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Schlag ins Wasser – Der Frankfurter Fürstentag von 1863

Die Münzen der Freien und Reichsstadt Frankfurt am Main gehören zu den am besten erforschten Gebieten innerhalb der deutschen Münz- und Geldgeschichte. Das Buch von Paul Joseph und Eduard Fellner „Die Münzen von Frankfurt am Main nebst einer münzgeschichtlichen Einleitung und mehreren Anhängen“ erschien 1896. Es wurde später nachgedruckt und ist Sammlern und Forschern als Referenz- und Zitierwerk bestens bekannt. Für Otto von Bismarck, seit 1862 preußischer Ministerpräsident und Außenministe sowie ab 1871 deutscher Reichskanzler, gab es Gründe, Frankfurt am Main, neben Berlin und Wien quasi die dritte Hauptstadt des 1815 gegründeten Deutschen Bundes, zu grollen. In der Freien Stadt als preußischer Gesandter beim Deutschen Bund tätig, dem Zusammenschluss zahlreicher Fürstentümer und Freier Städte, hatte er nach eigenen Worten wenig erfreuliche Begegnungen mit Abgeordneten der 1848/49 in der Paulskirche tagenden Nationalversammlung.


Weil der König von Preußen 1863 dem Treffen in Frankfurt am Main fern geblieben war, wurde sein Wert nicht besonders hoch eingestuft. Hier die Teilnehmer vor dem Palais Thurn und Taxis in Frankfurt. Bildquelle: Von Joseph Albert - „Die Teilnehmer des Deutschen Fürstenkongresses in Frankfurt, 1863“, wikimedia commons.


1863 wurde in Frankfurt am Main ein Fürstentag abgehalten, in dem der österreichische Kaiser Franz Joseph, mehrere Könige und andere gekrönte Häupter über die Reformierung des Deutschen Bundes sprachen. Es ging vor allem um den Kampf  gegen die „Revolution“, wie Bismarck in seinem Buch „Gedanken und Erinnerungen“ schrieb, den Fortbestand der feudalen Ordnung und wer im Deutschen Bund  den Ton angeben soll - Österreich oder Preußen. Otto von Bismarck sah für sein Land eine antipreußische Allianz voraus und veranlasste nur mit Mühe und der Drohung seines Rücktritt den preußischen König Wilhelm I., dieser proösterreichischen und damit antipreußischen Versammlung fernzubleiben.

Der Gedenktaler von 1863 zeigt den Frankfurter Römer mit dem Justizia-Brunnen und Kaiser Franz Joseph, der mit der Kalesche vorfährt, um am Fürstentag teilzunehmen. AKS 45 Bildquelle: Fritz Rudolf Künker GmbH & Co. KG - eLive Auction 82, Lot 5645.


Die ihm von König Johann von Sachsen überbrachte Einladung zum Fürstentag hat Wilhelm I. erst nach heftigen Auseinandersetzung abschlägig beschieden. Er begründete seinen Entschluss mit Krankheit und schrieb Johann von Sachsen:

„Wenn ich nach harten Kämpfen aber bei meinem früheren Entschluss bleiben muss und Eurer Arbeit Vorlage abwarte, ohne mich an der Vorberathung zu betheiligen, so bin ich nur nach meines Gewissens Eingabe verfahren. Gott segne dich.“

Ungeachtet vieler schöner Reden und Bilder war der Fürstentag von 1863 ein Schlag ins Wasser, und er verschärfte die Spannungen im Deutschen Bund. Da Preußen der Versammlung ferngeblieben war, wagten die anderen Teilnehmer nicht, die von Österreich vorgelegte Reformakte anzunehmen.


Das bei Kaiserwahlen und Krönungen für fürstliche Treffen und Bankette genutzte Rathaus wurde im Zweiten Weltkrieg bei einem Luftangriff fast vollständig zerstört. Hinter der historischen Fassade verbirgt sich ein Bürohaus im Stil der frühen 1950er Jahre. Bildquelle: Mylius, wikimedia commons.


