Zwei bedeutende Numismatiker standen am 20. Juni 2024 im Mittelpunkt einer Festveranstaltung mit musikalischer Umrahmung im Gobelinsaal des Bode-Museums auf der Berliner Museumsinsel: der vor 200 Jahren geborene und 1905 gestorbene Jurist und Numismatiker Hermann Dannenberg und der frühere Direktor des Berliner Münzkabinetts Bernd Kluge, der unlängst 75 Jahre alt wurde. Beide verbindet das Interesse an mittelalterlichen Münzen, und beide haben große Verdienste um ihre Erforschung und Publikation erworben.
Bernhard Weisser, der heutige Direktor des Münzkabinetts, überbrachte Grüße vom Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und berichtete, dass Bernd Kluge schon oft im Gobelinsaal gesprochen hat. Mehr als 250 wissenschaftliche Publikationen verzeichnet seine Bibliografie, die 2014 anlässlich seiner Verabschiedung in den (Un-)Ruhestand von der Numismatischen Gesellschaft zu Berlin unter dem Titel „Direktorenjahre 1992-2014 und Schriftenverzeichnis 1976-2014“ veröffentlicht wurde. Kluge organisierte den später in einem dicken Tagungsband dokumentierten XII. Numismatischen Kongress in Berlin, war zur Stelle, als von 1997 bis 2004 das Bode-Museum von Grund auf saniert und das zeitweilig ausgelagerte und nur begrenzt nutzbare Münzkabinett neu strukturiert wurde. Er baute die auf die brandenburgischen Kurfürsten zurückgehende Sammlung zu einer weltweit geachteten Forschungseinrichtung in der Einheit von Museum, Archiv und Wissenschaftsinstitut aus und verfasste einen Katalog zu den Münzen Friedrichs des Großen und weitere Standardwerke und Ausstellungskataloge. In seiner Laudatio zitierte Bernhard Weißer aus der Bibel (Markus 4) mit dem Gleichnis vom Bauern, der überall Getreide aussäte und erst erfolgreich war, als die Körner auf fruchtbaren Boden fielen und aufgingen und das Hundertfache der Aussaat eintrugen. Die von Bernd Kluge ausgestreuten „numismatischen Saatkörner“ seien in reichem Maße aufgegangen und werden es auch künftig tun, sagte Weisser unter dem Beifall der Zuhörer.
Die 1843 gegründete Numismatische Gesellschaft zu Berlin widmete 2014 ihrem Mitglied, dem langjährigen Direktor des Berliner Münzkabinett Bernd Kluge eine in der Bildgießerei Seiler in Schöneiche bei Berlin gegossene Bronzemedaille. Die Auflage beträgt 70 Exemplare. Bildquelle: Caspar.
Der Zufall will es, dass das Berliner Münzkabinett 2024 auf 300 Jahre Mittelaltersammlung blickt. Christian Stoess berichtete, dass Johann Rau (1673-1733), seines Zeichens Propst an St. Nikolai in Berlin, 1724 zahlreiche Geldstücke aus grauer Vorzeit für die vergleichsweise geringe Summe von tausend Reichstalern der Sozietät (Akademie) der Wissenschaften zu Berlin verkaufte. Sie kamen später ins Münzkabinett und bilden den Grundstück einer Mittelaltersammlung, wie man sie nicht noch einmal in der Welt findet. Ende des 18. Jahrhundert gelangte die bedeutende Mittelaltersammlung mit 800 Brakteaten und einigen tausend anderen Stücken meist brandenburgischen Ursprungs aus dem Besitz von Johann Carl Wilhelm Moehsen (1722-1795) ins Kabinett. Der Leibarzt von König Friedrich II. während des Bayerischen Erbfolgekriegs (1778) gab seine Sammlung für eine Leibrente her, die er allerdings nur zwei Jahre in Anspruch nehmen konnte, weil er schon 1795 starb. Die Zeiten für den Ausbau des Königlichen Münzkabinetts waren günstig, und so errang es mit dem Erwerb von kompletten Antikensammlungen und solchen aus dem Mittelalter und der Neuzeit international einen hervorragenden Ruf als Museum und Archiv sowie Bildungs- und Forschungsstätte.
Fritz Rudolf Künker, Christian Stoess, Bernd Kluge und Bernhard Weisser (v. l. n. r.) freuen sich auf den Zuwachs fürs Berliner Münzkabinett und sehen der Auswertung des ursprünglich aus etwa 300 Denaren aus dem 10. Jahrhundert bestehenden Fundes von Alken erwartungsvoll entgegen. Foto: Caspar.
Ein Höhepunkt der Festveranstaltung war die Übergabe der Reste eines um 1980 im Großraum Lüttich (Belgien) entdeckten Fundes von Silberpfennigen aus dem 10. Jahrhundert samt Scherben des Tongefäßes, in dem sich die Stücke beim Auffinden befanden. Die meisten Münzen wurden damals an Händler und Sammler verkauft, doch gab es auch eine passende Veröffentlichung. Der Osnabrücker Münzhändler Fritz Rudolf Künker mühte sich um den wissenschaftlich bedeutsamen „Restposten“, der jetzt dankbar vom Berliner Münzkabinett übernommen wurde.
