Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum es in der frühen Neuzeit so viele Großgoldmünzen im Gewicht von mehreren Dukaten gab? Wir zeigen es Ihnen anhand von spektakulären Beispielen aus der kommenden Auktion von Numismatica Genevensis.
Gerne vergessen wir, dass Münzen in der frühen Neuzeit nicht so genutzt wurden, wie wir das heute machen. Sind sie für uns entweder Zahlungsmittel oder Souvenir, dienten sie damals unter anderem auch als Gabe. Mit diesem Begriff umschreibt die Soziologie ein Phänomen, das zwischen rituellem Tauschobjekt, Entlohnung, Trinkgeld, Bestechung, Reiseaufwandskostenentschädigung und Propagandamedium changierte. Zu theoretisch? Wir werden uns das gleich an praktischen Beispielen ansehen, und zwar anhand der spektakulären Großgoldmünzen, die Numismatica Genevensis im Rahmen der Auktionen vom 15. und 16. November 2021 anbietet.
Justo zu 600 Reais, o. J. (1489-1495), Portugal., João II., Münzstätte Lissabon (Au, Ø 31,0 mm), NGC MS63, vorzüglich, Taxe: 150.000,- CHF. [Bildquelle: Numismatica Genevensis, 14. Auktion (15. und 16. November 2021), Los 377].
Woher kam das Gold?
Stellen wir uns zuerst eine wichtige Frage: Woher kam eigentlich das Gold für diese Prägungen? Denn während aus der römischen Antike eine reiche Auswahl von Medaillons überliefert sind, verschwanden sie mit dem Ende der Völkerwanderungszeit zunächst völlig aus dem mitteleuropäischen Raum. Der Grund dafür war der Verlust des Zugangs zu den reichen Goldminen von Afrika durch die Ausdehnung des Islam. Ihre Herstellung setzte erst wieder ein, als im Laufe der frühen Neuzeit erneut genügend Gold verfügbar war. Zum führenden Goldimporteur entwickelte sich Portugal, das seine Entdeckungsfahrten rund um Afrika nicht nur aus wissenschaftlicher Neugier, sondern vordergründig aus Gewinnstreben durchgeführt hatte. 1482 gründeten die Portugiesen das Handelsemporium São Jorge da Mina an der Goldküste im heutigen Ghana. Damit verdoppelten sich die Einkünfte der Krone auf einen Schlag. Portugal konnte sich nun über einen ständigen Nachschub von Gold freuen, der zunächst die Währung des eigenen Landes nachhaltig beeinflusste. João II. gestaltete das portugiesische Münzsystem neu. Er führte zusätzlich zum Cruzado den Justo zu 600 Reais ein, wie ihn Numismatica Genevensis in Auktion 14 anbieten kann. Der Justo hatte den doppelten Wert des bisherigen Cruzado. Und das war nur ein erster Schritt. 1499 schuf Manuel I. den goldenen Portuguez. Der wurde von den Handelspartnern Portugals nicht nur importiert, sondern auch imitiert: Mit eigenen Portugalösern. Doch die erwiesen sich für den Handel als nicht brauchbar. Große Summen bezahlte man lieber mit dem risikolos zu transportierenden Wechsel. Aber als Sparguthaben und vor allem im diplomatischen Verkehr wurden die großen Goldmünzen ein riesiger Erfolg.
12 Dukaten, 1687, Salzburg, Johann Ernst (Au, Ø 45,8 mm), vorzüglich, Taxe: 40.000,- CHF. [Bildquelle: Numismatica Genevensis, 14. Auktion (15. und 16. November 2021), Los 225].
6 Dukaten, 1687, Salzburg, Johann Ernst (Au, Ø 37,0 mm), NGC UNC DET, Taxe: 15.000,- CHF. [Bildquelle: Numismatica Genevensis, 14. Auktion (15. und 16. November 2021), Los 226].
