Im Jahre 1986 besuchte der namhafte deutsche Journalist Klaus Harpprecht (1927-2016) das Königreich Tonga. Während der Audienz im königlichen „Palast“ saß er dem beleibten Herrscher Toupou IV. gegenüber:
„Breit stützte Toupou IV. die Ellenbogen auf die Tischkante. Die Ärmel seines Hemdes fielen über seine baumdicken Unterarme zurück, die beide mit einer Uhr geschmückt waren - einer goldenen links, einer schlicht-schwarzen rechts. Die Gelenke, dachte der Gast, ließen sich nur mit zwei Händen umfassen. Er schätzte das Gewicht des Riesen auf gut 300 Pfund“. (1)
Unmittelbar danach fiel der Blick des Gastes auf ein ihm bekanntes Gesicht, das von Bismarck:
„Die weiße Büste des Kanzlers steht im Konferenz-Zimmer des Palastes. Der Herrscher wandte ihm in unserem Gespräch oft seinen schweren Kopf zu, wie einem alten Freund, während er kenntnisreich vom preußisch-deutschen Einigungsprozess im 19. Jahrhundert sprach, der zeitlich dem tongaischen folgte.“ (2)
Das aus rund 170 pazifischen Inseln bestehende Königreich Tonga entstand nämlich gar nicht so viel anders als das Deutsche Reich, ebenfalls aus territorial zersplitterten Kleinstaaten, hier allerdings als Inselstaaten. Der spätere König George Tupou I. von der Hauptinsel Ha’apai hatte 1826 seinen Konkurrenten Laufilitonga besiegt. Im Jahre 1845 vereinigte er die Inseln zum ältesten polynesischen Königreich. Dreißig Jahre später erließ er eine Verfassung. Im Frühjahr 1900 wurde die Inselgruppe zu einem britischen Protektorat, was sie bis 1970 blieb.
George Tupou I. (1797-1893) im Jahre 1880 – Bildquelle: Wikimedia, British Museum.
Taufa’ahau Tupou IV. (1918-2006) im Krönungsjahr 1967 – Bildquelle: Ebay, Soxphotos.
Aus eigener Kraft ist der kleine Staat mit etwa 100.000 Einwohnern kaum überlebensfähig. Die meisten Bewohner arbeiten in der Landwirtschaft, bauen Früchte wie Bananen und Kokosnüsse an und betreiben Fischfang. Der Umfang der Exporte ist dabei bescheiden. Viele nicht im Land produzierte Lebensmittel müssen importiert werden, ebenso Fahrzeuge, Maschinen, Kleidung und andere Gebrauchsgüter. Von Anfang an war Tonga daher auf internationale Wirtschaftshilfe angewiesen. Bis zum Jahr 1985 hatte die Bundesrepublik Deutschland bereits 48 Million Mark an Entwicklungshilfe geleistet, etwa für eine Schiffsverbindung zwischen Tonga, Australien und Neuseeland. Um den Kontakt zu seinen Geldgebern zu pflegen, reiste der König viel in der Welt herum:
„Vielen Deutschen ist Tonga vor allem durch seinen früheren schwergewichtigen König ein Begriff. Legendär sind die Staatsbesuche von Taufa’ahau Tupou IV. in Bonn in den 80er-Jahren, als für die Banketts beim Bundespräsidenten seinetwegen jedes Mal ein Extrasitzmöbel gezimmert werden musste – das er dann anschließend mit nach Tonga nahm.“ (3)
Set von Sondermünzen (Tonga, Salote Tupou, 1962, 917er Gold, 56,9 Gramm) – Bildquelle: Heritage Auctions, WACS Auction 3016, Lot 25201.
