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Helmut Caspar

„Nach mir wird ein Schwan kommen“ – Luther auf Münzen und Medaillen in Begleitung des stolzen Vogels

Kaum eine Persönlichkeit der deutschen Geschichte ist – von Kaisern, Königen und Fürsten abgesehen – so oft durch Medaillen und Münzen geehrt worden wie Martin Luther. 1617 erinnerte man mit Münzen und Medaillen in Ländern und Städten, die sich seiner Lehre angeschlossen hatten, daran, dass der Augustinermönch am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen wider den Ablasshandel und unchristliche Auswüchse in der Papstkirche an die Wittenberger Schloss- und Universitätskirche geschlagen hat. Die mutige Tat brachte ihm große Popularität ein, gefährdete aber auch sein Leben. Indem der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise ihn auf der Wartburg bei Eisenach als „Junker Jörg“ unter seinen Schutz stellte, bewahrte er ihn vor dem Zugriff der Häscher Kaiser Karls V. und vor dem sicheren Tod als Ketzer auf dem Scheiterhaufen – wie 102 Jahre zuvor Jan Hus, der während des Konzils zu Konstanz öffentlich verbrannt wurde.



Die Augsburger Konfession von 1530, die den protestantischen Fürsten Glaubensfreiheit „bis zum nächsten Konzil“ zusicherte, wurde 1630 durch weitere Gedenkstücke gefeiert. Sie und die vielen anderen Gepräge sind in der numismatischen Literatur gut aufgelistet. Erwähnt sei insbesondere das Buch von Hugo Schnell Martin Luther und die Reformation auf Münzen und Medaillen (München 1983). Sammler kennen auch die bereits im frühen 18. Jahrhundert veröffentlichten barock-weitschweifigen Kataloge, insbesondere das Buch von Christian Juncker über das Guldene und Silberne Ehren-Gedächtniß des Theuren Gottes-Lehrers D. Martini Lutheri, das 1706 in Schleusingen erschien.


Zahlreiche Münzen und Medaillen sind mit dem Bildnis des Augustinermönchs und Professors an der Wittenberger Universität geschmückt, der 1483 in Eisleben geboren wurde und dort 1546 starb. Münzen und Medaillen, aber auch Graphiken, Gemälde und Skulpturen zeigen den streitbaren Theologen und Bibelübersetzer in Begleitung eines stolzen Schwans. Man sieht den weißen Vogel mit dem langen Hals zu seinen Füßen, manchmal hält ihn der Theologe auch im Arm. Was es damit auf sich hat, zeigt ein Blick in die Literatur.


Medaille der Hansestadt Stralsund (1717) auf das 200-jährige Jubiläum der Reformation.

Vorderseitig Stadtansicht, rückseitig Martin Luther mit Schwan zu seinen Füßen


1517 zitierte Luther seinen Vorgänger im Geiste, den 1415 als Ketzer in Konstanz verbrannten Jan Hus, unter Bezug auf dessen mit Gans zu übersetzenden Namen: „Über hundert Jahr sollt ihr Gott und mir antworten. Auch, sie werden eine Gans braten. Es wird ein Schwan nach mir kommen, den werden sie nicht braten. Und ist also geschehen.“


Die Hamburger Medaille von 1717 bezieht sich auf die berühmte Weissagung von Jan Hus.


Der Bezug auf die Gans und den Schwan war kein Zufall. Die mit Jan Hus, dem tschechischen Reformator und Rektor der Prager Universität, verglichene Gans gilt als behäbig und zahm, während der mit seinem deutschen Nachfolger Martin Luther in Verbindung gebrachte stolze Schwan agiler und zu Höherem bestimmt ist und sich auch besser als die Gans zu wehren weiß.

Als Luther 1546 gestorben war, widmete man ihm ehrenvolle Lieder wie dieses:

„Er ist der rechte David zwar / hat uns gesungen lieblich klar / Gottes Wort an allem End / im Geist von Johann Hus erkennt / dass er sollt sein der weiße Schwan / der lieblich sollt singen fortan.“

In Büchern über Luther-Münzen und die Art und Weise, wie mit dem Reformator politische und religiöse Propaganda getrieben wurde, sind Beispiele für die Schwanensymbolik zu finden.

Die Widersacher der Lutherischen Lehre nutzten – wie ihre Befürworter – neben Stichen und Flugblättern auch Münzen und Medaillen als Mittel, um Propaganda für ihre Ziele zu machen und die andere Seite zu verteufeln. Die Methoden in beiden Lagern waren alles andere als fein. Man findet in Publikationen über Luther und seine Zeit sowie Katalogen zum Thema „Spottmünzen“ auch bemerkenswerte Zeugnisse der Propaganda zugunsten des Wittenberger Reformators beziehungsweise der katholischen Gegenreformation.


Luther führt die Menschen aus der Finsternis des Aberglaubens und zeigt ihnen den Weg zu Jesus.


Als 1617 in verschiedenen protestantischen Fürstentümern und Städten des Thesenanschlags 100 Jahre zuvor gedacht wurde, verfiel die Stadt Magdeburg der Idee, mit Jan Hus und Martin Luther zwei Reformatoren auf ein und derselben Münze darzustellen – ein erstmaliger Vorgang in der Münzgeschichte. Hus und Luther sind, angetan mit pelzverbrämten Mänteln und jeder eine Bibel haltend, auf der Vorderseite des von Münzmeister Heinrich Meier geprägten Talers dargestellt. Einzelheiten nennt Friedrich von Schrötter in der Beschreibung der neuzeitlichen Münzen des Erzstifts und der Stadt Magdeburg 1400–1682 (Magdeburg 1909).


