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Michael Kurt Sonntag

Ptolemaios V. Epiphanes als Triptolemos

Da Ptolemaios V. Epiphanes (204-180 v. Chr.) beim Tode seines Vaters Ptolemaios IV. Philopator (222/21-204 v. Chr.) erst 5 Jahre alt war, stand er bis zu seiner feierlichen Proklamation als König (bis zu seiner „Anakleteria“) im Alter von 13 Jahren unter der Vormundschaft anderer. Doch auch wenn Ptolemaios V. vor 197/96 v. Chr. noch keine Regierungsgeschäfte führte, in der Münzprägung huldigte man ihm schon ab 204 v. Chr. So prägte man in Alexandreia u. a. Tetradrachmen, die vorderseitig das Porträt Ptolemaios I. Soter zeigen und rückseitig die Titulatur PTOLEMAIOS BASILEOS ([Münze] des Königs Ptolemaios) nennen.


Ptolemaios V. Epiphanes (204-180 v. Chr.). Tetradrachmon (um 204-180 v. Chr.), Silber, 14,15 g, Ø 26 mm, Münzstätte Alexandreia. [Bildquelle: Schulman b. v., Auktion 366 (4. März 2021), Los 59].

Dass man auf der Vorderseite aber nicht Ptolemaios V., sondern Ptolemaios I. abbildete, war völlig normal und hatte überhaupt nichts damit zu tun, dass Ptolemaios V. zum Zeitpunkt der Münzprägung noch unmündig war. Schließlich waren alle ptolemaiischen Könige seit Ptolemaios II. Philadelphos der Tradition gefolgt und hatten die Vorderseiten ihrer Gold- und Silbermünzen, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, stets mit dem Porträt des Dynastiegründers Ptolemaios I. Soter geschmückt. Wie sehr man sich dabei im Laufe der Zeit allerdings von dem ursprünglichen Porträt des Dynastiegründers entfernt hatte, veranschaulicht ein Vergleich mit einem Tetradrachmon Ptolemaios´ I.

Ptolemaios I. Soter. (306/05-282 v. Chr.). Tetradrachmon (um 290-283 v. Chr.), Silber, 14,27 g, Ø 26 mm, Münzstätte Alexandreia. [Bildquelle: Münzen & Medaillen AG, Auktion 95 (Oktober 2004), Los 105].

Doch nicht in allen Münzstätten des Ptolemaierreichs befolgte man während des 5. Syrischen Krieges (202-199/98 v. Chr.) die erwähnte Tradition. So verausgabte man beispielsweise zwischen 202 und 200 v. Chr. in einigen Münzstätten der Provinz Phoinikien (Sidon, Tyros, Tripolis u. a. nicht genau bestimmbare) in der Tat Tetradrachmen mit dem Porträt Ptolemaios´ V.


Ptolemaios V. Epiphanes (204-180 v. Chr.). Tetradrachmon (um 202-200 v. Chr.), Silber, 13,99 g, Ø 24 mm, Münzstätte höchstwahrscheinlich Sidon. [Bildquelle: F. R. Künker, Auktion 347 (22. März 2021), Los 900].

Genaugenommen prägte man dort zwischen 202 und 200 v. Chr. aber nicht nur silberne Tetradrachmen mit dem Porträt Ptolemaios´ V., sondern auch einige silberne Tetradrachmen und goldene Oktodrachmen mit den Porträts seiner Eltern Ptolemaios IV. und Arsinoe III.


Ptolemaios IV. Philopator (222/21-204 v. Chr.). Postumes Oktodrachmon/Mnaion (um 202-200 v. Chr.), Gold, 27,80 g, Ø 27 mm, Münzstätte Sidon. [Bildquelle: Numismatica Ars Classica, Auktion 96 (6. Oktober 2016), Los 1146].
Arsinoe III. Philopator (Schwester und Gemahlin Ptolemaios IV. † 204 v. Chr.). Postumes Oktodrachmon/Mnaion (um 202-200 v. Chr.), Gold, 27,71 g, Ø 27,5 mm, unbekannte Münzstätte in Phoinikien. [Bildquelle: Classical Numismatic Group, Triton XXI (9. Januar 2018), Los 547].

Dies war laut Otto Morkholm eine Propagandamaßnahme, um die Loyalität der Armee und der Bevölkerung in der bedrohten Provinz aufrechtzuerhalten. „The use of the portraits of Ptolemy V and his parents must be regarded as a measure of propaganda intended to secure the loyalty of the army and the population of the threatened province.“ (Otto Morkholm: The Portrait Coinage of Ptolemy V, The Main Series, in: Otto Morkholm, Nancy Waggoner [Hrsg.]: Greek Numismatics and Archaeology, Essays in Honor of Margaret Thompson, Wetteren 1979, S. 208). Schließlich hatte die ptolemaiische Armee im 4. Syrischen Krieg unter Ptolemaios IV. Philopator in der Entscheidungsschlacht bei Raphia (217 v. Chr.) gegen die Seleukiden gesiegt.

Nachdem der Seleukidenkönig Antiochos III. der Große (223-187 v. Chr.) die Ptolemaier im 5. Syrischen Krieg (202-199/98 v. Chr.) aber besiegt und Phoinikien und Koile-Syrien seinem Reich einverleibt hatte, stellte man in Phoinikien die Münzprägung der Ptolemaier ein.

Betrachtet man die Porträtbüste Ptolemaios´ V. (Abb. 3) etwas eindringlicher, so erkennt man, dass die nach rechts gewandte Büste drapiert und diademiert ist. Da das Diadem des Königs auf den allermeisten dieser Münzen zudem mit einer Getreideähre geschmückt ist, wollte sich der König wohl als Triptolemos oder Harpokrates verstanden wissen, der sein Königreich mit landwirtschaftlicher Fülle versorgt. „The frequent appearance of an ear of corn on the diadem of the young king may still be explained as a way of identifying him with Triptolemus or Harpocrates, providing his kingdom with agricultural abundance.“ (Otto Morkholm, ebenda). Laut Morkholm dürfte diese Propaganda allerdings einen begrenzteren Radius gehabt haben, als früher angenommen, zumal sie sich primär an die Armee in Phoinikien richtete.

Aber wer war eigentlich Triptolemos? Der antiken griechischen Mythologie zufolge gab Demeter, die Göttin des Ackerbaus, ihr Wissen um die Kultivierung des Getreides nicht direkt, d. h. nicht selbst an die Bauern weiter, sondern vermittelte dieses zunächst dem Eleusier Triptolemos und sandte diesen danach zu den Menschen. „Um 530 v. Chr. zeigen ihn athenische Vasen als bärtige Gestalt auf einem ländlichen Karren, geschmückt mit Ährenkranz und Ährenbündel (… ) Wenig später wurde er als Jüngling dargestellt und erhielt einen geflügelten Wagen mit Schlangen. Im frühen 5. Jh. v. Chr. war Triptolemos bereits als Begründer der Landwirtschaft außerhalb Attikas berühmt.“ (Hubert Cancik, Helmuth Schneider [Hrsg.]: Der neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, Bd. 12/1, Stuttgart, Weimar 2002, Sp. 829).



„Ausfahrt des Triptolemos“ (um 480 v. Chr.). Triptolemos flankiert von Demeter (rechts) und Persephone (links) auf einem attischen rotfigurigen Stamnos aus Canino. Standort: Louvre Museum, Paris. [Bildquelle: Jastrow, Wikimedia Commons].

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