Großgoldmünzen im Rahmen von großen Feiern
Sehen wir uns den typischen Fall einer Prägung von schweren Goldmünzen an: Im Jahr 1687 gab Johann Ernst von Thun und Hohenstein Goldmünzen in verschiedenen Gewichten heraus. Zwei Versionen dieser Emission kann Numismatica Genevensis in seiner Auktion anbieten: Eines im Gewicht von 6 und eines im Gewicht von 12 Dukaten. Der Grund der Prägung lässt sich leicht erraten, wenn man weiß, dass jeder Amtsantritt eines Bischofs mit einem großen Fest zelebriert wurde. Am 30. Juni 1687 wurde Johann Ernst von Thun und Hohenstein zum 58. Erzbischof des reichen Salzburg gewählt. Noch im gleichen Jahr, nämlich am 24. November 1687, bestätigte ihn der Papst in seinem Amt. Spätestens dann fand seine feierliche Amtseinführung mit großem Gottesdienst und anschließenden Festlichkeiten statt. Dazu schickten alle, die mit dem Bischof im diplomatischen Kontakt standen, ihre Vertreter. Sie wurden offiziell vom Bischof empfangen. Integraler Bestandteil dieser Zeremonie war der Austausch von Geschenken. Welchen Wert ein Geschenk hatte, war genauen Regeln unterworfen: Sein Wert richtete sich in erster Linie nach dem Rang des Empfängers; je höher, umso größer. Dann wurde in die Überlegungen einbezogen, was der andere geschenkt hatte. Denn höherer Rang drückte sich auch darin aus, das größere Geschenk zu übergeben. Schließlich war es auch eine Frage der politischen Unterstützung. Wer hatte dem Bischof bei der Wahl seine Stimme gegeben, auf wessen Unterstützung würde er in Zukunft angewiesen sein? Auch solche Dienste wurden in den Wert eines Geschenks einkalkuliert.
Es war also ein diplomatisches Meisterstück, jedem die angemessene Gabe zu überreichen. Um dafür genau das passende Geschenk parat zu haben, bevorzugte man in der frühen Neuzeit für diesen Zweck Münzen in verschiedenen Metallen und Gewichten. Sie ließen sich genau abstufen und ihr Wert war exakt taxierbar.
10 Dukaten, 1709, Salzburg, Franz Anton von Harrach (Au, Ø 46,0 mm), NGC MS62+, Taxe: 125.000,- CHF. [Bildquelle: Numismatica Genevensis, 14. Auktion (15. und 16. November 2021), Los 227].
Wie gesagt, jeder neue Bischof feierte seine Amtsübernahme, und diejenigen, die es sich leisten konnten, ließen aus diesem Anlass eine besondere Emission prägen, die als zeremonielles Geschenk diente. Das tat auch der Nachfolger von Johann Ernst, Franz Anton von Harrach. Er war am 19. Oktober 1705 zum Koadjutor des Erzbischofs und damit zu dessen Nachfolger gewählt worden. Am 27. Mai 1709 erfolgte die Bestätigung durch den Papst, und so konnte auch Franz Anton von Harrach seine große Feier zu seinem Amtsantritt begehen, bei der er den Besuchern Großgoldmünzen verehrte.
25 Dukaten, 1594, Salzburg, Wolf Dietrich von Raitenau (Au, Ø 41,8 mm), vorzüglich, Taxe: 250.000 CHF. [Bildquelle: Numismatica Genevensis, 14. Auktion (15. und 16. November 2021), Los 222].
