Michael Kurt Sonntag
Wer prägte die Bronzemünzen mit dem Greif?
Die auf Sizilien gefundenen Bronzemünzen, die auf ihren Vorderseiten einen Greif zeigen, der über einer dicken, unregelmäßigen Bodenlinie nach links springt, und die auf ihren Rückseiten ein nach links galoppierendes Pferd mit losen Zügeln abbilden und im Abschnitt die Legende KAINON tragen, sind schon lange bekannt. Wer allerdings der Prägeherr dieser Bronzen war, darüber herrscht Uneinigkeit.
Diese Münzen wurden in der Vergangenheit häufig der Stadt Alaisa Archonidea auf Sizilien zugeordnet, aber dann gab es Zweifel: „Die Zuweisung dieser Emission mit der Legende KAINON ist unsicher und bleibt umstritten. So hat G. Manganaro, AIIN Suppl. 25, 1979, 22 die Prägung nach Akragas gelegt. Zu kainon ergänzt er nomisma (<[neues] Geld).“ (Herbert A. Cahn et al.: Griechische Münzen aus Großgriechenland und Sizilien. Basel 1988, S. 94) Andere Numismatiker ergänzten zu kainon symmachikon und lösten dann in (<[neues] Bündnis) auf. (vgl. Leschhorn/Franke: Lexikon der Aufschriften auf griechischen Münzen, Bd. 1, 2002, S. 159) Oliver D. Hoover geht bei der Auflösung dieser Legende allerdings nicht vom Wort „kainos“ = „neu“ aus, weswegen er dazu auch nichts weiter ergänzt, sondern interpretiert die Legende KAINON als ([Münze] der Kainoer). Er sagt über die Kainoer aber, sie seien – abgesehen von dieser Münze – ein völlig unbekanntes Volk, „an otherwise completly unknwon people“. (Oliver D. Hoover: Handbook of Coins of Sicily. Lancaster/London 2012, S. 147) Folgt man dem Neuen Pauly (Enzyklopädie der Antike) jedoch, dann liest man in Bd. 6, Sp. 137 unter dem Stichwort Kainoi u. a.: „Thrakischer Stamm zwischen Astai und Korpiloi im Gebiet der Paitoi..., nach dem Zerfall des Odrysenreiches im Gebiet östlich des Hebros bis an die Küsten der Propontis bzw. der Ägäis. Nach den Kainoi war die Strategie Kainike am Unterlauf des Hebros benannt...“ Demnach waren die Kainoer (griechisch Kainoi) ein tatsächlich existierender thrakischer Stamm. Gut möglich, dass die Existenz dieses Stammes einigen Numismatikern bekannt war, zumal sie die Vermutung äußerten, dass diese Kainon-Münzen von thrakischen Söldnern geprägt worden sein könnten, die während der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. auf Sizilien operierten. „It has been suggested that the <Kainon> coinage might have been struck by Thracian mercenaries operating in Sicily in the first half of the fourth century BC.“ (Oliver D. Hoover: Handbook of Coins of Sicily. Lancaster/London 2012, S. 147)
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