Modernes Antiquariat: Goldmünzen Europas seit 1800 von Hans Schlumberger
- Dietmar Kreutzer
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Hans Schlumberger (1926-2006) war langjähriger Leiter des Edelmetall- und Münzkabinetts der Württembergischen Bank in Stuttgart. Die Bank engagierte sich schon vor mehreren Jahrzehnten stark im Münzhandel. Im Jahr 1967 erschien erstmals der Katalog Goldmünzen Europas seit 1800 im Münchner Battenberg Verlag. Er erlebte in rascher Abfolge mehrere Auflagen und erschien sogar als englischsprachige Ausgabe in den USA. Dr. Charles Weber schrieb in Numismatist und der New York Times über das Werk: "Fortgesetzte und mutwillige schleichende Inflationen in der ganzen Welt haben auch Nichtnumismatikern wieder einmal die monetäre Funktion des Goldes klargemacht, dessen Wert nicht verfälscht werden kann von Währungsmanipulatoren, die geschickt genug waren, sich in mächtige Positionen einzunisten. In Numismatikerkreisen der ganzen Welt hat sich ein erneutes Interesse für Goldmünzen entwickelt, parallel mit der erneuten Wertschätzung des Goldstandards für die Wirtschaftsgeschichte." Das Buch sei deshalb so wertvoll, weil es eine Lücke für Einsteiger in die moderne Numismatik der Goldprägungen schließe. Fast alle für den gemeinen Sammler erreichbaren Goldmünzen seien schließlich seit Anfang des 19. Jahrhunderts geprägt worden.

Im Vorwort zur zweiten Auflage von 1971 schrieb Hans Schlumberger: "Der Herausgeber, seit 18 Jahren im Goldmünzenhandel tätig und mit den europäischen Goldmünzen der letzten zwei Jahrhunderte bestens vertraut, hat, unter Mithilfe seiner Frau, in jahrelanger Arbeit dieses Nachschlagewerk geschaffen, in dem alle vorkommenden Goldmünzen dieses Zeitraums möglichst genau beschrieben sind." Zu den im Buch angegebenen Schätzpreise könnten Sammler die Stücke in den Erhaltungsgraden "sehr schön" bzw. "vorzüglich bis Stempelglanz" im Handel erwerben. Zu Beginn des Jahres 1971 galt offiziell noch ein Goldpreis von 35 Dollar pro Unze. Sucht man im Katalog nach den günstigsten Stücken, findet man die Nachprägungen österreichischer Dukaten des Jahres 1915 mit einem Stückpreis von 25 Deutschen Mark (DM). Dieser Preis bildete lediglich den Materialwert plus einer Handelsspanne ab. Numismatische Aspekte spielten hier keine Rolle. Ein nachgeprägtes Vier-Dukaten-Stück kostete 75 DM, die Nachprägung einer 100-Kronen-Münze zum Gewicht einer knappen Unze war für 175 DM zu haben. Die Nachprägungen eines Schweizer Vreneli zu 20 Franken von 1947 sowie einer französischen Standardmünze zu 20 Francs der Jahrgänge von 1907 bis 1914 kosteten 55 DM.
100 Francs (Standardprägung, Frankreich, 1879, 900er Gold, 32,3 Gramm, 35 mm)
Bildquelle: Coinstrail
Dass Nachprägungen zum Zwecke der Goldanlage auch damals schon dicht über dem Materialpreis gehandelt wurden, löst keine Verwunderung aus. Eine häufig geprägte Originalmünze im etwaigen Gewicht einer Unze ist das französische 100-Francs-Stück. Die günstigsten Ausgaben waren damals für 600 DM erhältlich. Der Preisunterschied zu der vorstehend erwähnten, etwa gleich schweren Nachprägung des österreichischen 100-Kronen-Stückes mit 175 DM war erheblich. Der Materialpreis spielte hier keine vordergründig bedeutsame Rolle mehr. Wer also damals eine Sammlung von Originalprägungen aufbauen wollte, musste also selbst bei den in großer Stückzahl geprägten Münzen aus Frankreich zu 100 Francs mit relativ hohen Preisen rechnen. Überraschend ist jedoch die geringe preisliche Abstand einiger gleich schwerer Raritäten zu einer solchen 100-Francs-Münze.
