Vieles ist aus der neuen und neuesten deutschen Münzgeschichte bekannt, aber nicht alles. Vor Überraschungen ist man nie sicher. So tauchte vor einigen Jahren eine 1943 probeweise für das von der deutschen Wehrmacht besetzte sogenannte Reichskommissariat Ukraine geprägte Fünfzig-Kopeken-Münze auf (siehe Jaeger-Katalog, neuere Fassung, Nr. N619A), die 2008 bei Künker in Osnabrück für sage und schreibe 11 000 Euro versteigert wurde. Der Vormarsch der Roten Armee in das von deutschen Truppen und ihren Einsatzgruppen geschundene Besatzungsgebiet verhinderte die massenhafte Herstellung der Münze mit der Zahl 50 und der Angabe „REICHSKOMMISSARIAT UKRAINE“ und der Wertangabe „KOPEKEN“ auf der Vorderseite. Dass es sich um eine Probe handelt, wird unter der Ziffer angegeben. Gauleiter Erich Koch errichtete in dem Reichskommissariat eine blutige Schreckensherrschaft gemäß seiner Überzeugung „Wir sind ein Herrenvolk, das bedenken muss, dass der geringste deutsche Arbeiter rassisch und biologisch tausendmal wertvoller ist als die hiesige Bevölkerung“. (Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Koblenz 2011, S. 322)
Das Besondere an der Probemünze von 1943 ist, dass die Bildseite mit einer Ähre auf dem Zahnrad nach dem Zweiten Weltkrieg in der Sowjetischen Besatzungszone beziehungsweise ab 1949 in der DDR auf Ein-, Fünf- und Zehn-Pfennigstücken aus Aluminium erscheint. Franz Paul Krischker, der führende Stempelschneider und Medailleur der damaligen Preußischen Staatsmünze in Berlin, hatte das Motiv für eine Medaille der Deutschen Arbeitsfront (DAF) geschaffen, also der am 10. Mai 1933 gegründeten NS-Dachorganisation von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Die angeblich freiwillige, in Wirklichkeit aber weitgehend erzwungene Mitgliedschaft in dieser alles beherrschenden Einheitsgewerkschaft gab dem NS-Regime ein Mittel in die Hand, um die Bevölkerung sowohl am Arbeitsplatz als auch in der Freizeit zu überwachen und zu indoktrinieren. Mit 25 Millionen Mitgliedern war die DAF die größte Massenorganisation im damaligen NS-Staat. Ihrem Chef Robert Ley gelang es, mit mehr als 44 000 hauptamtlichen und 1,3 Millionen ehrenamtlichen Mitarbeitern in nahezu alle Bereiche der nationalsozialistischen Wirtschafts- und Sozialpolitik einzudringen.
Franz Krischker musste, als ein Symbol für die ostdeutschen Kleinmünzen gesucht wurde, nichts anderes tun, als aus dem Logo der Arbeitsfront das Hakenkreuz zu entfernen und durch eine Getreideähre zu ersetzen. Und schon hatte die von der Staatspartei SED beschworene, aber niemals wirklich existierende „Aktionseinheit der Arbeiter und Bauern“ ein passendes Symbol erhalten. Dass die deutschen Besatzer es für ihr Geld in der Ukraine verwenden wollten, dürften damals außer Krischker nur wenige Menschen gewusst haben, schon gar nicht die DDR-Bewohner, die mit den „Aluchips“ bezahlt haben.
Dass auf den frühen DDR-Münzen „DEUTSCHLAND“ als Staatsbezeichnung steht, war kein Versehen, sondern hat mit der Selbstdarstellung und dem Alleinvertretungsanspruch des Arbeiter-und-Bauern-Staates zu tun, der sich im Vergleich zur verhassten Bundesrepublik Deutschland als das bessere Deutschland und Krönung der deutschen Geschichte, als Hort der Demokratie, Freiheit und Kultur verstand und das „imperialistische Westdeutschland“ als Kolonie der USA, Hort von Alt- und Neonazis und Inbegriff der Unkultur und Unmoral verunglimpfte. Nach Annahme des Gesetzes vom 26. September 1955 über das Staatswappen der DDR wurde ein neues Münzdesign eingeführt, das auf der Rückseite Hammer und Zirkel im Ährenkranz mit einem darum gewickelten schwarz-rot-goldenen Band sowie die Bezeichnung „DEUTSCHE DEMOKRATISCHE REPUBLIK“ zeigt.
Krischker hatte keinen Anlass, über seine Idee zu sprechen, die in Gestalt eines eisernen Gussmodells mit der Jahreszahl 1943 im Besitz des Berliner Münzkabinetts überliefert ist. DDR-Kataloge haben die Peinlichkeit verschwiegen. Über die Urheberschaft liest man dort nur ganz allgemein „Entwurf und Gestaltung: Münze Berlin“. Ältere Auflagen des Jaeger-Katalogs der ab 1871 geprägten deutschen Münzen sprechen vom Symbol des im Juni 1948 beschlossenen Zweijahresplans und nennen ebenfalls nur die „Münze Berlin“. Nach Bekanntwerden der historischen Hintergründe wird in neuen Katalog-Auflagen Franz Krischker als Gestalter genannt.
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