„Es ist ein famoses Stück, wie Fritz Rudolf Künker es geschafft hat, die Fundreste für das Berliner Kabinett und die Forschung zu sichern“,
sagte Kluge angesichts des Münzkoffers mit den Denaren, die von Osnabrück nach Berlin transportiert wurden. Ein bisher unbekannter Pfennig des aus dem Adelsgeschlecht der Liudolfinger stammenden Königs Heinrich I. (genannt der Vogelfänger, reg. 919-936) aus der Münze zu Köln sei der lange vermutete „Missing link“ zwischen den Geldstücken der Karolinger und ihrer Nachfolger und denen der nach drei Kaisern namens Otto benannten Ottonen. Da die Zeit Heinrichs I. besonders arm an schriftlichen Quellen ist, kommen den wenigen Geldstücke aus dieser Zeit besonders große Bedeutung zu.
Als numismatische Sensation eingestuft, fand der in Köln geprägte und in Belgien gefundene Denar König Heinrichs I. große Beachtung. Übergeben wurden auch die dazu gehörenden Scherben des Schatzfundbehälters.
Bernd Kluge berichtete in seinem Festvortrag aus seinem Leben und wie er seinen Ruhestand mit neuen Projekten ausgefüllt hat. Seiner Frau und Familie sprach er seinen besonderen Dank für das aufgebrachte Verständnis aus, dass er sein „Rentnerdasdein“ und die ihm verbleibende Zeit anders als üblich ausfüllt. Dass ein ehemaliger Kabinettsdirektor an einem eigenen Arbeitsplatz weiter forschen kann, sei bei den Staatlichen Museen zu Berlin einmalig, sagte er. Mit Blick auf den Schatz aus Belgien sprach Kluge seinem Freund Fritz Rudolf Künker großen Dank für das aus, was dieser für die Numismatik und speziell das Berliner Kabinett geleistet hat. Er nutzte zudem die Gelegenheit, seine Forschungen zu den Münzen des Ostfränkisch-Deutschen Reiches (MODR) von 843 bis 1126 vorzustellen.
Bernd Kluge hat im Selbstverlag bereits zwei Bände herausgebracht. Diese und weitere Bücher gehen an Münzkabinette, Bibliotheken und Forscher, werden aber nicht verkauft. Ihr Inhalt kann von jedem zu jeder Zeit und weltweit im Internet unter der Adresse www.klugenumismatik.de ohne besondere Genehmigung für wissenschaftliche Zwecke und privat genutzt werden. Der digitale Auftritt wird laufend ergänzt. Im Übrigen sprach Bernd Kluge aus eigener Erfahrung über die Vorteile von hier gedruckten und dort digitalisieren Katalogen und Forschungsarbeiten.
„Was geschrieben und und gedruckt ist, hält ewig, das können wir von Digitalisaten aber nicht unbedingt sagen, denn sie können irgendwann auch wieder verschwunden sein.“
Zum ihrem 50-jährigen Bestehen gab die Numismatische Gesellschaft Berlin eine Medaille zu Ehren Hermann Dannenbergs heraus. Bildquelle: Stefan Krmnicek - https://www.ikmk.uni-tuebingen.de/object?id=ID1783, CC BY 3.0.
Hermann Dannenberg und Bernd Kluge sind, obwohl zwischen ihnen ein Jahrhundert liegt, ein untrennbares Gespann. Der Ältere übte schon immer auf den Jüngeren eine große Faszination aus. Daran ändert auch die Meinung des früheren Kabinett-Direktors Julius Menadier nichts, der 1905 in seinem Nachruf behauptete, Dannenberg sei kein Führer der Wissenschaft und insgesamt wenig schöpferisch gewesen.
„Aber überaus eifrig hat er sich den Inhalt der numismatischen Wissenschaft durchweg zu eigen gemacht und damit über ein Rüstzeug verfügt, das ihn befähigte, die Leitung kleinerer Kreise auf sich zu nehmen.“
Damit war die Numismatische Gesellschaft zu Berlin gemeint, in der er überaus aktiv und immer präsent war. Menadiers Urteil gerade in einem Nachruf auf Dannenberg löste großen Ärger aus. Aber solche auch aus persönlichen Animositäten und Eifersüchteleien resultierende Kontroversen, gibt es in der Numismatik bis heute.
Hermann Dannenbergs Grundlagenforschung, die in vier zwischen 1876 und 1905 bei Weidmann in Berlin erschienenen Bänden und weiteren Werken ihren Niederschlag fand, gilt nach wie vor. Der Jurist hat sich bereits als Jugendlicher für Münzen und namentlich für die mittelalterliche Numismatik interessiert. Er entwickelte sich vom Sammler zum Forscher und trat 1848 mit seiner ersten Münzfundbeschreibung hervor. Er bereicherte die Mittelalternumismatik durch die zeitliche und geographische Einordnung der in Schatzfunden ans Tageslicht gelangten Geldstücke und ganzer Münzreihen. Da seither viel passiert ist und neue Schatzfunde ans Tageslicht kamen und weiter geforscht wurde – Bernd Kluge erwähnte in seinem Vortrag vor allem solche aus Nord- und Osteuropa – ist ein „Neubau“ des alten Dannenbergs zwingend erforderlich. Da das offenbar kein anderer tun kann oder will, hat er sich entschlossen, diese Aufgabe selber vorzunehmen. Der „Relaunch Dannenberg 3.0“ ist im Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin (Preußischer Kulturbesitz) angesiedelt und wird von der Numismatischen Gesellschaft zu Berlin und der Münzhandlung Fritz Rudolf Künker in Osnabrück unterstützt. Für sein Projekt sucht der 75-jährige Kluge, der eigentlich schon vor fünf Jahren den „Griffel“ aus der Hand legen wollte und nun ein wenig kürzer treten möchte, eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger. Meldungen werden beim Berliner Münzkabinett gern entgegen genommen.
Helmut Caspar
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