Großgoldmünzen als Trinkgeld und als Mittel der Propaganda
Wolf Dietrich von Raitenau hatte sein Amt bereits 1587 angetreten. Seine „Turmprägungen“ aus dem Jahr 1594 wurden also nicht als Geschenke für die anreisenden Gratulanten geprägt. Sie hatten einen ganz anderen Zweck. Man hat die namensgebende Abbildung der „Turmprägungen“ schon längst mit dem Langen Türkenkrieg in Verbindung gebracht, der zwischen 1593 und 1609 auch die Reichsstände in Atem hielt. Man wollte den sturmumtosten Turm im Gewitterhagel und die lateinische Inschrift „Auf Gott hoffend werde ich nicht schwanken“ als Inbegriff des christlichen Sieges über die Türken interpretieren, allerdings widerspricht diese Interpretation der politischen Agenda des Wolf Dietrich von Raitenau im Jahr 1594. Der war während des Reichstages von 1594 nämlich der lautstärkste Gegner des Habsburger Herrschers. Rudolf II. setzte dort mehr oder minder widerrechtlich durch, dass die Reichsstände Türkensteuern zahlten, um einen Krieg zu finanzieren, der sich nicht auf Reichsgebiet, sondern an den Grenzen der Habsburger Erblande abspielte. Der Salzburger Bischof Wolf Dietrich von Raitenau weigerte sich, diese Zahlungen zu leisten. Dies hätte durchaus zu einem Prozess vor dem Reichskammergericht führen können – wie es das übrigens im Fall der zahlreichen protestantischen Steuerverweigerer tat. Doch Wolf Dietrich war ein geschickter Diplomat. Er hatte bereits 1593 eine kleine Truppe zur Unterstützung des kaiserlichen Heeres geschickt, die zwar nicht in Kämpfe verstrickt wurde, dafür aber den Anschein gewahrt hatte. Wolf Dietrich konnte sagen, er habe dem Kaiser freiwillig(!) Hilfstruppen gesandt, der Kaiser konnte auf eine peinliche Anklage des Salzburger Bischofs vor dem Reichsgericht verzichten, weil der irgendwie ja doch einen Beitrag geleistet hatte.
Die Turmprägungen, die wir sowohl in Gold als auch in Silber sowie in den verschiedensten Gewichten kennen, dienten zunächst als Draufgabe bei den Soldzahlungen an die Salzburger Türkenkämpfer, je nach Stand im angemessenen Wert. Es war damals durchaus üblich, dass ein zufriedener Fürst zusätzlich zum ausgemachten Lohn ein Ehrengeschenk überreichte.
Darüber hinaus dürfen wir davon ausgehen, dass hochwertigere Exemplare den Meinungsmachern des Reichstages von 1594 als diplomatische Geschenke zugingen. Sie unterstrichen die Position des Salzburger Bischofs, dass ihn kein Türkenkrieg dazu bringen werde, das Reichsrecht zu beugen. Er war mit seiner Ansicht übrigens in der Minderheit. Die Mehrheit war bereit, sich dem Kaiser zu fügen, auch wenn dieser 1598 und 1603 erneut Reichstage einberief, um noch höhere Türkensteuern einzusammeln. Insgesamt genehmigten die Reichsstände fast 29 Mio. Gulden, um die Habsburger Kriege zu finanzieren. Die protestantischen und vor allem die kalvinistischen Fürsten weigerten sich lange, ihre Beiträge zu bezahlen. An ihrer Seite argumentierte der Salzburger Bischof. Eine ungewöhnliche Kombination, die erkennen lässt, warum es Maximilian von Bayern, dem engsten Verbündeten der Habsburger im Dreißigjähriger Krieg, so problemlos gelang, den kaiserkritischen Fürstbischof im Jahr 1611 abzusetzen.
Goldmedaille im Gewicht von 5 Dukaten, von J. Stampfer, Zürich (Au, Ø 41,3 mm), vorzüglich, Taxe: 40.000,- CHF. [Bildquelle: Numismatica Genevensis, 14. Auktion (15. und 16. November 2021), Los 387].
Gedenkprägungen als diplomatische Geschenke
Auch in der Schweiz kannte man die Sitte, schwere Münzen aus Gold und Silber im Rahmen von diplomatischen Ereignissen zu übergeben. So überliefert uns Philipp Anton von Segesser in seiner Biographie des Ludwig Pfyffer, dass 1582 der französische Gesandte den Delegierten der Drei Bünde nach der Unterzeichnung des Soldvertrags schwere Goldketten überreichte, an denen ein Gnadenpfennig hing. Damit zitiert Segesser das älteste Zeugnis für diesen später regelmäßig geübten Brauch. Aus dem Fehlen früherer Quellen hat man schließen wollen, dass es ihn vorher nicht gab. Aber könnte es nicht andersherum sein? Könnte dieser Brauch nicht bereits existiert haben, ohne dass er in den Quellen Erwähnung fand? Es gäbe Prägung und Anlass, die in diesen Zusammenhang passen würden.
