Ein erst am 23. November 2022 veröffentlichtes Paper eines Forscherteams der Universität Glasgow postuliert: Bisher stets für moderne Fälschungen gehaltene Münzen mit dem Konterfei eines Kaisers Sponsian sollen Beweise für die Authentizität dieses Kaisers liefern. Doch was hat es mit dieser angeblich bahnbrechenden Entdeckung auf sich?
Abb. 1: Die Münze des Sponsian aus der Hunterian-Sammlung [Universität Glasgow, The Hunterian]
Die Quellenlage
Ein (Gegen-)Kaiser Sponsian (lat. Sponsianus) taucht in keiner schriftlichen antiken Quelle auf. Die einzigen Zeugnisse, die uns von der Existenz eines solchen Kaisers erzählen, sind eben diese Münzen, die nicht ohne Grund als neuzeitliche Fälschungen gelten. Nur vier Exemplare der Goldmünzen Sponsians sind heute überliefert. Eines davon liegt in der Hunterian-Sammlung im schottischen Glasgow. Diese und drei weitere Münzen der Sammlung mit gleicher Provenienz untersuchte der Geologe und Paläoklimatologe Paul N. Pearson (University College London) in Zusammenarbeit mit vier Wissenschaftlern der Universität Glasgow.
Abb. 2: Vergrößerte Ansicht der Vorder- und Rückseite der Münze [P. Pearson et al., "Authenticating coins of the ‘Roman emperor’ Sponsian", PLoS ONE 17(11): e0274285. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0274285.g001]
Die Münzen
Die äußerst seltenen Münzen des Sponsian traten im 18. Jahrhundert aus dem Nichts in Erscheinung: Carl Gustav Heraeus, Medailleninspektor der kaiserlichen Sammlung in Wien, erwarb im Jahr 1713 insgesamt acht römische Goldmünzen mit unterschiedlichen Motiven, darunter eine Sponsian-Münze, vom Hof-Cammer-Rath Johann David von Palm. Diese acht Objekte seien in Siebenbürgen gefunden worden. Von dem angeblichen Siebenbürger Münzschatz, der Gold- und Silbermünzen unterschiedlicher Typologie beinhaltete, sind nur wenige Exemplare erhalten. Davon gelangten zwei Sponsian-Münzen ins Wiener Münzkabinett; vier Goldmünzen in der Hunterian-Sammlung in Glasgow, davon eine mit dem Namen Sponsians, hatte Hunter 1782 vom Wiener Joseph De France erworben; eine vierte Sponsian-Münze liegt heute im rumänischen Sibiu (Hermannstadt).
Waren die Sammlerkreise im 18. Jahrhundert noch überzeugt davon, einen bis dahin unbekannten dakischen Usurpator entdeckt zu haben, so sah man ab dem 19. Jahrhundert das Ganze differenzierter und mit einer gesunden Skepsis. Seither lautete der Consensus: Es kann sich nur um Fälschungen handeln, und das vermutlich nicht einmal aus der Antike, sondern aus der Neuzeit.
Allein das plötzliche Auftauchen der Münzen im 18. Jahrhundert in einem einzigen Fundkontext und die komplette Abwesenheit ähnlicher Münzen seither in den Funden sollte uns stutzig machen – das wäre in der Regel ein starkes Indiz für eine neuzeitliche Fälscherpersönlichkeit.
Abb. 3: Provenienz und Verbleib der Siebenbürger Münzen. Die Farben geben die unterschiedlichen Münztypen wieder – Exemplare mit "Sponsian" sind mit Dunkelorange bzw. Weiß mit rotem Rand (verschollene Silbermünze) markiert [P. Pearson et al., "Authenticating coins of the ‘Roman emperor’ Sponsian", PLoS ONE 17(11): e0274285. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0274285.g003]
Aber auch andere Aspekte der Münzen wirken suspekt, wie beispielsweise der distinktive Stil sowohl der Bilder als auch der Buchstaben – die Legende gibt den Namen des Kaisers übrigens im Genitiv wieder! – oder aber die Übernahme der Ikonographie aus der Republikzeit. Darüber hinaus wäre an dieser Stelle auch eine Diskussion über die Rolle des Münzgelds in Dakien in dieser Zeit fällig, sollte es sich bei diesen Münzen um zeitgenössische Imitationen handeln.
