Im Jahre 1959 berichtete der berühmte kolumbianische Schriftsteller Gabriel Garcia Marquez aus dem geteilten Berlin. Für den überzeugten Sozialisten machte sich nach dem Durchqueren des Brandenburger Tores der Wechsel der Systeme schmerzlich bemerkbar: „Wir kamen direkt unter den Linden an, die früher zu den schönsten Alleen der Welt zählte. Jetzt sind dort nur noch rauchgeschwärzte Säulenreste, im Leeren stehende Portale, von Moos und Gras gespaltene Fundamente. Nicht ein einziger Quadratmeter ist aufgebaut worden. […] An den wenigen unversehrten Blocks im Ostsektor sind noch die Einschüsse der Artillerie zu sehen. Die Läden sind schäbig, hinter durch Bombardements entstandenen Schießscharten verschanzt, mit geschmacklosen Artikeln von mittelmäßiger Qualität. Es gibt ganze Straßen mit zerbombten Gebäuden, von deren oberen Stockwerken nur noch die Außenwände stehen. Die Menschen leben zusammengedrängt in den unteren Stockwerken, ohne sanitäre Anlagen und ohne Wasser, und die Wäsche hängt zum Trocknen vor den Fenstern wie in den Gassen von Neapel. Nachts leuchtet anstelle der Leuchtreklame, die West-Berlin in Farben taucht, auf der Ostseite nur der rote Stern. Das Verdienst dieser dunklen Stadt ist, dass sie in der Tat der wirtschaftlichen Realität des Landes entspricht.“ (Gabriel F. Marquez: Diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs, in: Frankfurter Rundschau, 27.09.1986) In Leipzig sah es nicht viel anders aus: „Nach vier Autostunden in einer kurvigen Chaussee fuhren wir durch eine schmale und leere Straße, auf der kaum Platz für die Straßenbahngleise war, in Leipzig ein. Es war zehn Uhr abends, und es begann zu regnen. Die fensterlosen Ziegelsteinwände, die traurigen Glühbirnen der Straßenlaternen erinnerten mich an die frühen Morgenstunden in den Südvierteln von Bogota.“ (Ebenda) Beim Rundgang durch das Zentrum am nächsten Tag, einem Kontakt mit Bewohnern, setzte sich die Tristesse fort. Vom Aufbruch des Sozialismus keine Spur: „Es ist eine traurige Stadt mit alten Straßenbahnen voller schäbig gekleideter und bedrückter Menschen. Ich glaube nicht, dass mehr als zwanzig Autos auf eine halbe Million Einwohner kommen. Für uns war es unbegreiflich, dass das ostdeutsche Volk die Macht, die Produktionsmittel, den Handel, die Banken, das Verkehrswesen übernommen hatte und trotzdem ein trauriges Volk, das traurigste Volk war, das ich jemals gesehen hatte.“ (Ebenda)
Mit der Aufhebung der letzten Reste der Lebensmittelrationierung war am 29. Mai 1958 in der DDR symbolisch das Ende der Nachkriegszeit proklamiert worden. „Handeln statt verteilen“ hieß ab sofort die Devise. Doch bald wurde erkennbar, dass es nicht sonderlich viel zu verteilen gab. Die Partei- und Staatsführung hatte für den allgegenwärtigen Mangel schnell einen Schuldigen gefunden. Die Bevölkerung! In der Pressekonferenz zur Tagung zur anstehenden Standardisierung wandten sich die Funktionäre im Februar 1959 mit einem Aufruf an die Werktätigen: „Wenn ihr mehr kaufen wollt, müsst ihr vorher mehr produzieren. Wenn ihr Qualitätswaren wünscht, dann leistet selbst Qualitätsarbeit.“ (Wunderwirtschaft: DDR-Konsumkultur in den 60er Jahren, Köln 1996, S. 10) Das Problem lag jedoch eher an der zentralen Planwirtschaft, in der zwar mehr produziert wurde als früher, leider aber meist das, was nicht gebraucht wurde. Die lebensfremden Anordnungen der Parteiführung gingen meilenweit an den Prinzipien einer freien Handelstätigkeit vorbei.
Dabei war der Übergang zur Konsumgesellschaft minuziös vorbereitet worden. Im Kontext der Einführung des endgültigen Wappens der DDR im September 1955 kam es zur Ausgabe neuer Zahlungsmittel. Veränderte Banknoten in Wertstufen zu 100, 50, 20, 10 und 5 Deutschen Mark kamen heraus. Die Serie der umlaufenden Münzen aus Aluminium wurde überarbeitet und um neue Wertstufen ergänzt. Der alte Ausgabevermerk „Deutschland“ wurde durch die Bezeichnung „Deutsche Demokratische Republik“ ersetzt. Hatte es bislang nur Kleingeld als Münzen gegeben, kamen im Jahre 1956 die ersten Markstücke heraus. Die Kennzeichnung „Deutsche Mark“ entsprach jener, die für das Geld in der Bundesrepublik verwendet wurde. Allerdings waren diese Stücke wesentlich leichter als die westlichen Gegenstücke aus Kupfer-Nickel. Der Entwurf des Designers Rudi Högner gab sich mit schnörkellosen Schriftzügen und stilisierten Eichenblättern betont modern. Der Erstausgabe der Markstücke folgten ein Jahr später die gleichartigen Zwei-Mark-Stücke. Ab 1958 wurde auch das noch umlaufende Kleingeld aus der Nachkriegszeit ausgetauscht. Zuerst kam es zum Ersatz der bronzenen Fünfzig-Pfennig-Stücke aus dem Jahr 1949. Im Jahre 1960 folgten die neuen Münzen zu einem Pfennig. Im Jahre 1963 wurden die Zehn-Pfennig-Stücke erneuert. Abgeschlossen wurde die Münzserie von einem neuen Fünf-Pfennig-Stück, das im Jahr 1968 herauskam.
Die Hoffnungen auf eine wirtschaftliche Erneuerung erfüllten sich jedoch nicht. Im Gegenteil! Die aufwändigen Programme zur Modernisierung der Volkswirtschaft gingen auf Kosten des Warenangebots: „Diese Investitionsprogramme, die nicht im erhofften Umfang eintreffenden Lieferungen aus der Sowjetunion und die zur gleichen Zeit vorangetriebene Kollektivierung der Landwirtschaft führten 1960/61 in eine Wirtschaftskrise, die für die Bevölkerung in großen Angebotslücken spürbar wurde. Diskussionen und Unmut gab es insbesondere über den Mangel bei Fleisch, Wurst, Butter, Käse, Schuhen, Untertrikotagen und Waschmitteln.“ (Ebenda, S. 24) Gleichzeitig stieg die Verfügbarkeit von Bargeld in der Bevölkerung. Damit spitzte sich die Versorgungslage zu. Immer mehr Bürger verließen die DDR. Eine kurzfristige Umverteilung der geringen Ressourcen konnte das Problem nicht lösen: „Damit war ein wirtschaftlicher Ausweg aus der Krise nicht in Sicht. Sie erforderte zunächst eine politische und erst dann eine ökonomische Lösung. Angesichts dieser Einsicht traf die SED-Spitze in Abstimmung mit der Sowjetunion die Entscheidung zum Mauerbau.“ (Ebenda, S. 24f.) Im August 1961 wurde diese dann errichtet.
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