Wenn preisgekrönte Journalisten aus aller Welt berichten, bieten sie oft ganz nebenbei verblüffende numismatische Einblicke. Peter Schille, Preisträger des Egon-Erwin-Kisch-Preises von 1987, berichtete einst von einer Tour aus dem australischen Outback. Dort lernte er Brett und Doug kennen, die in einer verlassenen Mine nach Gold schürften. Eimer um Eimer hievten sie Sand und zerbröckeltes Gestein aus dem finsteren Stollen: „Zwei Monate vergingen, bis der Haufen vor der Wellblechhütte einen Neun-Tonnen-Lastwagen füllte. Die State Battery, die staatliche Goldmühle, zermalmte den dirt, trennte das Gold vom Schutt. Sechs Unzen blieben übrig, 186,6 Gramm. Brett und Doug tauschten, das ist Vorschrift in Westaustralien, den radiergummischmalen Barren gegen Geld, 1.320 Dollar für zwei Monate Fron; steuerfrei.“ (Peter Schille: Das Reich von Schweiß und Trauer, GEO-Jahrgang 1981, in: Frühstück in Timbuktu, München 2001, S. 272) Die Ausbeute reichte für die zwei Freunde weder zum Leben noch zum Sterben. Als der Journalist wieder an der Küste anlangte, wurde ihm klar, warum es verwegene Abenteurer auch heute noch in die verlassenen Minen zieht. Ein Bekannter berichtete ihm von der neuesten Outback-Sensation: „Der alte Willy Hay hat in den Eastern Goldfields ein Sieben-Pfund-Nugget ausgegraben.“ (Ebenda, S. 282) Wenige Jahre später sollte die australische Regierung das Goldfieber selbst anheizen. Schon in der ersten Serie von Goldbarrenmünzen stellte sie das 1980 entdeckte Riesen-Nugget „Hand of Faith“ vor!
Im Frühjahr 1990 berichtete der Kisch-Preisträger Erwin Koch aus Ost-Berlin, wo zu dieser Zeit noch die DDR-Mark aus Aluminium umlief. Er hatte sich mit Hausmeister Ratzlaff aus der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg verabredet, der früher für das Einkassieren der Miete zuständig war. Frau Sembke, eine seiner Mieterinnen, wohnte seit 1957 in „seinem“ Haus. Damals hatte er sie mit den Worten begrüßt: „Sind Sie die Neue, für 32 Mark 15?“ (Erwin Koch: Ratzlaff, GEO-Jahrgang 1990, ebenda, S. 171) Jeder Mieter war verpflichtet, die Miete auf Mark und Pfennig genau in Bargeld auszuhändigen: „So hatte die Kellnerin Sembke den Heizer Ratzlaff kennengelernt, der fortan jeden Monat in ihre Küche trat, 32 Mark und 15 Pfennig verlangte und seine Unterschrift sauber ins Quittungsbuch eintrug. So sehr hatte sie sich an ihn gewöhnt, dass es ihr leid tat, als die Kommunale Wohnungsverwaltung im Sommer 1978 mitteilte, die Miete sei fortan zu überweisen. Nun aber, kurz nach der Wende, wurde der 75-jährige Hausmeister nicht mehr als Respektsperson ernst genommen. Als er einen langhaarigen Jugendlichen aus der vierten Etage ansprechen wollte, zischte der nur zurück: „Verpiss dich, Alter!“ Frau Sembke berichtete Retzlaff daraufhin brühwarm, was in der Wohngemeinschaft so alles abging, die sich in der „Vierten“ ohne jeden Mietvertrag einquartiert hatte: „Neulich haben die da oben splitternackt getanzt, Männlein und Weiblein!“ (Ebenda, S. 172) Dabei kicherte sie verschämt. Außerdem kämen immer mehr Wessis in den Osten. Die futterten einfach das Essen der Volkssolidarität zu 30 Pfennig weg, das ihr zustehe!