Die Studie
Die Untersuchungsmethoden umfassten UV- und Rasterelektronenmikrospie sowie Infrarot-Spektroskopie; dadurch konnte das Forscherteam zunächst einmal festhalten, dass die – freilich mit bloßem Auge zweifelsfrei erkennbaren – Gussbläschen an der Oberfläche der Münzen die Herstellungstechnik des Gusses anstatt der bei offiziellen Münzen und selbst bei den "barbarischen" Imitationen eingesetzten Prägung belegen. Des Weiteren konnten die Anteile von Gold, Silber und Kupfer in der Legierung bestimmt werden; der Feingehalt der betroffenen Münzen lag erwartungsgemäß deutlich unter dem zweier zeitgenössicher Münzen, deren Echtheit außer Zweifel steht.
Auch die Abnutzung der Münzen sowie Oberflächenablagerungen wurden analysiert – mit dem offensichtlichen Ergebnis, dass erstens die Kratzer an der Oberfläche nicht einzeln zugefügt wurden, sondern ein zufälliges Muster aufwiesen, und zweitens die Verunreinigungen sich erst nach der Entstehung dieser Vertiefungen festgesetzt hatten. Im Klartext: Das einzige Szenario, das durch diese Erkenntnisse mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, ist, dass die Münzen quasi prägefrisch direkt in den Boden wanderten, von dort ausgehoben wurden und dann jemand willkürlich die Münzen händisch mit einem Kratzer nach dem anderen versah. Was sie aber keineswegs beweisen, ist die Entstehung der vorhandenen Abnutzungserscheinungen schon in der Antike. Erst ziemlich am Ende des Aufsatzes erwähnen die Autoren beiläufig Carl Wilhelm Becker, der ja nicht jeden einzelnen Kratzer vorsätzlich einritzen musste, sondern durch "Spazierenfahren" der Fälschungen mit der Kutsche in einer Kiste voller Eisenfeilspäne ein zufälliges Muster an Kratzern schuf. Wieso sollte nicht eine ähnliche Verfälschungstechnik auch bei den Sponsian-Münzen zum Einsatz gekommen sein? Ein Oberflächenvergleich mit Fälschungen in entsprechendem Umfang kam zumindest im Rahmen der Studie nicht in Frage. Außerdem könnten die Münzen ja noch immer zeitgenössische Fälschungen/Imitationen sein und somit stellt die Analyse der Abnutzung kein Indiz dafür dar, dass es einen Kaiser namens Sponsian gegeben hätte.
Die Ergebnisse
Wie wir bisher sehen konnten, ist in der Studie kein einziger aussagekräftiger Beweis für die Existenz eines Kaisers Sponsian gegeben. Dennoch spinnen die Autoren ihre Hypothesen weiter. Der dakische Usurpator soll die Münzen prägen lassen haben, um sein Heer – die Legiones XIII Gemina und V Macedonica – und den Beamtenapparat zu bezahlen. Selbst von einer Art Quantitative Easing ist die Rede! Und da die Thesen ja so hieb- und stichfest seien, müssten in Zukunft betimmt weitere Exemplare dieser Münzen in einem gesichterten archäologischen Kontext gefunden werden.
Auf dem diesjährigen Internationalen Numismatischen Kongress in Warschau – dem numismatischen Event, bei dem die Koryphäen aller numismatischen Fachbereiche zusammenkommen – sollen ausgewiesene Experten inoffiziell konsultiert worden sein, deren Tenor verständlicherweise keinesfalls mit den Postulaten dieses Aufsatzes in Einklang zu bringen waren. Auch nach der Veröffentlichung der Studie, die großes mediales Aufsehen erregte, meldeten sich mehrere Numismatiker mit ihren fundierten Fachkenntnissen zu Wort und äußerten sich kritisch. Fragt sich nur, warum gerade bei einem numismatischen Thema die numismatische Fachwelt derart ignoriert oder gar in bestimmten Punkten diskreditiert wurde. Oder sollen wir hier ab jetzt paläoklimatologische Beiträge bringen?
Den diskutierten Aufsatz "Authenticating coins of the ‘Roman emperor’ Sponsian" von Pearson et al. können Sie hier mit freiem Zugang nachlesen.
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