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Horst Herzog

Octavian, der „Sieger“ von Naulochos und Actium

Mit der Seeschlacht von Naulochos am 3. September 36 v. Chr. wurde der seit 42 v. Chr. mit kurzen Unterbrechungen tobende sogenannte „Sizilianische Krieg“ beendet. Marcus Agrippa, einer der fähigsten Mitstreiter Octavians, besiegte mit seiner Flotte Sextus Pompeius Magnus. Damit gelangten Sizilien, Sardinien und Korsika unter die Kontrolle Octavians, gleichzeitig war die Gefahr einer Blockade der Getreideversorgung Roms gebannt. Einhergehend mit diesem Machtzuwachs für Octavian war die Entmachtung des dritten Triumvirn M. Aemilius Lepidus, der letztendlich nur noch das Amt des Pontifex Maximus bis zu seinem Tod 12 v. Chr. bekleiden durfte. Octavian war jetzt der Herrscher über den

gesamten Westen des römischen Reiches. Octavian / Augustus vermerkt in seinem Tatenbericht zu diesem Sieg:

„Dem Meer habe ich Ruhe vor den Seeräubern verschafft. In diesem Krieg habe ich von den Sklaven, die ihren Herren entlaufen waren und Waffen gegen den Staat ergriffen hatten, fast 30.000 gefangengenommen und ihren Herren zur Bestrafung übergeben“ (Aug. res gestae 25, übers. M. Giebel).

Der direkte Gegner Sextus Pompeius Magnus wird in dieser Textpassage nicht erwähnt, lediglich Teile seiner Anhängerschaft, die sich unter anderem tatsächlich aus Seeräubern und entlaufenen Sklaven rekrutierte, werden genannt. Der Sieg von Naulochos findet sowohl in der staatlichen Repräsentationskunst als auch auf verschiedenen Münzprägungen seinen Niederschlag. Vor allem eine Serie von Münzen mit den Legenden "CAESAR DIVIF" und "IMP CAESAR" sind diesbezüglich von Interesse. Diese Prägungen werden in den Zeitraum 33 v. Chr. bis 28 v. Chr. datiert. Der Prägeort ist nach wie vor umstritten: Rom oder Brundisium. Die Münzbilder dieser Serie beziehen sich teilweise auf einen Seesieg, aber weder die Legenden noch die Darstellungen sagen, um welchen Sieg es sich genau handelt. Denn in diesem Zeitraum fällt noch ein weiterer bedeutender Sieg in einer Seeschlacht, nämlich der in der Schlacht von Actium. Diese findet fast auf den Tag genau fünf Jahre nach Naulochos am 2. September 31. v. Chr. statt. In dieser Schlacht siegt Marcus Agrippa unter den Auspizien des Octavian über Marcus Antonius und Cleopatra VII. Mit dem Sieg in Actium wird Octavian zum Alleinherrscher in Rom und der Bürgerkrieg wird endgültig beendet. Was noch bleibt ist die Eroberung Ägyptens, aber das ist ein Krieg gegen „auswärtige“ Feinde.


Abb. 1 D, ca 33 - 28 v. Chr., Rom / Brindisi ?, RIC Aug. 271 Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18202362.


Der Denar Abb. 1 zeigt auf seiner Vorderseite den nach rechts gerichteten Kopf des Octavian mit Lorbeerkranz innerhalb eines Linienkreises. Eine Umschrift ist nicht vorhanden. Auf dem Revers kann man quer über die Bildmitte "IMP(erator) CAESAR" lesen. Dies ist keine Titulatur Octavians, sondern sein „praenomen imperatoris“, also Teil des Namens, das Octavian bereits seit 38 v. Chr. auf Münzen führt. Das Reversbild ist wiederum von einem Linienkreis umgeben. Die Darstellung zeigt eine auf einer mit Rundprofilen verzierten Basis stehende Säule. Diese ist an den Seiten mit Schiffsschnäbeln bestückt. Die Schiffsschnäbel oder lateinisch „rostra“ der erbeuteten Schiffe galten in der Antike als Siegestrophäen. Auf der Vorderseite der Säule sind im Relief deutlich zwei Anker zu erkennen. Den oberen Abschluss der Säule bildet wieder ein Rundprofil. Bekrönt wird das Ganze von einer bis auf eine Chlamys, einem Mäntelchen, nackten männlichen Statue. Diese steht frontal in „Herrscher- oder Heroenpose“ und hält mit ihrer erhobenen Rechten eine Lanze, ihre Linke umfasst das Schwert an der linken Hüfte. Sicherlich darf man diese Statue mit Octavian identifizieren. Bei der Säule handelt es sich um eine sogenannte „columna rostrata“. Eine solche Ehrensäule gehörte zu den vielfältigen Ehrungen, die der Senat dem Octavian nach seinem Sieg über Sextus Pompeius Magnus zugebilligt hatte. Über diese Ehrungen berichtet der römische Historiker Appian:

„Von den für ihn [Octavian] beschlossenen Ehrungen nahm er eine ovatio [kleiner Triumph], ein jährliches Siegesfest und eine vergoldete Statue an. Und zwar sollte er in der Kleidung dargestellt werden, die er bei seinem Einzug in die Stadt trug. Und die Statue sollte auf eine mit den Schiffsschnäbeln der besiegten Schiffe geschmückte Säule gestellt werden. Auf der Inschrift aber sollte stehen, dass er den lange Zeit durch Zwietracht gestörten Frieden zu Land und Meer wieder hergestellt hat“ (App. Bell. Civ. 5,130).