Eine Idee zur Geldbeschaffung war bereits der Mutter des schwergewichtigen Königs gekommen. Königin Salote Tupou III. brachte im Jahr 1962 mithilfe einer ausländischen Münzhandelsfirma eine Serie von Goldmünzen auf den Markt. Ein Journalist des US-Magazins Life dachte damals, dass die Herrscherin ihr Volk aus dem Nichts zu Wohlstands gebracht habe:
„Das gelang ihr so gut, dass sie es sich leisten konnte, in ihrem Land eine Goldwährung in den täglichen Umlauf zu bringen - etwas, was seit 1934 kein anderes Land mehr getan hat - und jetzt können die Tonganer ihre Rechnungen mit großen Goldstücken bezahlen, die das Porträt der Königin tragen. Aus Stolz auf diese prächtige Währung ließ sie auch runde Briefmarken mit den Porträts von den Münzen drucken. Königin Salote hofft, dass ihr hartes Geld und ihre runden Briefmarken Philatelisten, Numismatiker und einfach nur Touristen nach Tonga locken werden, die sich mit ihren eigenen, ebenso willkommenen, wenn auch weniger spektakulären Währungen eindecken.“ (4)
Wirklich im Umlauf waren die besagten Goldmünzen freilich nie. Keine der Münze, die in Sets vertrieben wurden, zeigt irgendwelche Umlaufspuren. Sie waren auch gar kein Teil des internen Währungssystems, welches zunächst auf dem britischen System basierte, seit 1966 dann auf dem Pa’anga.
1 Pa‘anga (Krönungsausgabe, Taufa’ahau Tupou IV., Tonga, 1967, Kupfer-Nickel, 28,3 Gramm, 38,5 mm) – Bildquelle: Kölner Münzkabinett.
1 Pa’anga (75. Geburtstag, Taufa’ahau Tupou IV., Tonga, 1993, 925er Silber, 38 mm) – Bildquelle: Numista, DrDrew.
Die Wertbezeichnung Pa’anga steht für eine im Land wachsende münzähnliche Bohnenfrucht. Die ersten eigenen, tatsächlich in den Umlauf gebrachten Münzen kamen im Jahr 1967 unter dem frisch inthronisierten König Taufa’ahau Tupou IV. heraus. Es handelte sich um Stücke in sieben Wertstufen, vom Pa’anga aus Kupfer-Nickel bis zum einfachen Seniti (Cent) herunter. Es folgten mehrere sogenannte FAO-Ausgaben. Diese Münzen wurden in Zusammenarbeit mit der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen herausgebracht. Sie tragen die Inschrift "Fakalahi meʻakai". Übersetzt bedeutet das: „Bauen Sie mehr Nahrung an!“ Das Land bringt mit Dienstleistern aus dem Münzhandel zudem immer neue Sonderausgaben für den internationalen Sammlermarkt heraus, viele aus Gold oder Silber. Ein Prozentsatz der Verkaufserlöse fließt in die Staatskasse. Zukunftsfähige Wirtschaftszweige haben sich währenddessen aber nicht entwickelt. Selbst der Tourismus ist unterentwickelt. Deshalb gibt es immer wieder absonderliche Ideen, um Sondereinnahmen zu erzielen. Beispielsweise sollten Parkpositionen für Satelliten vermietet, Internet-Domains zur Verbreitung illegaler Inhalte angeboten und fragwürdige Schutzpässe für Ausländer ausgegeben werden. Weil die Lage im Land für viele trostlos ist, wandert ein Teil der Jugend nach Australien, Neuseeland oder in die USA aus. Die Zurückgebliebenen setzen vielfach auf die regelmäßigen Geldüberweisungen ihrer ausgewanderten Kinder.
Dietmar Kreutzer
Quellenangaben:
Klaus Harpprecht: Das kleine Reich des guten Königs; in: GEO, Heft 11/1986, S. 161
Ebenda
Franz Stocker: Tonga – Meerbohnen aus der Südsee; auf: welt.de, 12.06.2011
Die große Königin Salote Tupou III.; auf: kuenker.de, Presseinformationen, 14.09.2018
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