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Dietmar Kreutzer

Monnaie de Lille: Die alte Münzstätte von Flandern

Als Spanien und Frankreich im Jahr 1659 den „Pyrenäenfrieden“ schlossen, wurde vereinbart, dass der junge König Ludwig XIV. die spanische Prinzessin Maria Theresia heiratet. Als Entschädigung für den Verzicht der Infantin auf den spanischen Thron waren 500.000 Écus in Gold fällig. Das Geld wurde jedoch nie ausgezahlt. Ludwig XIV. fiel daraufhin in die Spanischen Niederlande ein. Im sogenannten Devolutionskrieg überschritten die französischen Streitkräfte am 24. Mai 1667 die Grenze. Befehlshaber Maréchal Turenne beabsichtigte ganz Flandern mit der Hauptstadt Lille einzunehmen. Am 10. August 1667 begann die Belagerung der Stadt. Der auf Kriegsruhm versessene Ludwig XIV. war während des Feldzuges vor Ort. Der junge König fiel dadurch auf, dass er sich in persönliche Gefahr begab, indem er die vordersten Gräben der Belagerer besichtigte. In der Geschichtsliteratur wird er mit der Bemerkung zitiert:

„Die Leidenschaft für den Ruhm hat in meiner Seele gewiss den Vorrang vor allen anderen.“ (1)

Am 28. August 1667 kapitulierte der spanische Gouverneur von Wallonisch Flandern. Ludwig XIV. zog im Triumph durch die Porte de Malades (heute Porte de Paris) und nahm an einem Dankgottesdienst in der Stiftskirche Saint-Pierre teil.

Nach der Eroberung von Lille durch Ludwig XIV. errichtete Porte de Paris  – Bildquelle: Wikimedia, Zairon.


Im Frieden von Aachen wurde ein Jahr später ein neuer Grenzverlauf festgelegt. Die Franzosen erweiterten daraufhin die Stadt. Festungsbaumeister Vauban errichtete an der französischen Nordostgrenze  eine aufwändige Zitadelle. Im Jahr 1685 ließ Ludwig XIV. zudem eine Münzstätte bauen. Die Rue Saint-Pierre wurde danach in Rue de la Monnaie umbenannt. Mit dem Frieden von Utrecht im Jahr 1713 fiel die Stadt Lille endgültig an Frankreich.

Ècu de Flandre (Frankreich, Münzstätte Lille, 1686, Silber, 37,3 Gramm, 42 mm) – Bildquelle: Künker, Januar-Auktionen 358-359, Los 672.


In Frankreich galt damals ein Währungssystem mit dem silbernen Écu zu drei Livres oder 60 Sols. In den Spanischen Niederlanden wurde jedoch ganz anders gerechnet. Um das örtliche System an das französische heranzuführen, kam eine spezielle Münzserie für das nunmehr französische Flandern heraus. Höchster Wert war ein „Écu von Flandern“ zu vier Livres oder 80 Sols mit höherem Gewicht, aber geringerer Legierung. Auch das Wappen und die Umschrift unterschieden sich von jenen des Mutterlandes. Mit der Eröffnung der Münzstätte von Lille im Jahr 1686 konnten die regionalen Münzsorten vor Ort ausgeprägt werden:

„Die Werkstatt, die in den ersten Januartagen ihren Betrieb aufnimmt, wird für das gesamte erste Halbjahr offiziell gemeinsam von Louis Guldes und Jean Simon, Sachbearbeiter des französischen Generalkommissars für Währungen Pierre Rousseau, geleitet.“ (2)

Ganze, halbe und Viertel-Écus sowie kleinere Stückelungen wurden geprägt. Allein vom flandrischen Écu sprangen im ersten Quartal 1686 genau 235.844 Exemplare vom Stempel. Insgesamt wurden bis 1689 mehr als drei Millionen Münzen in Lille geprägt. Ab Dezember 1689 entstanden auch Gold-, Silber- und Kupfermünzen der herkömmlichen französischen Münzserien. Die spezielle Serie für Flandern wurde mehrfach modifiziert. In den folgenden fast zwei Jahrhunderten bis zur Schließung der Münzstätte entstanden hier zahlreiche bedeutende Prägungen, beispielsweise für Ludwig XV., Napoleon I., Ludwig XVIII., den Bürgerkönig Louis Philippe und Napoleon III. Mit dem 24-Livre-Stück von 1793 kam in Lille auch eine hochwertige Ausgabe der Französischen Revolution heraus. Die von Napoleon I. eingeführten 20- und 40-Francs-Münzen erschienen hier ab 1804. Ähnliches gilt für die großformatigen Silbermünzen zu fünf Francs, die in Lille von 1815 bis 1848 mit den Porträts von vier verschiedenen Herrschern geprägt wurden.