Magdeburg, Hus-Luther-Taler (1617) am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges


Die stark abgekürzte zweizeilige Inschrift in lateinischer Sprache auf dem Magdeburger Taler lautet übersetzt: „Nach 100 Jahren werdet ihr Gott und mir Antwort geben, weissagte der 1415 verbrannte Jan Hus. Nach Ablauf dieser Zeit wurde Doktor Martin Luther zur Wiederherstellung der himmlischen Lehre von Gott im Jahre 1517 berufen“. Der „Zeitplan“ wurde fast eingehalten. Der Magdeburger Taler von 1617 war ein mutiges Bekenntnis am Vorabend des Dreißigjährigen Kriegs, denn natürlich waren auch jene Raubzüge und Morde in schmerzlicher Erinnerung, die von Hussiten in den nach ihnen benannten Kriegen unter Berufung auf den in Konstanz öffentlich verbrannten Reformator verübt wurden. Für die Vorderseite und die Rückseite des Magdeburger Talers wurden leicht variierende Stempel hergestellt, was auf eine stattliche Zahl von geprägten Exemplaren hindeutet.


Unsignierte Medaille in Talerform von Christian Wermuth (um 1717) auf die Verbrennung des Jan Hus


Der um 1370 geborene tschechische Prediger an der Bethlehemkapelle zu Prag und Rektor der Prager Universität wurde im Jahre 1410 vom Papst wegen seiner Forderungen nach Reformierung der Kirche und Kritik am Ablass-Unwesen exkommuniziert. Hus, der mit der Einführung diakritischer Zeichen auch eine Rechtschreibreform der tschechischen Sprache ausgearbeitet hatte, die in ihren Grundzügen bis heute gilt, war Wortführer einer Bewegung gegen die geistliche und weltliche Feudalobrigkeit. Seine Predigten fanden vor allem im einfachen Volk großen Zuspruch. Indem er Reformen in der Kirche und Gesellschaft verlangte und dabei Ideengut des englischen Reformators John Wiclif aufgriff, geriet er in unlösbare Konflikte mit der weltlichen und geistlichen Obrigkeit seiner Zeit. Auf dem Konstanzer Konzil widerstand Jan Hus der Forderung, seinen Ideen abzuschwören. Als Abschreckung für seine Anhänger wurde er am 6. Juli 1415 in der Bischofsstadt am Bodensee öffentlich als Ketzer verbrannt. Die Nachricht vom gewaltsamen Tod ihres Wortführers, dem freies Geleit nach Konstanz zugesichert worden war, löste in Böhmen große Empörung aus. Der Märtyrer wurde zum Namensgeber einer militanten Bewegung.


Sachsen, Reformationstaler (1617). Vorderseitig der Münzherr, Kurfürst Johann Georg I. (1611–1656), rückseitig Luthers Beschützer Friedrich der Weise (1486–1525)


Namentlich Kursachsen, die Wiege und mit seiner Residenz- und Universitätsstadt Wittenberg auch Ausgangspunkt der Lutherschen Reformation, tat sich vor allem in den Jahren 1617 und 1630 durch Gedenktaler und andere Münzen sowie Medaillen hervor, die die Glaubensstärke des wettinischen Herrscherhauses unterstreichen sollten. So findet man auf Gold- und Silbermünzen von 1617 Brustbilder Friedrichs des Weisen und seines Nachfahren Johann Georg I. Außerdem gibt es Medaillen, auf denen Johann Georg I. und Martin Luther zusammen dargestellt sind, was Kontinuität unterstreichen soll. Die Stücke sind frühe Beispiele für das Bestreben, historische Ereignisse auf Münzen und Medaillen zu verewigen. Zur 100-Jahrfeier der Augsburger Konfession 1630, mitten im Dreißigjährigen Krieg, kamen wiederum Gedenkmünzen mit dem Brustbild der beiden sächsischen Kurfürsten heraus.


Sachsen, Taler (1630) zur 100-Jahrfeier der Augsburger Konfession. Johann Georg I. / Friedrich der Weise


Mit heiligem Eifer, wie man damals sagte, nahmen sich auch die in den sächsisch-thüringischen Herzogtümern und anderen protestantischen Ländern regierenden Fürsten des Themas an, sodass Sammler reiches Material finden. Darüber hinaus taten sich jeweils zu den Säkularfeiern 1617, 1630, 1717, 1730, 1817 und 1830 andere Länder durch Talerprägungen und Goldmünzen sowie durch Medaillen hervor. Nachdem die seit August dem Starken katholischen Kurfürsten und ab 1806 Könige von Sachsen als Verteidiger der lutherischen Lehre ausgefallen waren, traten die Hohenzollern in Brandenburg-Preußen vor allem im 19. Jahrhundert mit aufwändig gestalteten Reformationsmedaillen hervor.

Zum 500. Geburtstag von Martin Luther 1983 gaben die Bundesrepublik Deutschland und die DDR unterschiedlich gestaltete Gedenk- und Kursmünzen aus –

mal mit Porträt, mal mit Lutherstätten in Eisleben, Wittenberg und Eisenach.


Alle Abbildungen entstammen dem Fotoarchiv des Autors.

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