Im 16. Jahrhundert erlebte Polen unter der Herrschaft der Jagiellonen ein regelrechtes Goldenes Zeitalter mit Spitzenleistungen innerhalb der Architektur, Malerei, Bildhauerkunst, Literatur und Naturwissenschaft. Die abwechselungsreiche Münzprägung dieser Zeit steht für die wirtschaftliche Prosperität des Landes. Dass Nikolaus Kopernikus (1473-1543), Domherr des Fürstbistums Ermland sowie Arzt, Mathematiker, Kartograph und Diplomat, im frühen 16. Jahrhundert seinem König Sigismund I. von Polen Vorschläge zur Verbesserung und Reformierung des Münzwesens unterbreitet hat, ist nicht allgemein bekannt. Frauenburg (polnisch Frombork) und das umliegende Fürstbistum Ermland, in dem Kopernikus als Domherr wirkte, waren nach kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem Deutschen Orden unter die Schutzherrschaft der polnischen Krone gelangt. Nachdem 1520 der letzte Hochmeister Albrecht von Brandenburg im so genannten Reiterkrieg die Bischofsstadt erobert und verwüstet hatte, kümmerte sich der Geistliche um deren Wiederaufbau und die Gesundung des Fürstbistums Ermland.
Nikolaus Kopernikus entstammte einer wohlhabenden Thorner Patrizierfamilie, erhielt eine gediegene Ausbildung am örtlichen Gymnasium, studierte in Krakau, der Hauptstadt des Königreichs Polen, und stand unter der besonderen Obhut seines Onkels, dem Bischof von Ermland, Lucas Watzenrode. Dieser holte Nikolaus und seinen Bruder Andras zu sich, um ihnen die Stelle eines Domherrn zu verschaffen und damit materiell sicherzustellen. Nikolaus ließ sich in Padua zum Arzt ausbilden und war später in seiner Heimat ein auch auf diesem Gebiet gefragter Mann. Wenn er sich in Frauenburg nicht mit Verwaltungsaufgaben befasste oder in diplomatischen Missionen unterwegs war, beschäftigte er sich mit Astronomie. Über ihn schrieb Johann Wolfgang von Goethe in seiner „Farbenlehre“, dass unter allen Entdeckungen und Überzeugungen nichts eine größere Wirkung auf den menschlichen Geist hervorgebracht habe, „als die Lehre des Copernicus. Kaum war die Welt als rund anerkannt und in sich selbst abgeschlossen, so sollte sie auf das ungeheure Vorrecht Verzicht tun, der Mittelpunkt des Weltalls zu sein.“ Wir kennen und schätzen den Theologen und Gelehrten wegen seines Papst Paul III. gewidmeten Hauptwerks „De revolutionibus orbium coelestium“ aus dem Jahr 1542, in dem er das heliozentrische Weltbild beschreibt, nach dem die Erde und die anderen Planeten um die Sonne kreisen. Selbstbewusst wies der Verfasser, der das gedruckte Buch erst auf seinem Totenbett in Händen hielt, in einer an das Kirchenoberhaupt in Rom gerichteten Vorrede alle Verdächtigungen von „dummdreisten Schwätzern“ zurück, die seine Erkenntnisse in Zweifel ziehen und verachten. Was Kopernikus erforschte und schrieb, stand im Gegensatz zu dem bis dahin anerkannten geozentrischen Weltbild des Ptolemäus und Aristoteles, nach dem die Erde den Mittelpunkt des Weltalls bildet und sich alles um sie allein dreht. Was seit langem als „Kopernikanische Wende“ bezeichnet wird, kam zu Zeiten ihres Verfassers und auch danach nicht gut an und wurde bestenfalls als Denkmodell oder Hirngespinst abgetan. Zu Zeiten des Nikolaus Kopernikus und nicht nur damals wusste man, dass ein geordnetes Geld- und Münzwesen Grundlage eines jeden Gemeinwesens ist. Deshalb sorgte man sich im Römisch-deutschen Reich, ebenso wie in Polen und anderen Ländern, der um sich greifenden Münzverschlechterung dadurch Herr zu werden, bei der Ausprägung der Gold- und Silberstücke die Beachtung der gesetzlichen Vorschriften durchzusetzen. Das war aber einfacher gefordert als getan, denn schon eine geringe Verminderung von Schrot und Korn der Geldstücke, also von Gewicht sowie Feingehalt, erbrachte auf die Masse berechnet erhebliche Gewinne, die die Münzen prägenden Fürsten oder Kommunen gut zur Finanzierung ihrer Haushalte gebrauchen konnten und auch manche Münzbeamten reich werden ließen.