Das Münzbild zeigt uns die „columna rostrata“ des Octavian. Der Aufstellungsort dieser Säule ist in der Forschung umstritten. Einige Forscher möchten sie nahe der „columna rostrata“ des Gaius Duilius (Abb. 2) auf dem Forum Romanum bei der Rednertribüne verorten. Gaius Duilius wurde aufgrund eines Seesieges über die Karthager im Jahr 260 v. Chr. mit einer solchen Säule geehrt. Eine weitere Ehrung Octavians war das Recht, den Lorbeerkranz immer zu tragen. Dieser Ehrung entspricht das Aversbild unseres Denars.


Abb. 2 Rekonstruktion der columna rostrata des Gaius Dulius, Rom, Museo della civiltà romana

Bildquelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:MCR_-_colonna_rostrata_di_C_Duilio_1150130.JPG.


Ein weiterer Denar dieser Serie (Abb. 3) stellt auf seinem Avers die nach rechts gerichtete, geflügelte Büste der Victoria, der Siegesgöttin, dar. Deutlich sind links und rechts der Büste die Flügelansätze zu erkennen. Es fehlen hier zwar spezielle Attribute, aber für eine weibliche Gottheit mit Flügeln in Verbindung mit der Reversdarstellung kann nur Victoria in Frage kommen. Wie bei dieser Münzserie üblich findet sich auf dem Avers keine Umschrift und das Bild wird von einem Linienkreis gerahmt. Die Siegesgöttin auf der Vorderseite passt exakt zu dem Bild auf der Rückseite bzw. ergänzt dieses. Abgebildet ist eine nach links gerichtete männliche Figur. Diese ist bis auf eine Chlamys, die über den Rücken herabfällt, und einem Schwertgurt unbekleidet. Während das linke Standbein fest auf einer Standlinie steht, ist der rechte Fuß auf ein rundes Gebilde gesetzt. Bei näherer Betrachtung dieser Kugel erkennt man feine Linien, die die Kugeloberfläche in Segmente gliedern. Es handelt sich hierbei um eine Sphaira, eine Himmelskugel. Diese ist eng verwandt mit dem Globus und symbolisiert die weltumfassende Herrschaft.


Abb. 3 D, ca 33 - 28 v. Chr., Rom / Brindisi ?, RIC Aug. 256 Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18202371.


In der vorgestreckten linken Hand hält die Figur ein Aphlaston oder lateinisch Aplustrum als Siegeszeichen in einer Seeschlacht. Die erhobene Rechte stützt sich auf eine Lanze, deren Spitze auf dem Boden aufsteht. Links auf Hüfthöhe hängt an einem von der Schulter herabreichenden Gurt ein Schwert. Die Art der Darstellung und die Attribute lassen hier zunächst ein Abbild des Neptun vermuten, wie wir es in ähnlicher Form von Münzbildern des Sextus Pompeius Magnus ( Abb. 4 u. 5) her kennen. In der Bildmitte des Denars Abb. 4 und auf dem Leuchtturm des Denars Abb. 5 ist jeweils Neptun in nahezu der gleichen Pose dargestellt.


Abb. 4 D, 37/36 v. Chr., Sicilia, RRC 511, 3b Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18202271.


Abb. 5 D, 37/36 v. Chr., Sicilia, RRC 511, 4 d Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18207996.


Hauptunterschied zu dem eben beschriebenen Bild der Octavian-Münzen ist, dass auf den Prägungen des Sextus Pompeius Magnus Neptun seinen Fuß auf einen Schiffsbug stellt und nicht auf eine Sphaira. Man kann auf diesen drei Beispielen sicherlich Neptun als den Dargestellten identifizieren, es bleibt dem Betrachter aber auch die Möglichkeit, hierin Octavian auf dem Octavian-Denar bzw. auf den Pompeius-Denaren Sextus Pompeius Magnus oder dessen Vater Cn. Pompeius Magnus zu sehen. Dies wird bei der Octavian-Prägung durch die Inschrift "CAESAR DIVI F" umso wahrscheinlicher. Letztendlich übernimmt Octavian nach dem Sieg bei Naulochos die „Neptun-Ideologie“ des Sextus Pompeius Magnus, der sich als „Neptuni filius“ bezeichnete, und setzt sie in seiner Bildrepräsentation für sich ein.


