Im Zentrum des ersten Kriminalromans von Cecil Scott Forester von 1926 steht eine risikoreiche Währungsspekulation mit dem französischen Franc. Der notorisch klamme Bankangestellte
Mr. Marble aus einer Londoner Bankfiliale ist der Urheber:
„Die Abteilung der County National Bank, an deren Spitze Mr. Henderson, unterstützt von Mr. Marble, stand, hatte ausschließlich mit Devisen zu tun. Hier wurde tagaus, tagein Geld gekauft und verkauft, Dollars für die Baumwollspinnereien, Francs für die Modewerkstätten, Peseten für die Weinhändler und wieder Dollars, Francs, Peseten und vor allem Reichsmark für Spekulanten jeder Provenienz.“ (1)
Man musste nur zehn Prozent des vorgesehenen Anlagekapitals flüssig haben, um zu investieren. Stieg die Währung um fünf Prozent, auf deren Kursanstieg man gewettet hatte, konnte man satte fünfzig Prozent der bar investierten Anzahlung einstreichen.
Cecil Scott Forester (1899-1966), Bildquelle: Internet Movie Database.
Mr. Marble hatte in einem Brief von seinem Ex-Kollegen Collins aus der Pariser Filiale seiner Bank einen Tipp bekommen:
„Gegen Ende des Schreibens war ein Absatz eingefügt, der nach allen Regeln der Korrespondenz völlig unnötig war.
Für Collinssche Begriffe war er ganz kurz und enthielt lediglich die Feststellung, dass in Zukunft für den französischen Franc größere Festigkeit zu erwarten sei, da man davon spreche, die Regierung habe die Absicht, sich der Sache anzunehmen und gegebenenfalls den Franc sogar an der Londoner Börse zu stützen.“ (2)
Mithilfe eines Strohmannes stieg Mr. Marble groß ein. Sein zehnprozentiger Einsatz lag bei 400 Pfund Sterling. Um den Hebel der Bank verstärkt, investierte er 4.000 Pfund!
Der französischen Franc vollzog nach dem Ersten Weltkrieg eine atemberaubende Berg- und Talfahrt. Die enormen wirtschaftlichen Verluste während des Kriegs hatten die danach nur von ausländischen Krediten gestützte Währung unter Druck gesetzt:
„Nach dem Krieg blieben die öffentlichen Ausgaben weiterhin auf einem sehr hohen Stand, da die Regierung den Kriegsopfern hohe Entschädigungen zahlte und großzügig zum Wiederaufbau beisteuerte, alles in der Annahme, dass der größte Teil dieser Kosten von Deutschland zurückverlangt werden könne.“ (3)
Von den ausgehungerten Deutschen war jedoch keine Kriegsentschädigung herauszupressen wie erhofft:
„Das Ergebnis dieser Entwicklung war schließlich, dass das öffentliche Vertrauen in den Franc nach 1923 stetig abnahm und die Situation durch die Reaktionen der Anleger und Spekulanten noch verschlimmert wurde. Die Erwartung, dass der Franc abgewertet würde, erzeugte eine heftige Spekulation und trieb ihn weit unter den Stand, der nötig gewesen wäre, um die französischen Waren noch konkurrenzfähig zu halten.“ (4)
Ein für jedermann erkennbares Zeichen des finanziellen Niedergangs waren die in den Nachkriegsjahren ausgegebenen Münzen. Anstelle der einstigen Gold- und Silberprägungen gab es Wertmarken:
„Die Aluminium-Bronze-Prägungen von 1921 bis 1929 waren Ersatzprägungen der Handelskammern mit der Aufschrift (z. B.) BON POUR 1 FRANC; erst mit gleichartigen staatlichen Stücken ab 1931 gestand der Staat sozusagen die Geldentwertung ein.“ (5)
Es dauerte mehrere Jahre, bis die Talsohle durchschritten war:
„Erst als der Spekulationsdruck im Juli 1926 die Ausmaße einer Panik annahm, und der Franc seinen Tiefpunkt erreichte, wurden Abwehrmaßnahmen ergriffen. (…) Die rechtsgerichtete Regierung Poincaré vom Juli 1926 stellte das Vertrauen durch eine Reihe strenger Maßnahmen rasch wieder her, zu denen Steuererhöhungen, Kürzungen der Staatsausgaben und die Konsolidierung eines großen Teils der schwebenden Schulden zu einem attraktiven Zinssatz gehörten. Im August gab die Bank von Frankreich einen festen Ankaufkurs für das Pfund Sterling bekannt. Dieses Maßnahmenpaket stellte das Vertrauen in die Finanzen rasch wieder her, und das Fluchtkapital kehrte nach Frankreich zurück. Zum Jahresende wurde die De-Facto-Stabilisierung des Franc bekanntgegeben und im Juni 1928 schloss Frankreich seine Währungsreform mit der Rückkehr zum Goldstandard zum bestehenden Wechselkurs ab, der 20 Prozent des Vorkriegs-Francs entsprach.“ (6)
Zunächst wurde eine Goldkernwährung eingeführt, bei der die Bank von Frankreich ihr Papiergeld von mindestens 215.000 Francs in Goldbarren tauschte. Für einen späteren Zeitpunkt war die Ausgabe von Goldmünzen zu 100 Francs geplant. Ab 1930 erschienen attraktive silberne Scheidemünzen zu10 und 20 Francs.
Der Hauptakteur in dem 1926 erschienenen Kriminalroman von Cecil Scott Forester hatte den richtigen Riecher gehabt. Während der ersten Anzeichen des bevorstehenden Kursanstiegs hatte der verschlagene Bankangestellte Mr. Marble auf den Franc spekuliert. Einem Bekannten vertraute er unter dem Siegel der Verschwiegenheit an:
„Der Franc wird steigen, und jetzt wäre es Zeit zu kaufen.“ (7)
Zunächst sollten mit einem Kredit insgesamt 400 Pfund Sterling investiert werden. Der aus dem Kursanstieg erwirtschaftete Ertrag würde daraufhin erneut eingesetzt. Mr. Marble erklärte seinem Strohmann, dass man aufs Ganze gehen müsse:
„Er gab zu verstehen, dass ein Mann, der seinen Gewinn in Höhe des fünffachen Einsatzes kühn mit dem ursprünglichen Einsatz wieder ins Geschäft steckt, das Fünfunddreißigfache verdienen muss, wenn die betreffende Währung, auf die er spekuliert hat, nur um 100% gestiegen ist.“ (8)
Der Bakannte von Marble bekam leuchtende Augen. Bei einem Kurs von 117 Franc für ein Pfund Sterling vollzog Marble im Namen seines Bekannten die Transkation. Er kaufte und verkaufte mehrfach:
„Bei 75 verkaufte er und investierte noch einmal. Er überging das Mittagessen, blieb den ganzen Tag über im Büro und verkaufte schließlich, als der Franc 65 erreicht hatte, endgültig.“ (9)
Aus 400 Pfund waren in kürzester Zeit stolze 51.000 Pfund geworden - angesichts der damaligen Kaufkraft eine gigantische Summe!
Dietmar Kreutzer
Quellenangaben:
Cecil Scott Forester: Zahlungsaufschub; Berlin 1980, S. 45 f.
Ebenda, S. 48
Derek H. Aldcroft: Geschichte der Weltwirtschaft im 20. Jahrhundert - Die zwanziger Jahre; München 1978, S. 170
Ebenda, S. 171
Herbert Rittmann: Moderne Münzen; München 1974, S. 192
Aldcroft, S. 172f.
Forester, S. 53
Ebenda, S. 54
Ebenda, S. 65
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