Die Kalesche Kaiser Franz Josephs fährt auf dem Gedenktaler vor dem Römer vor, dem Ort, in dem bis zum Ende des Römisch-deutschen Reiches 1806 die Bankette nach den Kaiserwahlen stattgefunden hatten. Auch diesen Affront mag Bismarck im Sinn gehabt haben, als es 1866 im Deutschen Krieg zwischen Preußen und Österreich und ihrer jeweiligen Verbündeten auch für Frankfurt am Main um Sein oder Nichtsein ging. Wie Hannover, Kurhessen, Nassau, Sachsen, Bayern, Baden und Württemberg hatte sich auch Frankfurt auf österreichische Seite geschlagen. Zwar verhielt sich die Mainmetropole in dem Waffengang neutral, was aber als antipreußischer Akt ausgelegt und geahndet wurde.


Die Eröffnung der Frankfurter  Münze war 1840 die Prägung eines schmucklosen Doppeltalers wert. AKS 36. Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18204486.


Während Bismarck nach dem von Preußen gewonnenen Krieg gegenüber Sachsen, Bayern, Baden und Württemberg Augenmaß und Vorsicht walten ließ, weil er sie als künftige Verbündete im Kampf gegen Österreich beziehungsweise Frankreich oder gegen beide Länder zusammen brauchte, rechneten er und König Wilhelm I. mit Hannover, Kurhessen und Nassau sowie Frankfurt gnadenlos ab. Diese Mitglieder des Deutschen Bundes wurden kurzerhand annektiert. Johann von Sachsen behielt seine Krone, musste aber an das siegreiche Preußen eine hohe Entschädigung zahlen.


Am 18. Juni 1866 besetzt, sollte Frankfurt innerhalb eines Tages 25 Millionen Gulden Kriegskontributionen an Preußen zahlen. Die Stadt war dazu weder bereit noch in der Lage. Bürgermeister Carl Constanz Victor Fellner, der lange für die Finanzen der Stadt und daher auch für die Münzprägung zuständig war, war kein grundsätzlicher Gegner eines Anschlusses seiner Stadt an Preußen in friedlichen Bahnen. Seine Vermittlungsversuche mit den dreist auftretenden Preußen scheiterten. Unerbittlich verlangten sie die Kontributionen. Fellner war bereit zu zahlen, um der Stadt eine Beschießung zu ersparen, suchte aber bei den Besatzern um Zahlung in Raten nach. Das wurde ihm als Insubordination ausgelegt. Zwischen der eigenen Bevölkerung und der preußischen Übermacht stehend, hielt Fellner offenbar dem Druck nicht stand und erhängte sich am 24. Juli 1866, seinem 59. Geburtstag.


Als der Bürgermeister zwei Tage später auf preußische Weisung in aller Herrgottsfrühe auf dem Frankfurter Hauptfriedhof bestattet wurde, gaben ihm über sechstausend Bürger das letzte Geleit. Bei der Trauerfeier überreichte Fellners Schwager, Friedrich Kugler, dem neuen preußischen Landrat demonstrativ den Strick, mit dem sich Fellner erhängt hatte, und eine leere Liste, die eigentlich die Namen der Geldgeber und die an Preußen zu entrichtenden Summen enthalten sollte. Das wurde als ungeheuerlicher Affront aufgefasst, aber die Wogen glätteten sich bald.


Die Freie Stadt ist auf Talern des 19. Jahrhunderts mit der Francofurtia und dem einköpfigen Stadtadler vertreten. AKS 8. Bildquelle: Leipziger Münzhandlung und Auktion Heidrun Höhn - Auction 100, Lot 1767.


Ihren Frieden mit den neuen Herren machten die Bediensteten der Frankfurter Münze, die von 1866 bis 1879 mit dem Buchstaben C (nach Berlin A und Hannover B) zeichnete. Nach der Reichseinigung hatten sie alle Hände voll zu tun, die außer Kurs gesetzten und in großen Mengen eingelieferten Münzen einzuschmelzen und in das neue Reichsgeld umzuprägen. Dazu stand ihnen an der Münzgasse eine modern eingerichtete Fabrik zur Verfügung, die erst 30 Jahrzehnte zuvor erbaut worden war. Allerdings hatten sie an ihrer Arbeit nicht lange Freude, denn bereits 1879 wurde die von Carl Conrad geleitete Münzstätte geschlossen und danach abgerissen.


Die Frankfurter Münzstätte verfügte Mitte des 19. Jahrhunderts nach dem Verkauf alter, ausgedienter und dem Ankauf neuer Geräte über damals modernste Technik. Deren Zusammensetzung hat der Frankfurter Archivar Konrad Schneider in einem umfangreichen Beitrag über die Frankfurter Münze von 1428 bis 1866 aufgelistet, der 2007 in der Zeitschrift Scripta Mercaturae erschienen ist.