Der unter polnischer Lehnshoheit stehende Deutschordensstaat, zu dem das Bistum Ermland mit der an der Ostseeküste gelegenen Stadt Frauenburg als Mittelpunkt gehörte, besaß lange Zeit eine einheitliche und gut geregelte Währung, die allerdings immer wieder der Gefahr des Missbrauchs ausgesetzt war. In diesem Königlich-Preußen genannten Gebiet an der Ostseeküste mit den Städten Danzig, Marienburg, Elbing, Thorn und Frauenburg herrschte zu Beginn des 16. Jahrhunderts eine Münzkrise. Die in großen Mengen aus minderwertigem Silber geprägten Geldstücke verdrängten das guthaltige Geld, wodurch Wirtschaft und Handel schwer geschädigt wurden. Kopernikus erkannte die Gefahr und verfasste 1517, im Jahr des Lutherschen Thesenanschlags an die Schlosskirche zu Wittenberg, und 1519, als der spanische König Karl zum römisch-deutschen Kaiser Karl V. gewählt wurde, sowie 1526 in lateinischer Sprache Vorschläge für eine längst fällige Währungsreform.
Verbunden mit umfangreichen Berechnungen, warnte der Geistliche vor einer Katastrophe, wenn weiter mit allem, was mit Geld zu tun hat, Schindluder betrieben und Gesetzlosigkeit geduldet wird. „Nur die Goldschmiede haben aus des Landes Schade und Abbruch einen Vorteil, da sie das gute Geld an sich bringen. Aus dem Haufen lesen sie die alten Münzen aus, scheiden das Silber aus, verkaufen es und nehmen stets von neuem dem unverständigen Volke aus anderen Münzen immer mehr Silber. Wenn dann solche alten Schillinge ganz verschwunden sind, lesen sie die aus, die ihnen am nächsten sind. [...] Die Not erfordert, dass diese Gebrechen bei Zeiten reformiert werden, ehe ein großer Fall geschieht.“ Der Domherr beklagte, dass die Verantwortlichen für diese Zustände in ihrer Trägheit nicht erkennen, wie sehr sie mit diesen Machenschaften auch den Staat sowie sich selbst schädigen und letztlich an schlechtem Geld zugrunde gehen werden. Auch wenn man auf diese Weise seiner Verpflichtungen ledig wird, schreibt er, sei unter diesen Umständen doch keine Besserung der Wirtschaft zu erwarten.
Wir wissen, dass einhundert Jahre später zu Beginn des Dreißigjährigen Kriegs (1618-1648) die Umtriebe der Kipper und Wipper in der von Kopernikus beschriebenen Weise großes Unheil angerichtet haben. Alle diese Warnungen nutzten wenig, denn die Vorschläge des Frauenburger Domherrn trafen auf taube Ohren. Lediglich hatte König Sigismund I. ein Einsehen, indem er dafür sorgte, dass die Münzen des ihm unterstehenden Herzogtums Preußen, also des ehemaligen Ordenslandes, den im Königreich Polen umlaufenden Sorten angeglichen wurden. Hingegen kam Kopernikus mit seiner Forderung nicht durch, die Zahl der Prägeschmieden zu reduzieren und damit mehr Ordnung und Übersicht in diesem wichtigen Bereich zu erzielen. Dazu waren die Eigeninteressen der mit der Ausnutzung, um nicht zu sagen dem Missbrauch des Münzregals viel Geld verdienenden Obrigkeiten denn doch zu groß. So behielten Danzig, Thorn und Elbing weiterhin ihr Münzrecht, sehr zur Freude heutiger Sammler, die manches Stück preiswert erstehen können.
Die in seinen Denkschriften zusammengefassten Vorschläge zur Verbesserung des polnischen Münzwesens sicherten Kopernikus einen vorderen Platz in der Reihe derer, die sich vor 500 Jahren Sorgen um die Ökonomie und den Bestand des Staates machten. Der vielseitige Gelehrte tat das übrigens noch vor dem Engländer Thomas Gresham (1519-1579), der die Verdrängung des guten Geldes durch das schlechte beschrieben hat. Zu Recht wird dieses Greshamsche Gesetz in einem Atemzug mit den Erkenntnissen des Nikolaus Kopernikus genannt. #NikolausKopernikus #Münzreform #Polen #Jagiellonen #KönigSigismundI #Münzwesen #HeliozentrischesWeltbild #Ermland #Domherr #Astronom #JohannWolfgangVonGoethe #Theologe #PapstPaulIII #DeutscherOrden #ThomasGresham #GreshamschesGesetz #HelmutCaspar
Comments