Mit den diversen Prägungen anlässlich der Schützenfeste in der Schweiz hat es eine ganz besondere Bewandtnis. Das erste Eidgenössische Schützenfest fand im Juni 1824 in Aarau statt und führte zur Gründung des Schweizerischen Schützenvereins. Laut Statut war der Verein nicht nur zum Wettstreit der Schießkünste angetreten.
Abb. 1: Die schweizerischen Sieger im internationalen Gewehrmatch auf dem Eidgenössisches Schützenfest von Zürich am 18. Juli 1907 [Wikimedia, Krenn]
Anlässlich einer solchen Gelegenheit war vielmehr „ein Band mehr zu ziehen, um die Eintracht der Eidgenossen, die Kraft des Vaterlandes durch Eintracht und nähere Verbindung zu mehren und nach eines jeglichen Vermögen gleichzeitig zur Förderung und Vervollkommnung der schönen und zu Verteidigung der Eidgenossenschaft höchst wichtigen Kunst des Scharfschießens beizutragen“[1]. Der Bedeutung des Anliegens entsprechend, wurden schon bald münzartige Medaillen ausgegeben. Als frühestes Beispiel einer langjährigen Tradition gilt das mit kunstvoller Heraldik verzierte Vier-Franken-Stück zum Eidgenössischen Freischießen von 1842 in Chur: „Schützenmedaillen sind stilistisch hochwertig geprägt und gehören zum Feinsten, was die Schweizer Medaillen-Prägekunst hervorgebracht hat.“[2]
Abb. 2: 5 Franken „Eidgenössisches Schützenfest von Lugano 1883“. 900er Silber, 25,0 g, 37 mm
[CoinsHome, 5 Franc 1883 Switzerland Silver]
Abb. 3: 100 Franken „Eidgenössisches Schützenfest von Fribourg 1934“. 900er Gold, 25,9 g, 31 mm
[Sincona AG, Auktion 43/4544]
Ab 1855 kamen die Medaillen dann regelmäßig zu einem Nennwert von fünf Franken heraus. Von solchen in immer größeren Auflagen ausgebrachten Erinnerungsstücken zu unterscheiden sind die Schützenjetons: „Die Teilnehmer des Schützenfestes konnten die Munition nicht direkt beim Munitionswart erwerben. Sie mussten dazu beim zuständigen Kassier eines jeweiligen Schützenfestes die genaue Anzahl Schüsse kaufen. Als Beleg für die Bezahlung wurde ihnen ein Jeton gegeben, gegen welchen dann der Schütze beim Munitionswart die Munition ausgehändigt bekam. Die Jetons waren oft nicht datiert. Dies ermöglichte es dem jeweiligen Schützenverein, die Jetons an mehreren verschiedenen Festanlässen wieder zu verwenden, ohne jedesmal neue anfertigen zu müssen.“[3] Die relativ einfachen Prägungen oder Drucke werden aber nur selten gesammelt.
Abb. 4: Schützenjeton o.J. (19. Jh.) der Feuer-Schützen-Gesellschaft, Basel [Sincona AG, Auktion 43/4564]
Bleibt die Frage, ob die vielen Schützentaler mit einer Wertangabe eher als Münzen oder Medaillen zu werten sind. In der Katalogliteratur finden sich widersprüchliche Angaben dazu. In einer älteren Ausgabe des Weltmünzkatalogs heißt es über die Prägungen anlässlich der Eidgenössischen Schützenfeste: „Diese Münzen müssen nicht als Medaillen, sondern vielmehr als Gedenkmünzen angesehen werden, denn sie weisen die gleichen Merkmale an Gewicht, Feinheit und Durchmesser wie die gleichzeitigen Münzen auf.“[4] Selbst die späten Goldstücke zum Nennwert zu 100 Franken aus dem 20. Jahrhundert mit beschränkter Gültigkeit werden vielfach als Münzen ausgewiesen [5].
Rein rechtlich muss jedoch wohl der Eidgenössischen Münzstätte Swissmint gefolgt werden: „Die in den Jahren 1850–1885 im Auftrag der jeweiligen Veranstalter von der Eidgenössischen Münzstätte geprägten so genannten Schützentaler aus Silber stellten trotz des angegebenen Nennwerts von 5 Fr. kein gesetzliches Zahlungsmittel dar. Sie wurden daher von der Eidgenössischen Staatskasse (auf Weisung der Eidgenössischen Finanzverwaltung) nicht als Geld akzeptiert [6].
