Als der Roman „Gold“ von Blaise Cendrars im Jahre 1925 in Paris veröffentlicht wurde, schlug es ein wie eine Bombe. In kürzester Zeit wurde das Buch in zahlreiche Sprachen übersetzt. Auf mitreißende Weise schildert Cendrars den Lebensweg eines verschuldeten Schweizers, der im Jahre 1834 nach Amerika auswanderte: Johann August Suter.
Johann August Suter (1803–1880) [Wikipedia, Kunstmuseum Solothurn]
Nach zwei Jahren als Hilfsarbeiter in New York lässt er sich als Farmer in Missouri nieder. Im Juni 1839 zieht Suter nach Kalifornien weiter, damals eine mexikanische Provinz. Deren Gouverneur übereignet ihm einen großflächigen Landstrich zur landwirtschaftlichen Erschließung. Nach einigen Jahren floriert seine Kolonie „Neu-Helvetien“ im Sacramento-Tal. Doch dann wird Kalifornien ins Staatsgebiet der USA eingegliedert, im Januar 1848 an einer seiner Mühlen ein Gold-Nugget gefunden. Goldsucher aus aller Herren Länder fallen über seinen Besitz her. Der landwirtschaftliche Betrieb in „Neu-Helvetien“ verfällt.
Historisches Gold-Nugget aus Kalifornien [Wikipedia, Carnegie Museum of Natuaral History, St. John]
In dieser Situation siedelt die Schweizer Familie des Farmers nach Kalifornien über: „Anna Suter ist am Ende ihrer Kräfte. Sie und ihre Kinder steigen zum Fort Suter hoch und suchen nach ihrem Ehemann und Vater. Als sie bei seinem Landhäuschen ankommen, schafft es Anna gerade noch, seinen Namen zu röcheln. Suter sieht mit an, wie seine Frau erschöpft zusammenbricht und vor seiner Tür stirbt.“[1]
Als der Roman „Gold“ von Blaise Cendrars im Jahre 1925 in Paris veröffentlicht wurde, schlug es ein wie eine Bombe. Innerhalb kürzester Zeit wurde das Buch in zahlreiche Sprachen übersetzt. Auf mitreißende Weise schildert Cendrars den Lebensweg eines verschuldeten Schweizers, der im Jahre 1834 nach Amerika auswanderte: Johann August Suter. Suter.Suter.uter.ter.er.r.
Doch damit nicht genug. Das Unglück setzt sich fort. Als Suter vor amerikanischen Gerichten auf Entschädigung für die Ausbeutung seines Eigentums durch die Goldsucher klagt, tötet ein aufgebrachter Mob einen seiner Söhne. Ein zweiter nimmt sich das Leben. Der dritte gilt als verschollen. Als alter Mann sitzt Suter schließlich auf der Treppe des Kongressgebäudes in Washington. Da läuft ein Straßenjunge auf ihn zu und berichtet, der Kongress habe ihm 100 Millionen Dollar zugesprochen. Der Alte erhebt sich und fällt hin: „Am 17. Juni 1880 stirbt er vor dem Kapitol. Es ist ein Sonntag. Der Kongress hat gar nicht getagt.“[2]
5 Dollars. Norris, Gregg & Norris, San Francisco, 1849, Gold, 8,4 g, 23 mm [Künker, Berlin-Auktion 2015, 807]
Tatsächlich hat der kalifornische Goldrausch von 1849 die wirtschaftliche Lage der USA gravierend verändert. Mit dem entdeckten Gold wurden zunächst verschiedene Territorialmünzen geprägt, etwas später reguläre Goldmünzen in Millionenauflagen. Die Goldschwemme ermöglichte es vielen Staaten, bis zur Jahrhundertwende zum Goldstandard überzugehen. Somit kann die Initialzündung, die mit den ersten Funden in Suters Kolonie „Neu-Helvetien“ ausgelöst wurde, nicht hoch genug eingeschätzt werden.
