Kurz nach seiner Abreise aus dem Führerhauptquartier im August 1943 starb der bulgarische Zar Boris III. unter mysteriösen Umständen. Umgehend wurde den Deutschen von verschiedenen Seiten ein Attentat unterstellt. Doch die Nazis hatten gar kein Interesse am Tod ihres Verbündeten. Einen typischer „Balkanmord“ vermutete die deutsche Seite. Propagandaminister Dr. Joseph Goebbels in seinem Tagebuch: „Der Führer erzählt mir, dass es jetzt als feststehend erachtet werden müsse, dass König Boris vergiftet worden sei. Die deutschen Ärzte haben das festgestellt. Man hat ihn mit Schlangengift vom Leben zum Tode befördert. Wer der Giftmischer gewesen ist, ist noch nicht heraus. Die deutschen Ärzte wollten eine Obduktion des toten Königs vornehmen; die bulgarische Regierung war damit einverstanden, aber die Königsfamilie hat das abgelehnt.“ (Helmut Heiber: „Der Tod des Zaren Boris“, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Heft 5/61, S. 402) Ähnlich wie im Ersten Weltkrieg befand sich Bulgarien nun auch im Zweiten Weltkrieg auf verlorenem Posten, jetzt sogar ohne nationale Identifikationsfigur. Das Land sollte 1945 auf der Seite der Besiegten stehen. Eine sozialistische Regierung ersetzte kurz darauf die Monarchie.
Rechts Zar Boris III. von Bulgarien (1894–1943) und Adolf Hitler am 25. April 1941 in Berlin
[Numista, Hoffmann]
Wie hatte es dazu kommen können? Mit erheblichen Gebiets- und Bevölkerungsverlusten war das mit Deutschland verbündete Land schon aus dem Ersten Weltkrieg hervorgegangen. Der seit 1887 regierende Zar Ferdinand I. aus dem Haus Sachsen-Coburg-Gotha hatte zugunsten seines Sohnes Boris III. abdanken müssen. Der wirtschaftliche Niedergang nach dem verlorenen Krieg hatte das Währungssystem ruiniert. Der silberne Lev behielt nur noch einen Bruchteil ihres Vorkriegswertes. Politische Extremisten nutzten die chaotische Situation: „Die landlosen Bauern scharten sich um ihren Führer Alexander Stambulijski, der ihnen eine umwälzende Agrarreform versprach. […] Stambulijski, ein gerissener Politiker und begnadeter Redner, hetzte die Massen durch fanatische Ausfälle gegen die Advokaten und Wucherer in den Städten auf.“ (Pierre Miquel: Europas letzte Könige. Stuttgart 1994)
Die Reaktion der Gegner ließ nicht lange auf sich warten. Am 9. Juni 1923 informierten die Medien: „Der bulgarische Ministerpräsident Alexander Stambulijski wird durch einen von König Boris III. gebilligten und im Wesentlichen von Offizieren getragenen Staatsstreich gestürzt.“ (Chronik des 20. Jahrhunderts. Gütersloh 1994, S. 305) Doch wenig später schlugen die Bauern und die verbündeten Kommunisten mit bewaffnetem Bandenterror zurück. Bald war in Bulgarien „ein Menschenleben weniger wert als ein Huhn“.
Bulgarien. 100 Leva von 1930. 500er Silber, 20 g, 34 mm [Numista, Heritage Auctions]
Bulgarien. 100 Leva von 1934. 500er Silber, 20 g, 34 mm [Katz Auction 61/2604]
Mit der wirtschaftlichen Stabilisierung in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts ging der Terror zurück. Die Landwirtschaft, in der etwa 80 Prozent der Bevölkerung arbeiteten, arbeitete leidlich rentabel. Mit dem Ausbau des Schienennetzes zeigten sich sogar Ansätze einer Industrialisierung. Das Land berechnete den Lev nun in Gold: „Erst im Dezember 1928 konnte die Währung stabilisiert werden; der Lew entsprach nun drei Pfennigen deutscher Reichswährung.“ (Herbert Rittmann: Moderne Münzen. München 1974, S. 203)
Waren in der ersten Hälfte des Jahrzehnts lediglich Münzen aus Aluminium und anderen unedlen Metallen erschienen, kamen im Jahr 1930 die ersten Silbermünzen der Nachkriegszeit heraus. Es handelte sich um eine Serie mit Stücken zu 20, 50 und 100 Leva mit dem Porträt des Königs aus 500er Silber. Die Entwürfe stammten vom ungarischen Bildhauer Lajos Berán. Da die Auflage der größeren Stücke für den Umlauf bald nicht mehr ausreichte, kam im Jahr 1934 eine zweite Serie mit Stücken zu 50 und 100 Leva heraus. Die Entwürfe besorgte diesmal der renommierte britische Gestalter Percy Metcalfe.
Die gelegentlich im Münzhandel auftauchenden, etwas unprofessionell wirkenden Goldstücke von 1926 mit einem Nennwert von 4 Dukaten waren keine offiziellen Münzen, sondern in privatem Auftrag als Schmuckartikel hergestellte Erzeugnisse, die mit einer staatlichen Kontermarke versehen wurden.
Bulgarien. 4 Dukaten von 1926. 986er Gold, 13,8 g, 40 mm [Künker, Herbstauktionen 2014/6513]
Bulgarien. 10 Leva von 1943. Stahl mit Kupfer-Nickel plattiert, 11 g, 30 mm
[MA-Shops, Expertise Numismatique]
Zar Boris III. war keineswegs ein Kriegstreiber. Während der Weltwirtschaftskrise beendete er das ineffiziente Gezänk der Parteien mit einer Königsdiktatur. Damit stand er in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre vor der Entscheidung, sich den Deutschen oder deren Gegnern zuzuwenden. Hitler versprach ihm die Rückgabe der im Ersten Weltkrieg verlorenen Gebiete. Die Entscheidung war gefallen: „Dabei hatte Bulgariens König Boris III. den Beitritt seines Landes zum Dreimächtepakt 1941 keineswegs befürwortet. Allen königlichen Vorbehalten zum Trotz aber war sein Ministerpräsident Bogdan Fílow am 1. März 1941 mit Ribbentrop und Hitler in Salzburg zusammengetroffen und hatte ein Militärabkommen ausgehandelt. […] Damit stand König Boris nolens volens auf der falschen Seite.“ (Miquel, S. 303)
Bulgarien wurde in den Krieg verwickelt. Das Geld verlor seinen Wert: „Die Inflation im Zweiten Weltkrieg begann um 1944, nahm aber nicht die katastrophalen Ausmaße an wie in Rumänien.“ (Rittmann, S. 203) Schon in den letzten Friedensjahren waren die Silbermünzen verschwunden. An ihrer Stelle wurden Banknoten ausgegeben bzw. Münzen aus unedlen Metallen hergestellt. Den Anfang machten die Stücke zu 20 und 50 Leva, die im Jahr 1940 auf Kupfer-Nickel umgestellt wurden. Im Jahr 1941 kam dann die erste Kriegsserie aus Eisen mit Stücken zu 1, 2, 5 und 10 Leva heraus. Die zweite Kriegsserie mit Stücken zu 2, 5, 10 und 50 Leva aus vernickeltem Stahl wurde 1943 ausgegeben.
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