Nach dem Tod seines Bruders König Edward IV. wurde Richard zum Vormund für Edwards Sohn
und Nachfolger, den 12-jährigen Edward V., bestimmt. Zusammen mit dem Kronrat (Privy Council) sollte Richard während der Minderjährigkeit Edwards IV. auch England regieren. Richard informierte seinen Neffen, dass seine Mutter offensichtlich den letzten Willen Edwards IV. missachtet hatte und seine, Richards, Einsetzung als Protektor zu verhindern suchte. Darauf begab sich Edward, ob gezwungen oder freiwillig, in Richards Obhut. Gestützt auf seine starke Leibgarde hätte er das besser nicht tun sollen.
Richard III. von England. Dieses älteste erhaltene Gemälde wurde um 1520 nach einem verlorengegangenen Original gemalt. Quelle: Wikipedia
Der Bischof von Bath und Wells verkündete in London, dass die Kinder von Elizabeth Woodville und Edward IV. illegitim seien, weil der König sich vor der Eheschließung mit Elizabeth mit Eleanor But-ler, der Tochter des Grafen von Shrewsbury, verlobt habe. Beweisen ließ sich dieser Vorwurf nicht, doch er verbreitete sich schnell in London. Die logische Schlussfolgerung war, dass Richard als legitimer Thronfolger gelten musste. Ob Richard den Anschuldigungen des Bischofs wirklich Glauben schenkte oder sie lediglich als günstige Gelegenheit betrachtete, den Thron zu usurpieren, lässt sich heute nicht mehr klären. Am 23. Juni vertrat der Herzog von Buckingham vor einer Adelsversammlung Richards Thronanspruch.
Am 25. Juni erklärte das englische Parlament Richard zum rechtmäßigen Thronfolger, der am 6. Mai 1483 gekrönt wurde.
Der junge Prinz Edward (Edward V.) und sein Bruder Richard, Herzog von York, wurden nach dem August 1483 nie wieder in der Öffentlichkeit gesehen. Es wurde gemunkelt, dass sie auf Befehl von Richard III. ermordet worden seien. 1674 wurden bei Arbeiten im Tower eine Kiste mit Skeletten von zwei Kindern ausgegraben, bei denen es sich um die ermordeten Söhne Edwards IV.
gehandelt haben könnte.
Am 7. August 1485 landete Henry Tudor mit französischen Truppen und Söldnern in Südwales und marschierte nach Pembrokeshire, wo er weitere Soldaten rekrutierte. Die Armeen von Henry Tu-
dor und Richard III. stießen bei Market Bosworth in der Nähe von Leicester zusammen. In der Schlacht wurde Richard nach dem Verrat von Sir William Stanley, der die Seiten gewechselt hatte, getötet.
Richards Leichnam wurde geschändet, nackt im Wirtshaus The New Wake in Leicester ausgestellt und schließlich in der Greyfriars Church des dortigen Franziskanerklosters bestattet.
Am 25. August 2012 begannen auf einem Parkplatz in der mittelenglischen Stadt Leicester Ausgrabungen. Forscher der University of Leicester und der Richard-III.-Gesellschaft vermuteten auf dem Gelände, dem einzigen heute unbebauten Teil des ehemaligen Franziskanerklosters, das Grab Richards Ill.
Anfang September 2012 wurde bei den Ausgrabungen tatsächlich ein menschliches Skelett gefunden. Die eindeutige Identifizierung der Gebeine durch Kohlenstoffdatierung und DNA-Nachweis ergab, dass es sich bei dem Skelett um die Überreste Richards III. handelt. Sie wurden am 26. Mai 2015 in der Leicester-Kathedrale beigesetzt.
Heutige Historiker betrachten den zweifelhaften Ruf, den Richard seit seinem Tod genossen hat, primär als Folge der verfälschenden historischen Überlieferung in der Tudor-Epoche. In jüngerer Zeit stellte sich heraus, dass Richard III. die meisten ihm unterstellten Verbrechen nicht begangen haben konnte. Bisher ungeklärt ist, ob er tatsächlich für den Tod seiner beiden Neffen im Tower verantwortlich war.
An dem Bild von Richard III. als dem Schurken auf dem englischen Thron hat sich im allgemeinen Bewusstsein bis in die Gegenwart wenig geändert. "Schuld" daran ist vor allem William Shakespeares 1593 verfasste "Tragödie von König Richard III." Sie stellt den König als skrupellosen Machtmenschen dar, der von einem Verbrechen zum nächsten getrieben wurde.
Die Herrscher der Dynastie Tudor, auch Elizabeth I., zu deren Zeit Shakespeare sein Drama schrieb, hatten großes Interesse daran, den Gegenspieler des Gründers ihrer Dynastie in ungünstigem Licht erscheinen zu lassen. Shakespeare hat Richard III. als Krüppel mit einem Buckel dargestellt, was damals als Beweis eines bösartigen Charakters galt. Ein bekanntes Bild, das ihn mit Buckel zeigt, ist aller Wahrscheinlichkeit nach bereits in der Tudor-Zeit gefälscht worden.
England. Richard III. (1483–1485). Angel ohne Jahr.
Der Erzengel Michael ersticht den Drachen, Umschrift: RICARD . DI : GRA REX . ANGL . Z FRANC.
Rückseite mit einem Schiff, auf dem der englische Wappenschild steht, darüber – geteilt von einem Kreuz – links die Initiale R, rechts eine Rosette, Umschrift: PER CRVSEM TVA SALVA . NOS XPC . REDEMPT (Durch dein Kreuz rette uns, Christus, unser Erlöser).
Quelle: Baldwin's of St. James's, 54/2022
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