100 Kronen (40. Regierungsjubiläum, Ungarn, 1907, 900er Gold, 33,9 Gramm, 37 mm)
Bildquelle: ESG Edelmetall Service
Eine Goldmünze zu 100 Franga Ari von 1926 aus Albanien war schon für 850 DM zu haben. Eine österreichische Jubiläumsprägung zum 60. Regierungsjubiläum von Kaiser Franz Joseph I. von 1908 wurde ebenfalls mit 850 DM veranschlagt. Ein ungarisches 100-Kronen-Stück zum 40. Thronjubiläum des Königs von 1907, das heute sehr begehrt ist, war schon für 1.000 DM erhältlich. Ein Zehn-Dukaten-Stück aus der Tschechoslowakei (1929-1938) wurde mit 1.000 bis 1.400 DM veranschlagt. Ein 100-Lewa-Stück aus Bulgarien aus dem Jahr 1894 kostete 1.400 DM. Die zum 40. Regierungsjubiläum des Königs erschienene 100-Lei-Münze aus Rumänien (1906) war mit 1.500 Euro taxiert. Doch nicht alle Goldmünzen waren verhältnismäßig preiswert. Eine bayerische Vereinskrone aus den Jahren 1864-1869 schlug ebenso wie ein Zwanzig-Mark-Stück von 1872 aus dem Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha mit 5.500 DM zu Buche. Die heutigen Auktionspreise liegen allerdings um ein Vielfaches darüber. Ein 100-Perpera-Stück von 1910 aus Montenegro kostete mit 6.000 DM noch mehr. Mit stolzen 7.000 DM sind 100 Drachmen aus Griechenland ausgewiesen. Von der Münze aus dem Jahr 1876 wurden allerdings nur 76 Exemplare geprägt. Für eines der extrem seltenen Schaustücke zu 37,5-Rubel-Münzen aus Russland im Gegenwert von 100 Francs aus dem Jahr 1902 ist ein Preis von 8.500 DM ausgewiesen.

Der Katalog ist jedoch nicht nur wegen der Möglichkeit eines Preisvergleichs nach über 50 Jahren mit den heutigen Preisen bemerkenswert. Für Sammler türkischer Prägungen ist die umfangreiche Einführung in türkische Münzgewichte und Münzkennzeichen bedeutsam. Eine sich über mehrere Seiten erstreckende Tabelle zur Umrechnung der Hidschra-Jahre (A.H.) in christliche Jahre (A.D.) erlaubt eine genaue Datierung der Münzen. Die dafür notwendigen Unterlagen hatte Schlumberger von dem Numismatiker Walter Hüsch aus Dortmund erhalten. So ist der Goldmünzenkatalog bis heute hilfreich. Horst-Rüdiger Künker, der sich Anfang der 1980er Jahre bei seinem älteren Bruder in der Goldabteilung des gleichnamigen Osnabrücker Auktionshauses einarbeitete, erinnert sich mit Hochachtung an den Autor: "Dieser Hans Schlumberger arbeitete damals bei der BW Bank in Stuttgart, und wir hatten zu vielen seiner Mitarbeiter einen sehr guten Draht. Deshalb hatte ich das Glück, dass ich bereits kurz nach meinem Einstieg in die Münzenhandlung bei Hans Schlumberger hospitieren durfte. Ich habe bei ihm unglaublich viel gelernt." (Ursula Kampmann: 50 Jahre Künker; Osnabrück 2021, S. 99)
Dietmar Kreutzer
Hans Schlumberger:
Goldmünzen Europas seit 1800
Ernst Battenberg Verlag
München 1971
480 Seiten
Format: 25 x 18 cm
erhältlich im Antiquariatshandel
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