Da die Schützentaler in Abmessungen, Gewicht und Zusammensetzung dem Fünf-Franken-Stück entsprachen – d. h. nach Definition des Münzgesetzes vollwertig ausgeprägt waren –, wurden sie von der Bevölkerung dennoch als Geld eingesetzt, ohne dass der Bund dagegen eingeschritten wäre, was auch zu Beschwerden seitens der Bündnispartner der Lateinischen Münzunion führte. Außerdem wurden durch die Organisationskomitees der Schützenfeste von Fribourg und Lugano mehr Schützentaler bestellt, als sie benötigten. Den Rest setzten sie zur Begleichung ihrer Lieferantenrechnungen ein, was dank des tiefen Silberpreises ein gutes Geschäft war. Die Staatskasse war jedoch nicht bereit, diese Konkurrenzierung des offiziellen Geldes zuzulassen. Nach 1885 wurden daher vorerst keine Schützentaler mehr mit Kurswert geprägt, sondern nur noch Schützenmedaillen (ohne Wertangabe). Da die Schützentaler kein offizielles Zahlungsmittel waren, sind sie auch nicht in der Prägeliste der Swissmint aufgeführt. „Nach 1934 wurden dann erneut Schützentaler mit befristetem Kurswert ausgegeben, die am Schützenfest zum Nennwert eingelöst werden konnten. Den früheren Status eines weitergehenden, wenn auch inoffiziellen Zahlungsmittels, haben sie nicht mehr erreicht.“ [7]
Abb. 5: Schützenmedaille „Eidgenössisches Schützenfest Chur 1949“. 900er Gold, 27,0 g, 33 mm
[Wannenes Coins & Medals, Web-only, 07.–19.10.2021, Lot 277]
Abb. 6: 1000 Franken „Eidgenössisches Schützenfest Winterthur 1990“. 900er Gold, 23,4 g, 31 mm
[Numista, Fritz Rudolf Künker GmbH & Co KG sowie Lübke & Wiedemann KG]
An der stilistischen Gestaltung dieser Medaillen lässt sich über die Jahrzehnte hinweg ein Wandel in der Bildsprache vom Spätklassizismus über den Jugendstil bis zur Moderne verfolgen. Das eingangs abgebildete Fünf-Franken-Stück zum Schützenfest von 1883 in Lugano (Abb.2) vereint sogar die Tradition mit dem den Einzug technischer Neuerungen in der Schweiz. Die Vorderseite zeigt eine Ansicht des Luganer Sees, davor Wappenschilde der Stadt Lugano, mit Federhut bedeckt, vor zwei Fahnen und zwei Gewehren. Auf der Rückseite sind Helvetia und ein Wassergott mit Steuerruder abgebildet, die auf einem untertunnelten Felsen mit einer dampfenden Lokomotive sitzen. Die lateinische Umschrift bedeutet: Waffenlose Freiheit ist der Tyrannen leichte Beute.
Das goldene 100-Franken-Stück zum Eidgenössischen Schützenfest von 1934 in Fribourg (Abb. 3) gilt als eine der letzten Medaillen im traditionellen Stil. In einer Auflage von nur 2022 Exemplaren geprägt, ist ein Exemplar heute für deutlich mehr als 2000 Euro zu haben.
Preiswerter ist das moderne 100-Franken-Stück des renommierten Schweizer Bildhauers und Medailleurs Emil Wiederkehr, das zum Eidgenössischen Schützenfest von 1939 in Lugano mit einer Auflage von 6000 Exemplaren herauskam. Derselbe Künstler gestaltete auch die erste Schützenmedaille der Nachkriegszeit, erschienen anlässlich des Eidgenössischen Schützenfestes von 1949 in Chur (Abb. 5).
Die Tradition der Schützenmedaillen wird seitdem mit Stücken in kleinen Auflagen fortgesetzt. Inzwischen sind die Medaillen sogar wieder mit einem Nennwert versehen. Als Beispiel hierfür kann die Palladium-Medaille anlässlich des Wilhelm-Tell-Schießens von 1990 in Altdorf mit der Randschrift „Gut für 50 Franken am Schützenfest“ gelten. Zum Eidgenössischen Schützenfest in Winterthur von 1990 erschien ebenfalls eine Schützenmedaille mit Nennwert (Abb. 6). Die Randschrift hier: „Gut für 1000 Franken am Schützenfest“.
Im neuen Jahrtausend steht in der Regel ein Nennwert von 500 Franken auf der Rückseite der Medaillen, ergänzt von einer zweisprachigen Umschrift: „Einlösbar am Schützenfest“.
Anmerkungen
Jürg Richter: Die Schützentaler und Schützenmedaillen der Schweiz. Regenstauf 2005, S. 19.
Jürg Richter, Keh Wee Wang und Marcel Häberling: Leitfaden für das Sammeln von Schweizer Schützenmedaillen. Regenstauf 2020, S. 2.
Jürg Richter: Die Schützenjetons der Schweiz. Regenstauf 2005, S. 6.
Günter Schön, Jean-Francois Cartier: Weltmünzkatalog – 19. Jahrhundert. Augsburg 1990, S. 1072.
Hans Schlumberger: Goldmünzen Europas seit 1800. München 1971; Schweizerische Kreditanstalt: Goldmünzen des 19. und 20. Jahrhunderts. Zürich 1980.
Vgl. Revue Suisse de Numismatique 1894, S. 56.
„Sind Schützentaler mit einer Wertangabe Münzen oder Medaillen?“, auf: www.swissmint.ch/swissmint/de/home/aktuell/faq.html
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