Der Showdown begann, als Kapitän Exner das Geländer losließ und sich umdrehte, so, als wolle er über die Eisentreppe hinabsteigen: „In diesem Augenblick warf Vlastimil Brožek den Schraubenschlüssel nach ihm. Dieses dreißig bis vierzig Zentimeter lange Stück Eisen flog mit bewundernswerter Präzision durch die Luft. Und rotierte wie ein Propeller. Exner sah es aus dem Augenwinkel. Er konnte gerade noch mit dem Kopf zurückzucken. Aber er bekam einen Schlag auf die Schultern, dass er aufschrie. Er biss die Zähne zusammen und krümmte sich. Vlastimil Brožek rannte los, quer durchs Kesselhaus zu der anderen Treppe. Kapitän Exner drehte sich um, und über die Eisenplatten stampfend, hastete er zwischen den schmutzigen Wänden zurück in die Halle.“ (Vaclav Erben, Ein Denar in Mädchenhand, Berlin 1983, S. 299f.).
Was derart dramatisch endet, hatte mit einem Münzfund begonnen. Unter den Resten einer Burgruine nahe der tschechischen Gemeinde Libín war ein Gefäß mit Denaren aus dem 10. Jahrhundert ausgegraben worden. Der Numismatiker Dr. Radimsky informierte seine Kollegen: „Dreitausendeinhunderteinundfünfzig Denare. Wie es nach der vorläufigen und oberflächlichen Betrachtung im Verlauf des Zählens scheint, überwiegend lokaler Libíner und Malíner Prägung, ferner andere Denare Boleslaver, aber auch Mĕlníker Prägung, dann solche der Königin Emma, nicht identifizierbare Denare vom Ethelreder Typ, vorhanden ist auch Regensburg und Sachsen. (…) Und das ist der Fund des Jahrhunderts.“ (Ebenda, S. 294). Als der Schatz abtransportiert werden soll, war das Gefäß mit den Münzen jedoch verschwunden, eine zur Bewachung eingesetzte Studentin tot. Kapitän Exner von der Kripo in Prag begann mit den Ermittlungen.
Um zu ermessen, welche Bedeutung die besprochenen Münzen haben, ist ein kleiner Exkurs in die Geschichte erforderlich. Der etwas mehr als vier Gramm schwere Denar der Römer war ca. 500 Jahre die Hauptsilbermünze des Reiches. Wieder aufgelegt wurde er wegen des Goldmangels im Reich der Karolinger: „Wir finden bei Beginn der Karolingerzeit bereits die Silbermünze als einziges Zahlungsmittel vor; sie nannte sich Dinarius oder Denar wie bei den Römern. Unter diesem Namen, deutsch ‚Pfennig‘, herrschte sie die nächsten Jahrhunderte.“ (Arthur Suhle: Die Münze; Leipzig 1970, S. 75). In Böhmen tauchten die ersten Denare im Jahr 955 unter der Herrschaft des Premysliden-Fürsten Boleslav I. (915-967) auf. Sein Sohn Boleslav II., der bis zum Jahr 999 herrschte, ließ sie bereits in Serie prägen. Die Münzen imitieren den englischen Penny. Auf der Vorderseite ist ein imitiertes Brustbild von König Aethelred II. zu sehen. Die Rückseite zeigt die Hand der Vorsehung zwischen Omega und Alpha. Die Ehefrau von Boleslaw II., Fürstin Emma, ließ auf der Burg Mělník eigene Denare herstellen. Sie unterscheiden sich von den Prägungen ihres Mannes durch die Umschrift „ENMA REGINA“.
Die Ermittlungen von Kapitän Exner begannen unter tschechischen Numismatikern. Münzhändler Klouda in der Prager Altstadt ist seine erste Anlaufstelle: „Durch das Schaufenster hindurch sah man undeutlich das Ladenpult, die Stahlschränke und schmalen Schubladen, durch die dieser Laden karg und kühl wie eine Bank wirkte, ferner einen zweitürigen Stahltresor. Ihm entnahm der Herr Leiter zwei Kassetten und legte sie zu der Ware im Schaufenster. Die Münzen darin schimmerten im strahlenden Glanz von Gold und Silber. Die den Preis anzeigenden Zahlen kletterten in schwindelerregende Höhe.“ (Ebenda, S. 216). Von Klouda erfährt er, dass sich der Fund unter Numismatikern herumgesprochen hat. Der Archivar Svatopluk Sadílek, ein passionierter Sammler, und einige seiner Freunde waren sogar zur Fundstelle geeilt. Vor Ort war auch ein junger Bursche, der Sadílek im Auto gefahren hatte: Vlastimil Brožek. Der interessierte sich zwar nicht speziell für Münzen, brauchte aber Geld: Der Preis von 1.500 tschechischen Kronen pro Exemplar, für Unikate sogar bis zu 10.000, hatte ihn gereizt. Er war der Dieb und Mörder!
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