Der freie Journalist Christoph Reuter berichtete wenig später aus dem krisengeschüttelten Irak des Saddam Hussein, wo gar kein Münzgeld mehr umlief, sondern nur noch Banknoten mit vielen Nullen. „Ein Dinar, das waren mal drei Dollar, früher. Jetzt ist es eine Spielgeldmünze für Schehad: Schon das Kilo Tomaten kostet 80, das Kilo Schaffleisch 1.000 Dinar.“ (Christoph Reuter: Szenen aus einem verschlossenen Land, GEO-Jahrgang 1996, ebenda, S. 79) Schehad war der dreijährige Sohn von Musanna, eines Beamten im Informationsministerium, der als Übersetzer arbeitete. Mit seiner Frau und dem kleinen Schehad versuchte er sich irgendwie durchzuschlagen: „500 Dinar kostet eine Banane, zu viel für sein Monatsgehalt von 3.000 Dinar. Musanna hat seinen goldenen Ehering gegen einen aus Silber getauscht, hat fast alle Möbel und den Goldschmuck seiner Frau verkauft, und wenn er seine Bücher behalten hat, dann nur, weil sie ohnehin nichts bringen.“ (Ebenda) Wenig später traf der Journalist auf Chalid, einen Geldwechsler. Wegen der internationalen Sanktionen gegen Saddam hoffte man im Land auf eine Verhandlungslösung. Der Wert des Dinar gegenüber dem Dollar schwankte stark. An einem Abend war der Dollar 860 Dinar wert, am nächsten weniger: „Die 20-Uhr-Nachrichten der BBC vermelden lapidar, dass UN-Generalsekretär Boutros-Ghali eine Kurzreise nach Moskau angetreten habe. Nichts sonst, aber binnen einer halben Stunde gärt aus dem tausendstimmigen Wispern des Marktes die Meinung, dies sei ein schlechtes Zeichen für die Verhandlungen. Bis zum Morgen fällt der Dinar von 750 auf 900 pro Dollar.“ (Ebenda, S. 88) Dann plötzlich ging es wieder aufwärts. Die Sanktionen wurden gelockert: „Der Dinar schießt binnen einer Nacht von 1.000 auf 350.“ (Ebenda, S. 91) Es sollte nicht der letzte Sprung gewesen sein.
Die aufregendste Reise unternahm wohl Bartholomäus Grill von der Westküste in den Osten des afrikanischen Kontinents: Sieben Länder, sieben Welten! Es begann in Tansania, wo sich einst die Deutschen als Kolonialherren niedergelassen hatten. Bagamoyo war der Hauptort von Deutsch-Ostafrika. Das war noch immer erkennbar: „Im Schatten eines Mangobaumes, hundert Schritte vom Ufer entfernt, lungern Halbstarke herum. Ein schlaksiger Kerl löst sich aus der Truppe und hält uns ein Geldstück unter die Nase. ‚German money, Mister, billig.‘ Ein kaiserdeutscher Heller, Prägejahr 1904, hinten die Krone, vorn die laubumkränzte Eins. Wir kaufen die Kupfermünze, um uns die Burschen vom Halse zu halten.“ (Bartholomäus Grill: Reise durch das Herz des Schwarzen Kontinents, GEO-Jahrgang 1996, ebenda, S. 237) Weiter ging es nach Kenia, ins Gewimmel der chaotischen Metropole Nairobi, dann in den Kongo. „Auf der Hauptstraße von Goma lungern die Geldwechsler herum. Sie tauschen Dollar gegen neue Zaïre, kiloweise. Die neuen Scheine, am 15. Februar 1994 gedruckt, sind schon wieder Altpapier. Die jährliche Inflationsrate beträgt sagenhafte 8.500 Prozent. Von den verspeckten Geldfetzen grinst millionenfach das Konterfei des reichsten Mannes im Staate Zaïre: das des Präsidenten Mobuto Sese Seko.“ (Ebenda, S. 252) In der Zentralafrikanischen Republik gab es dagegen Münzen, allerdings mit hohem Nennwert. Dort galt der Franc de la Coopération Financière en Afrique Centrale (CFA). Der Journalist traf auf Pygmäen, die für einen Hungerlohn im Sägewerk von Bayanga arbeiteten. „Im Sägewerkskontor hängt die Lohnstaffel aus. Maschinisten und angelernte Kräfte verdienen bis zu 950 CFA-Francs pro Tag. Darunter folgen sechs Stufen für ungelernte Arbeiter. In der achten und letzten Lohngruppe zählt nicht mehr die Qualifikation, sondern die Rasse: Pygmäen, 400 CFA-Francs.“ (Ebenda, S. 261) Heute ist es noch immer so!
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