Im VII. Pontifikatsjahr Papst Benedikts XVI., 2011 also, emittierte der Vatikan eine 100-€-Goldmünze, die vorderseitig die Büste Benedikts im päpstlichen Ornat und rückseitig die Überwältigung des „Tempelräubers“ Heliodoros durch einen Reiter und zwei Jünglinge zeigt.
(Abb. 1)
Die Überwältigung bzw. Vertreibung des Heliodoros ist aber kein modernes Münzmotiv, sondern im Gegenteil eines, das auf ein von Raffaello Sanzio (1483-1520) geschaffenes Fresko aus dem Jahre 1511 zurückgeht, das der Künstler im Auftrag von Papst Julius II. (1503-1513) für die päpstlichen Gemächer schuf. (Abb. 2)
Allerdings stellt das Münzmotiv nur ein Detail des Gesamtfreskos „Die Vertreibung des Heliodor“ dar. Sieht man sich nämlich das Fresko in seiner Gesamtheit an, so erkennt man darauf das Innere des jüdischen Tempels, in dem im Hintergrund der kniende Hohepriester betet, im Vordergrund links Papst Julius II., der Auftraggeber des Freskos, in einer Sänfte thront und im Vordergrund rechts die Überwältigung bzw. Vertreibung des Heliodoros stattfindet. „Indem Raffael den Papst auf einer Sänfte in die Szene tragen lässt, betont er die Aktualität der Szene und leitet den Zyklus der vier Wände ein, … [Papst] Julius … ist Zeuge der Rettung des Onias [des jüdischen Hohepriesters], die er für sich selbst erhofft, ja kraft seiner Person für gewiss erachtet. Raffael selbst trägt gemeinsam mit einem weiteren Kurialen und zwei einfacher Gekleideten die Sänfte, …“ (Christoph Luitpold Frommel, Raffael, Die Stanzen im Vatikan, Stuttgart 2017, S. 43).
Thematisch lehnt sich das Fresko an das apokryphe 2. Buch der Makkabäer an, in dem in 3.4ff. berichtet wird, wie Heliodoros, der Kanzler des Seleukidenkönigs Seleukos IV., nach Jerusalem gekommen war, um den Tempelschatz für seinen König zu beschlagnahmen. Seleukos IV. war nämlich durch eine Falschaussage des Tempelvorstehers Simeon, mitgeteilt worden, dass der Tempelschatz „voll von unvorstellbaren Reichtümern [sei]“ (2 Makk. 3.6) und der jüdische Hohepriester Onias damit sehr viel mehr Schätze besäße, als er für den Opferdienst bräuchte, den König Seleukos aus seinen Einkünften bezahlte. Zwar beteurte der Hohepriester Onias, dass es sich bei dem Schatz „um hinterlegtes Gut von Witwen und Waisen [handle] und ein Teil gehöre auch Hyrkanus, … einem sehr einflussreichen Mann“ (2 Makk. 3.10f.), allein Heliodoros bestand auf der Beschlagnahmung des Tempelschatzes, gemäß seinem königlichen Befehl.
Doch als er mit seiner Leibwache an der Schatzkammer erschien, da ereilte sie eine gewaltige Erscheinung. „Denn es erschien ihnen ein Pferd mit einem schrecklichen Reiter darauf; das Pferd … stürmte wild auf Heliodor ein und traf ihn heftig mit den Vorderhufen. Sein Reiter aber trug eine goldene Rüstung. Noch zwei andere junge Männer erschienen, voll gewaltiger Kraft, … Sie traten auf Heliodor zu und peitschten von beiden Seiten auf ihn ein; pausenlos schlugen sie ihn mit vielen Hieben. Da stürzte er zu Boden, und es wurde ihm schwarz vor den Augen. … So lag er da, durch Gottes Macht gestürzt, der Sprache beraubt, ohne jede Hoffnung auf Rettung.“ (2 Makk. 3.25ff.). Aus Sorge, der Seleukidenkönig könne den eventuellen Tod des Heliodoros als feigen jüdischen Mordanschlag auslegen, verrichtete der Hohepriester ein Opfer und bat Gott um Heliodors Gesundung. Gott gewährte sie, der seleukidische Kanzler wurde wieder gesund, konvertierte zum Judentum, zog aber bald wieder zurück zu seinem König und berichtete allen von der Macht des neuen Gottes, der ihn gerettet hatte – soweit das 2. Buch der Makkabäer.
Und was sagen die historischen Quellen zu Heliodoros und seinem König Seleukos IV.? Nun, aus diesen erfahren wir, dass Heliodoros der Sohn des Aischylos aus Antiocheia am Orontes war, der nach einer gemeinsamen Erziehung mit Seleukos IV. als dessen Höfling und Kanzler fungierte (187-175 v. Chr.). Die Finanznot, die das Seleukidenreich nach der Niederlage von Antiochos III. gegen die Römer (190/188 v. Chr.) ereilt hatte, sowie innerjüdische Intrigen in Jerusalem, hatten Seleukos IV. dazu bewogen, seinen Kanzler Heliodoros nach Jerusalem zu entsenden und den jüdischen Tempelschatz zu beschlagnahmen. Obgleich die Quellen nichts von einer anschließenden Überwältigung des Heliodoros im Tempel erwähnen und auch seine Bekehrung zum Judentum nicht thematisiert wird, so verschweigen sie nicht, dass Heliodoros bei der Eintreibung des besagten Tempelschatzes auf Opposition stieß und bald darauf nach Antiocheia zurückkehrte.
In Antiocheia tötete der Kanzler allerdings seinen König (175 v. Chr.) und übernahm die Vormundschaft über dessen Sohn Antiochos. Doch schon wenig später wurde er vom neuen König Antiochos IV., dem Bruder des ermordeten Königs, und dessen Helfern aus Pergamon, Eumenes II. und Attalos II., aus der Macht gedrängt und hingerichtet.
Anders als Heliodoros, der uns bis heute nur in Raffaels Fresko oder ähnlich gestalteten Kirchenfenstern begegnet, finden wir Seleukos IV. auf den Vorderseiten seiner Tetradrachmen und Drachmen. (Abb. 3)
Der vorderseitig diademierte Porträtkopf Seleukos´ IV. ist rückseitig mit dem nackt auf dem Omphalos sitzenden Gott Apollon gekoppelt, der einen Pfeil begutachtet und sich mit seiner Linken dabei auf einen Bogen stützt. Die Münzlegende lautet auf: BASILEOS / SELEUKOU ([Münze] des Königs Seleukos).
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