Gehen wir zurück ins Jahr 1547: Am 31. März starb Franz I. von Frankreich. Damit musste der französische Soldvertrag mit den Eidgenossen neu ausgehandelt werden, da er exakt drei Jahre nach dem Tod des unterzeichnenden Königs ablief. Sein Nachfolger Heinrich II. nutzte die Geburt seiner Tochter Claudia am 12. November 1547, um Kontakt mit der Tagsatzung aufzunehmen. Er bat die Eidgenossen, Paten zu werden. Die zeigten ihr Interesse am freundschaftlichen Kontakt mit Frankreich, indem sie drei Abgesandte zur Taufe schickten. Im Gepäck hatten sie ein Geschenk, das Johann Jakob Stampfer im Auftrag der Tagsatzung angefertigt hatte: Einen schwergewichtigen Patenpfennig im Wert von 300 Kronen Rechnungswährung. Der zeigte auf der einen Seite die Wappen der 13 Orte, auf der anderen die der sieben zugewandten Orte. Zwei Jahre später reisten die Abgesandten der Tagsatzung wieder nach Paris. Sie unterzeichneten dort am 7. Juni 1549 den neuen Soldvertrag mit Heinrich II. Etwa gleichzeitig schuf Johann Jakob Stampfer den sogenannten Bundestaler, der genau wie die eben erwähnte Medaille die Wappen der Eidgenossen und der Zugewandten Orte zeigt, diesmal aber zusammen auf einer Seite. Die andere Seite ist für den Rütlischwur reserviert. Über den Grund, warum Stampfer diese Prägung anfertigte, wissen wir nichts. Hatte Stampfer keinen Auftraggeber, und verkaufte er diese Medaille privat an seine Zeitgenossen? Das ist wenig wahrscheinlich. Vor allem wenn wir überlegen, welch wunderbares Motiv der Eid der Urschweizer gewesen wäre, um den Bund mit Frankreich zu feiern. Es wäre also durchaus möglich, dass auch dieses Objekt als diplomatisches Geschenk diente, und dass die silbernen und kleineren Goldversionen, die uns erhalten geblieben sind, all denen übergeben wurden, die an der Gesandtschaft teilgenommen hatten. Ein echtes Argument dafür wäre die Tatsache, dass im königlichen Münzkabinett von Frankreich – wie uns Gottlieb Emanuel Haller in seinem 1780 publizierten Werk „Schweizerisches Münz- und Medaillenkabinett“ überliefert – eine goldene Version im Gewicht von über 60 Gramm existierte. Haller schreibt: „Die Münze ist in Thalers Größe und kommt fast aller Orten vor. [...] In Gold 2 Unzen, 1/2 Gros und 18 Grains schwer im königlichen Münzkabinett zu Paris und im Escherischen Kabinett zu Zürich.“
Eindeutig beweisen, dass der Bundestaler bei der Unterzeichnung des Soldvertrags als diplomatisches Geschenk diente, können wir (noch) nicht. Die Quellen sind nicht vollständig ausgeschöpft. Vieles bleibt zu entdecken, wenn es um die Numismatik der frühen Neuzeit geht.
Das Wissen um die Rolle der Münzen als diplomatische Geschenke ging im Laufe der Zeit verloren, und zwar in einem solchen Grad, dass der sächsische Numismatiker Wilhelm Ernst Tentzel in seinen „Monatlichen Unterredungen einiger guter Freunde“ aus dem Jahr 1689 auf S. 439 bis 442 im Ernst darüber nachdenken musste, ob Wilhelm Tell und die auf dem Bundestaler abgebildeten Werner Stauffacher und Arnold von Melchtal diese Prägung selbst in Auftrag gegeben haben könnten.
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