In der nur zum Teil wahrheitsgetreuen Schilderung von Blaise Cendrars wird Suter allerdings als Mann der Tat dargestellt, der in schwierigen Situationen über sich hinauswächst. Auf tragische Weise unterliegt er den ihm zuwider laufenden Triebkräften der Zeit. Blaise Cendrars hat die realen Ereignisse jedoch mit der Absicht einer starken emotionalen Wirkung dramatisiert und verfälscht. Die zahlreichen Todesfälle in seiner Familie hat es so nie gegeben. Auch zupackend war er nicht gerade. Sein Sohn berichtete rückblickend: „All diese Zeit verging kaum ein Tag, wo er selbst, seine Angestellten, Partner, Indianer etc. nicht betrunken und entsprechend ausgelassener Stimmung waren. Leider war das fast ein Dauerzustand.“[3] Seine spätere Klage gegen die US-Regierung auf Entschädigung schien zumindest zeitweilig erfolgversprechend zu sein. Der Kongress verschleppte dann jedoch die Entscheidung über Jahre hinweg. Am 16. Juni 1880 ging Johann Suter in einem Washingtoner Hotel zu Bett: „Als ein befreundeter Senator vorbeikam, um ihm zu sagen, dass der Antrag auf der nächsten Kongresssitzung sicher durchkommen würde, war Suter tot.“[4]
Französische Erstausgabe des Buches von 1925 [Librairie Galerie Emmanuel Hutin]
Schon kurz nach der Veröffentlichung faszinierte „Gold“ von Blaise Cendrars bedeutende Zeitgenossen: Im Frühjahr 1930 beabsichtigte der sowjetische Regisseur Sergej Eisenstein das Buch in den USA zu verfilmen: „Der Film soll – wie Eisenstein schreibt – den unerhörten Kampf schildern, den ein einzelner Mensch gegen die Wahnsinnigen ausficht, die vom Reichtum berauscht werden, Menschen, die imstande wären, jeden für Gold zu ermorden.“[5] Innerhalb weniger Tage hatte der berühmte Regisseur ein Drehbuch verfasst; die US-Filmgesellschaft Paramount lehnte es jedoch ab. Wenige Jahre später wurde der Stoff von einem einheimischen Regisseur unter dem Titel „Sutters Gold“ verfilmt.
Im Jahr 1932 gelangte die russische Übersetzung des Buches in die Hände des sowjetischen Parteichefs Josef Stalin. Der Funktionär Sergej Ordschonikidse hatte es vom Leiter der Zentralverwaltung der Goldminen bekommen: „Ordschonikidse habe das Buch Stalin gegeben, weil der Boss sich auch für die Darstellung der Goldsuche in den Büchern von Jack London interessierte. […] Gemäß den Ausführungen von Herrn Serebrowski, Volkskommissar für Bergwerksangelegenheiten, soll Stalin nach der Lektüre von ‚Gold‘ beschlossen haben, den Ural zu industrialisieren.“[6] Anders als Eisenstein war Stalin von der Dynamik des Kapitals fasziniert. Im Kampf der Systeme wollte er sie mit einer eigenen Initiative übertrumpfen.
Im Sommer 1936 gewann die deutsche Verfilmung des Buches mit Joseph Trenker in der Hauptrolle die „Coppa Benito Mussolini“ auf den Filmfestspielen von Venedig. Propagandaminister Joseph Goebbels notierte: „Ein stürmischer Erfolg […] Herrlich gemacht […] Ein typischer Trenker. Glänzende Massenszenen. Kampf zwischen Blut und Geld.“[7]
Selbst bürgerliche Autoren waren von dem Buch begeistert. Stefan Zweig nahm die falschen, bewusst heroisierenden Darstellungen über das Leben und Wirken von Joseph Suter für bare Münze und integrierte sie in seine „Sternstunden der Menschheit“.
Anmerkungen
[1] Blaise Cendrars, Gold; Zusammenfassung auf getabstract.com.
[2] Ebd.
[3] William Weber Jonson, Der Goldrausch. Amsterdam 1979, S. 215.
[4] Ebd.
[5] Dieter Thomä, Unter Amerikanern. München 2000, S. 121.
[6] Ebd., S. 122.
[7] Ebd., S. 125.
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