top of page
Michael Kurt Sonntag

Timoleon und seine Zeus-Eleutherios-Münzen

Nachdem Dion seinen Schwager, den Tyrannen Dionysios II. von Syrakus, 357 v. Chr. gestürzt und die Macht in Syrakus als gewählter bevollmächtigter Stratege übernommen hatte, regierte er die Polis mit harter Hand und zum Teil utopischen Reformvorhaben. „An die Spitze des Staates sollten mehrere Könige, unter ihnen Dion, und 35 Gesetzeswächter treten, Rat und Volksversammlung dagegen ihre Befugnisse weitgehend verlieren.“ (Der neue Pauly, Enzyklopädie der Antike, Bd. 3, Spalte 620). Da Dion hiernach zunehmend als Tyrann empfunden wurde, ermordeten ihn seine eigenen Söldner 354 v. Chr. auf Befehl des Atheners Kallippos. Was dann folgte, war eine gut zehnjährige Periode der Anarchie auf Sizilien.


Abb. 1: Darstellung des Timoleon in Guillaume Rouilles (1518?-1589) „Promptuarii Iconum Insigniorum“ (Lyon 1553). Bildquelle: Wikimedia.

Der Korinther Timoleon, den die Syrakusaner 345 v.Chr. zu ihrer Befreiung gerufen und zum bevollmächtigten Strategen gewählt hatten, drängte Dionysios II. 344 v.Chr. schließlich endgültig aus der Macht, woraufhin dieser ihm die „Tyrannenburg“ auf Ortygia (in Syrakus) übergab und ins Exil nach Korinth ging. Danach besiegte er auch den Tyrannen Hiketas aus Leontinoi, der sich im festländischen Teil von Syrakus festgesetzt hatte und dort als Tyrann gebot, und zwang ihn, sich nach Leontinoi zurückzuziehen. Wenig später ordnete er die Machtverhältnisse in Syrakus, errichtete eine „gemäßigte Demokratie“, erklärte den Priester des Olympischen Zeus zum obersten Beamten und suchte die Polis zur Speerspitze im Kampf gegen die Karthager zu machen.


Zu diesem Zweck vereinigte er die Griechenstädte Siziliens zu einem antikarthagischen Kampfbund (symmachía). Mit diesem schlug er die Punier dann 342/41 v.Chr. – andere Quellen nennen hierfür das Jahr 339/38 v. Chr. – in der Schlacht am Krimisos-Fluss. Die Tyrannen Hiketas von Leontinoi und Mamerkos von Katane, die nach der erneuten Landung eines karthagischen Heeres auf Sizilien die Seiten gewechselt hatten, ließ er hinrichten, nachdem er deren Auslieferung erreicht hatte. Mit den Karthagern schloss er 340 v.Chr. (o-der 338 v. Chr.) einen Friedensvertrag, der Sizilien westlich des Halykos in ein karthagisches und östlich davon in ein griechisches Herrschaftsgebiet teilte. Anschließend suchte er Syrakus „zu einem autonomen und starken Staat zu machen, der als Haupt eines Kampfbundes der Griechen- und Sikelerstädte imstande wäre, die Karthager dauernd abzuwehren.“ (Helmut Berve, Die Tyrannis bei den Griechen, München 1967, Bd. 1, S. 281). Hierzu besiedelte er das entvölkerte Syrakus mit etwa 60.000 Neusiedlern aus Griechenland, Italien und Sizilien, verhalf Städten wie Akragas, Leontinoi, Gela, Kamarina, Kentoripa u. a. zu neuer Blüte und gab dem symmachischen Bund „eine feste Ordnung“. (Berve, ebenda, S. 281). Im Jahre 337/36 v. Chr. legte er fast völlig erblindet sein Amt als bevollmächtigter Stratege freiwillig nieder und verstarb bald darauf. Danach, d. h. von 336 bis 317 v.Chr., stand Syrakus unter der Herrschaft des „Rats der 600“ – eine Periode, in der die Demokratie der Polis mehr und mehr in eine Oligarchie verwandelt wurde.

Abb. 2: Antike Zeusbüste (Fundort Otricoli); Standort: Museo Pio Clemente, Vatikanische Sammlungen. Bildquelle: Jastrow, Wikimedia.

Da Zeus in Syrakus bereits seit dem Sturz der tyrannischen Deinomeniden als „Zeus Eleutherios“ („Zeus der Befreier“) kultisch verehrt wurde, zierte sein Porträt auch die Münzen des „Befreiers“ Timoleon. (siehe Abb. 3 und 4)


Abb. 3: 30 Litren bzw. 1⁄4 Stater bzw. 1⁄2 Drachme (344/43–337/36 v.Chr.), Gold, 2,12 g, Münzstätte Syrakus. Bildquelle: MA-Shops, Gorny & Mosch (März 2015).
Abb. 4: 2 Litren (Dilitron) (344/43–337/36 v. Chr.), Bronze, 20,05 g, Münzstätte Syrakus. Bildquelle: MA-Shops, Gorny & Mosch (Februar 2015).

Betrachtet man die obigen Münzabbildungen im Detail, so fällt auf, dass beide Münzen auf ihren Vorderseiten das Porträt des bärtigen, belorbeerten Zeus zeigen und auch die Legende ΖΕΥΣ ΕΛΕΥΘΕΡΙΟΣ nennen. „Das prachtvolle Zeusbild auf den Geprägen des Timoleon wird unter dem Eindruck des neuen Zeustypus auf den Münzen von Elis und des arkadischen Bundes entstanden sein.“ (H. A. Cahn, L. Mildenberg, R. Russo, H. Voegtli, Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig, Griechische Münzen aus Großgriechenland und Sizilien, Basel 1988, S. 141). Und auch die Silberstatere Timoleons zu 10 Litrai im korinthischen Standard, die auf ihrer Rückseite Zeus darstellen – diese sind heute extrem selten –, zeigen ebenfalls ein langhaariges, nach links gewandtes, bärtiges Zeusbildnis und nennen die Umschrift ΖΕΥΣ ΕΛΕΥ ΘΕΡΙΟΣ. Doch die Münze aus Abb. 3 und der erwähnte Silberstater beziehen sich nicht nur auf den Göttervater Zeus. Mit dem Bildmotiv des nach links fliegenden Pegasos auf der Rückseite des 1⁄4-Goldstaters und auf der Vorderseite des Silberstaters nehmen die Gold- und Silberemissionen Bezug auf Korinth und damit indirekt auch auf den Korinther Timoleon. Und auch das nach links aufspringende, ungezäumte Pferd auf der Rückseite der Bronzemünze aus Abb. 2 bezieht sich nicht auf Zeus, zumal das Pferd von Poseidon erschaffen worden sein soll, diesem heilig war und auch in Syrakus große Verehrung als Streitross und Rennpferd genoss. Das Einzige, was den fliegenden Pegasos ebenso umgibt wie das aufspringende Pferd ist die Münzlegende ΣΥΡΑΚΟΣΙΩΝ ([Münze] der Syrakusaner).


Comments


bottom of page