„Die 50.700 fl [Gulden, H. C.] teure Münze bestand aus einem dreigeschossigen Hauptgebäude im Stil der Neo-Renaissance mit dem Büro sowie dem Probierlaboratorium des Wardeins, der Justierstube, dem Büro des Münzmechanikus mit dem Prägesaal“,

beschreibt Schneider den Neubau der Frankfurter Münze. Im Weiteren führt er aus:

„Das rechte Seitengebäude beherbergte die Schmelze, die Vorrichtungen zum Weißsieden und die Schlosserwerkstatt. Im hinteren Gebäudeteil waren die Strecke mit der Dampfmaschine, eine kleine Schmelze und die mechanische Werkstatt untergebracht. Haupt- und Nebengebäude umgaben einen Innenhof, in dem 1879 ein Kesselhaus für die Dampfmaschine stand.“

Nach der Schließung 1879 wurde das Haus abgebrochen und durch einen Neubau der Ortskrankenkasse besetzt. Nach der Beseitigung der Ruine entstanden auf dem Gelände Wohnhäuser. Lediglich der Name Münzgasse erinnert an den Standort der Frankfurter Geldfabrik.


Auf dem preußischen Doppeltaler von 1867 gibt sich die Frankfurter Münze mit dem Buchstaben C zu erkennen. AKS 96. Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18203690.


Die Frankfurter haben ihren Bürgermeister Fellner wie einen Märtyrer verehrt. Nach ihm benannte man eine Straße im Stadtteil Westend, und auch ein Denkmal auf dem Gelände des ehemaligen Fellnerschen Gartens in der Friedberger Anlage erinnert an ihn. Teile seines Nachlasses befinden sich im Institut für Stadtgeschichte an der Münzgasse. Der bekannte französische Romancier Alexandre Dumas (Vater) hat die dramatischen Vorgänge in Frankfurt vor und nach der Okkupation von 1866 und Fellners Tod in dem Roman „La Terreur Prussienne“ (Der preußische Terror) dargestellt, der erst 2004 auf deutsch in einer Nacherzählung von Clemens Bachmann unter dem Titel „Der Schleier im Main“ erschienen ist und ein vorzügliches, freilich romanhaft ausgemaltes Stimmungsbild enthält. Das Buch erzählt eine tragische Liebesgeschichte im Frankfurt des 19. Jahrhunderts vor dem Hintergrund der preußischen Kriegs- und Eroberungspolitik unter Wilhelm I. und Otto von Bismarck. Die Front quer durch Deutschland macht Freunde zu Feinden und Liebende zu Opfern. Dumas kannte die Stadt am Main gut und schätzte ihre Liberalität.

In rüdem Ton und keinen Widerspruch duldend, forderten die Preußen ultimativ von den Frankfurtern und der Bevölkerung anderer Gebiete unbedingten Gehorsam. Bildquelle: Caspar.


Frankfurt fiel an den neuen Regierungsbezirk Wiesbaden, die ganze Region wurde preußische Provinz Hessen-Nassau mit Kassel als Provinzhauptstadt. König Wilhelm I. und sein Kanzler Bismarck verlegten 1871 die Friedensverhandlungen mit dem besiegten Frankreich nach Frankfurt am Main. Bei der Vertragsunterzeichnung im „Gasthaus zum Schwan“ bemerkte Otto von Bismarck:

„Ich wünsche von Herzen, dass der Friede von Frankfurt auch den Frieden ,für’ Frankfurt und ,mit’ Frankfurt bringen werde.“

Frankreich musste auf die überwiegend deutschsprachigen Gebiete im Elsass und in Lothringen verzichten, die von nun an „Reichsland Elsaß-Lothringen“ hießen und von Preußen verwaltet wurden. Überdies wurde Frankreich zur Zahlung einer Reparation von fünf Milliarden Francs innerhalb von drei Jahren verpflichtet. Das waren 1,333 Milliarden Taler. Bis zum Ende der Zahlungen blieben einige  Departements von deutschen Truppen besetzt. Beide Seiten beschworen „ewige Feindschaft“, aus der sich nach dem Zweiten Weltkrieg die deutsch-französische Freundschaft entwickelt hat.


Helmut Caspar

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