Abb. 6 D, ca 33 - 28 v. Chr., Rom / Brindisi ?, RIC Aug. 264

Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18207259.


Unser nächstes Beispiel aus dieser octavianischen Münzserie (Abb. 6) zeigt auf dem Avers eine nach rechts hin schreitende Victoria, die in der vorgesteckten rechten Hand einen Kranz und über der linken Schulter einen Palmzweig hält. Victoria, deren Bewegung durch den ausgebreiteten Flügel und durch die s-förmig geschwungenen Gewandfalten besonders hervorgehoben wird, bewegt sich auf einem Schiffsbug. Das wiederum in einem Linienkreis befindliche Bild der Münzvorderseite bezieht sich eindeutig auf einen Seesieg. Passend bzw. ergänzend dazu wieder das Rückseitenbild mit Octavian in einer Triumphal-Quadriga. Octavian im Triumphgewand trägt einen Lorbeerkranz, mit der einen Hand hält er die Zügel, mit der anderen einen Zweig. Sehr schön ist auf unserem Denar die Reliefverzierung des Wagenkorbes zu sehen, d. h. der Stempelschneider war sehr detailfreudig! Unten im Abschnitt befindet sich die Inschrift "IMP CAESAR". Diese Prägung verkündet ohne viele Worte, nur durch die Macht der Bilder einen triumphalen Seesieg.


Abb. 7 D, ca 33 - 28 v. Chr., Rom / Brindisi ?, RIC Aug. 265 a Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18202360.


Ähnliches trifft auch auf den Denar Abb. 7 zu. Der Avers zeigt den nach rechts gerichteten Kopf Octavians, jetzt allerdings ohne Lorbeerkranz. Der Revers bildet ein Tropaeum ab, also ein Siegesmal, das sich aufgrund seiner Bestandteile wiederum auf einen Seesieg bezieht. Der obere Teil des Tropaeums entspricht einem Siegesmal, wie wir es von vielen Münzbildern her kennen: an einem Baumstamm befindet sich ein Brustpanzer, darüber ein Helm mit Helmbusch, an den „Armen“ sind Schild und gekreuzte Lanzen befestigt. Die Basis des Tropaeums bildet jedoch ein Schiffsbug, über dem wiederum gekreuzt ein Ruder und ein Anker angebracht sind. Auch dieser Denar bezieht sich eindeutig auf einen durch Octavian errungenen Seesieg. Unsere vier Beispiele belegen eindrucksvoll, dass innerhalb der "CAESAR DIVI F - IMP CAESAR"-Münzserie des Octavian auch maritime Siege thematisiert werden. Die Datierung dieser Serie beinhaltet sowohl den Sieg bei Naulochos als auch den bei Actium. Beide Siege wurden jedoch nicht gegen äußere, sondern gegen innere Feinde erfochten. Wie in dem Tatenbericht des Augustus, in dem weder Sextus Pompeius Magnus noch Marcus Antonius namentlich als Besiegte genannt werden, werden auch auf den Münzen die Verlierer dieser beiden Seeschlachten nicht erwähnt.


Abb. 8 As, 37 - 41, Rom, RIC Caligula 58 Bildquelle: https://ikmk.smb.museum/object?id=18204462.


Abschließend sei noch kurz der Mann gewürdigt, dem Octavian die Siege bei Naulochos und Actium zu verdanken hatte: Marcus Vipsanius Agrippa. Agrippa war ein „Alleskönner“, er war Militär, Verwaltungsbeamter, Freund und Schwiegersohn des Octavian / Augustus. Auf dem As des Caligula (Abb. 8) ist der ausdrucksstarke Kopf Agrippas nach links abgebildet. Agrippa trägt die „corona rostrata“ (Schiffsschnabelkrone) oder „corona navalis“ (Schiffskrone). Dabei handelt es sich um eine militärische Auszeichnung, die Agrippa nach seinen Seesiegen verliehen wurde. Die „corona navalis“ war ein Kranz

aus Gold mit eingearbeiteten Schiffsschnäbeln. Die Legende "M AGRIPPA L F COS III" (Marcus Agrippa Lucii Filius Consul III) gleicht der Inschrift über der Front des Pantheons in Rom: "M • AGRIPPA • L • F • COS • TERTIUM • FECIT" (Marcus Agrippa, der Sohn des Lucius, errichtete es in seinem dritten Konsulat). Der Vorgängerbau des Pantheons wurde von Agrippa errichtet. Die Rückseite des As zeigt Neptun, den Meeresgott, in seiner klassischen Gestalt: nackt bis auf einen Mantel, muskulös, bärtig, mit Delphin und Dreizack als Attribute. Das Bild des Neptun und die „corona navalis“ erinnern an die maritimen Erfolge des „Admirals“ Agrippa.


Horst Herzog

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