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Uwe Bronnert

Moderne Brakteaten aus Oberlahnstein

Im Verlauf des Ersten Weltkrieges entdeckte man die Nickel- und Kupfer-Münzen zunehmend als wertvolle Rohstoffreserve. Ihre Prägung wurde daher eingestellt und die Geldstücke von der Reichsbank aus dem Verkehr gezogen. Darüber hinaus hortete die Bevölkerung die silbernen Münzen ab ½ Mark wegen des Metallwertes. Da die staatlichen Münzanstalten mit der Produktion der Ersatzmünzen aus Eisen, Zink und Aluminium nicht nachkamen, war gegen Ende des Jahres 1916 ein Mangel an Zahlungsmitteln spürbar. Eine Anzahl von Kommunen schritt zur Selbsthilfe und gab eigenes Notgeld aus. Der Geschäftsführer des Deutschen Städtetages fragte daher bei den Mitgliedern an, wie bei ihnen die Verhältnisse seien.

5 Pfennig Oberlahnstein (Hessen-Nassau) Volksbank, Funck 391.1. Quelle: Bronnert.


Am 19. Mai 1917 wandte sich in einem Schreiben der Magistrat der Stadt Oberlahnstein an den Königlichen Herrn Regierungspräsidenten zu Wiesbaden mit der Bitte, der Stadt die Ausgabe von Notgeld zu genehmigen. Begründet wurde dies mit den derzeitigen ganz unhaltbaren Zuständen.

„In hiesiger Gegend und namentlich in hiesiger Stadt ist das Kleingeld so rar geworden, daß eine regelmäßige Zahlung nicht möglich ist. Briefmarken und selbstangefertigte Scheine werden als Aushilfsmittel herangezogen, aber alles hilft nichts. Die Gewerbetreibenden drängen die Stadt auf Einführung von Notgeld. Die Stadt ist bereit vorläufig je 10.000 Stück á 10 und 5 Pfennig und 4.000 Stück á 50 Pfennig aus Rohzink in eckiger oder runder Form herstellen zu lassen.“ (1)

Der Regierungspräsident stimmte mit Schreiben vom 30. Mai 1917 dem Vorhaben zwar zu, teilte aber gleichzeitig mit, dass eine ministerielle Genehmigung nicht in Frage käme.


Trotz dieser eigentlich positiven Antwort verzichtete die Stadt Oberlahnstein auf eine Notgeldausgabe. An ihre Stelle trat die Volksbank Oberlahnstein e.G.m.b.H. Sie ließ je 5000 Münzen zu 5, 10 und 50 Pfennig – also für insgesamt für 3250 Mark – bei der Firma Berg & Nolte in Lüdenscheid herstellen. Allerdings waren die Ersatzmünzen zu 5 und 10 Pfennig bereits innerhalb von zwei Tagen vergriffen, so die Meldung vom 5. Juli 1917 des königl. Landrates des Kreises St. Goarshausen an den Regierungspräsidenten in Wiesbaden. (2)

10 Pfennig Oberlahnstein (Hessen-Nassau) Volksbank, Funck 391.2. Quelle: Bronnert.


Die Münzen wurden in der Art von Brakteaten geprägt, also auf dünnem Eisenblech, einseitig auf einer weichen Unterlage. Die drei Nominale sind einheitlich gestaltet und unterscheiden sich nur in der Größe: 19,8 mm, 23,1 mm und 27,2 mm. Im Zentrum das Wappen der Stadt Oberlahnstein, das vom preußischen Staatsministerium 1908 verliehen wurde. Es zeigt in Rot zwei pfahlweise sechsspeichige silberne Räder, über ein silbernes Tatzenkreuz verbunden. Das Doppelrad mit dem verbindenden Tatzenkreuz ist eine Variation des alten Mainzer Wappens und symbolisiert die jahrhundertelange Zugehörigkeit zu Kurmainz. Vom Wappen geteilt die Jahreszahl "19" und "17." Über dem Wappen im Halbkreis "NOTGELD," darüber am Rand "VOLKSBANK OBERLAHNSTEIN" und unter dem Wappen am Rand ". WERT 5 PFG ." oder ein entsprechender anderer Wert.

Das Wappen Oberlahnsteins mit den Kurmainzischen Rädern und dem verbindenden Tatzenkreuz. Quelle: wikimedia commons, Von Flaggen und Wappen der Lahnsteiner Stadtteile, Gemeinfrei.


Am 5. März 1919 meldete der Magistrat der Stadt Oberlahnstein nach Wiesbaden, dass die Einziehung zurzeit noch nicht möglich sei, da der Mangel an Kleingeld immer noch anhalte. Insgesamt habe die Volksbank 27.415 Münzen zu 5 Pfennig, 35.950 Münzen zu 10 Pfennig und 14.290 Münzen zu 50 Pfennig ausgegeben. (3)


Am 15. Oktober 1921 meldete der Magistrat der Stadt Oberlahnstein nach Wiesbaden:

„In der hiesigen Stadtgemeinde sind für ca. 18.000 Mk. Ersatzwertzeichen à 50 Pfg, für 42.000 Mk. À 10 Pfg. und für 33.000 Mk. À 5 Pfg. ausgegeben worden. Dieses Notgeld, das in Blechmünzen hergestellt war, ist fast vollständig vergriffen.“ (4)

Weiter wird in dem Schreiben darauf hingewiesen, dass der Kleingeldbedarf immer noch außerordentlich groß sei und aufgrund der zahlreichen Industriewerke in Oberlahnstein – der chem. Farbwerke Schröder & Stadelmann, der Maschinenfabrik Gauhe, Gockel & Cie, die Krupp’schen Eisenverladewerke, die Papierfabrik Georg Löbbecke, die chemische Fabrik Kriens –große Beträge an Kleingeld für die Lohnzahlungen gebraucht würden.  Die Stadt

„habe deshalb beschlossen, Ersatzwertzeichen im Gesamtbetrag von 100.000 Mk. und zwar je 50.000 Mk. in 50 und 25 Pfg. Scheinen zu verausgaben.“ (5)

50 Pfennig Oberlahnstein (Hessen-Nassau) Volksbank, Funck 391.3. Quelle: Bronnert.


Der Antrag wurde von der Reichsbankstelle Koblenz jedoch abgelehnt, da die Ausprägung an Kleingeld derartig gesteigert worden sei, dass man jeden angeforderten Betrag zur Verfügung stellen könne. (6)


Uwe Bronnert


Quellenangaben:


  1. Hess. HStA Wiesbaden, Abt. 405 Nr. 6099, Bl. 30.

  2. Ebenda, Bl. 74

  3. Hess. HStA Wiesbaden, Abt. 405 Nr. 6099, Bl. 332.

  4. Ebenda, Bl. 176.

  5. Ebenda.

  6. Ebenda, Bl. 177. Schreiben der Reichsbanknebenstelle Oberlahnstein vom 7. November 1921 an den Bürgermeister von Oberlahnstein.

 

Literaturempfehlung:

Walter Funck, Ralf Müller

Die deutschen Notmünzen

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