Medaille (Besuch von Ludwig XVIII. in der Münzstätte Lille, 1814, Silber, 25,0 Gramm, 37 mm) – Bildquelle: MDC Monnaies de Collection, Auction 12, Lot 112.


In Lille befand sich nicht die einzige regionale Münzstätte der Franzosen:

„Bis zu Ende des Jahres 1879 wurde die Münzprägung in Frankreich an verschiedenen Orten und durch Verträge geregelt betrieben. Die Arbeit der örtlichen Münzstätten stand nach dem Sturz der Bourbonen-Monarchie kontinuierlich unter Aufsicht der Krone, der Republik oder des Kaiserreiches.“ (3)

Von ursprünglich 25 Münzstätten waren während des Ersten Kaiserreiches noch 18 Standorte übrig. Infolge der napoleonischen Eroberungen wurden allerdings fünf ausländische Prägestätten eröffnet. Jede von ihnen ist anhand eines Buchstaben als Prägezeichen erkennbar. Die Münzen aus Lille tragen den Buchstaben „W“. Mit der Schließung unrentabler Standorte verschwanden jedoch immer mehr dieser Prägezeichen. Im Jahr 1857 schlossen die Münzstätten von Rouen, Marseille und Lille. Als letzte Standorte wurden Lyon (1858), Straßburg (1871) und Bordeaux (1879) aufgegeben. Ab Januar 1880 arbeitete schließlich die Monnaie de Paris für den Bedarf des gesamten Landes:

„Trotz dieser Konzentration der Arbeit in einer Einrichtung hatte die Verwaltung seither keine Schwierigkeiten, den Bedarf an Münzen zu decken. Dabei wurde nicht nur für das Inland produziert. Es sind überdies alle Stücke geprägt worden, die für die Verwendung in den Kolonialgebieten benötigt wurden sowie zahlreiche für ausländische Regierungen. Im Jahr 1895 wurden für den zuletzt genannten Zweck annähernd 26 Millionen Stücke geprägt.“ (4)

40 Francs (Frankreich, Münzstätte Lille, 1818, Gold, 12,9 Gramm, 26 mm) – Bildquelle: Numista, Heritage Auctions.


Das Gebäude der Münze von Lille in der Rue de la Monnaie gibt es heute nicht mehr. Nach der Schließung der Prägestätte im Jahr 1857 wurde das Grundstück verkauft und das Gebäude abgetragen. An seiner Stelle steht nun das Hôtel Notre-Dame, eine christliche Einrichtung. Erhalten ist jedoch das daneben befindliche Gebäude des Münzrichters in der Rue de la Monnaie 61:

„Im Jahr 1781 forderte der für die Polizei und die Kontrolle der in der Münzstätte tätigen Arbeiter zuständige Richter und Wachmann der Münzstätte, Delpierre de Ligny, den Architekten Francois-Joseph Gombert aus Lille auf, das Haus direkt neben der Münzstätte zu errichten. Er zahlte einen Teil der Baukosten, nämlich 12.000 Livres.“ (5)

Heute ist die Rue de la Monnaie weniger als Ort der Münzherstellung bekannt, sondern für Konditorwaren. Berühmt sind die Merveilleux von Frederic Vaucamps - übersetzt „die Wunderbaren“. Es handelt sich um luftige Baiser-Crème-Törtchen mit diversen Toppings:

„Schon mit 14 Jahren begann Fréderic Vaucamps seine Konditorausbildung in Nordfrankreich. Mit Leidenschaft und Liebe zum Produkt verfeinerte er das Rezept des Baisers und füllte zwischen die beiden Scheiben eine süße, luftige Schicht aus Sahne. (…) Ob mit weißer Schokolade, Karamell, Kaffee oder Kirsche, die süßen Kreationen gibt es inzwischen nahezu in ganz Frankreich, in New York und auch in Berlin-Charlottenburg.“ (6)

Das Stammhaus des Unternehmens befindet sich in der Rue de la Monnaie Nr. 67.


Haus des Münzrichters in der Rue de la Monnaie in Lille – Bildquelle: Wikimedia, Velvet.


Dietmar Kreutzer


Quellenangaben:

  1. Heinz Käthe: Der „Sonnenkönig“ – Ludwig XIV., König von Frankreich und seine Zeit; Berlin 1981, S. 79.

  2. Christian Charlet: Le monnayage de Louis XIV spécifique à la Flandre francaise (1685-1705); in: Revue du Nord, Nr. 3/2014, S. 527ff.

  3. The French Mints; in: American Journal of Numismatics, Ausgabe 7, Nr. 2, Oktober 1902, S. 52)

  4. Ebenda, S. 53.

  5. Le petrimoine des communes du Nord, Tome II, Flocic editions, 2001, S. 1005.

  6. Spezialitäten in Lille: Waffeln Meert und Merveilleux de Fred; auf: nordfrankreich-reiseideen.com.

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