Ebenda

(9) Kölner Gegenstempel mach Silbertaler wertvoll: Reichhaltiges Angebot in der Münzauktion von Pilartz; in: Ebenda

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