Nicht alle Münzen der Weimarer Republik kamen beim Publikum gut an. Einige waren aus künstlerischen oder auch politischen Gründen starker Kritik ausgesetzt, wie die im Berliner Bundesarchiv liegenden Akten des Reichskunstwarts Edwin Redslob zeigen. Der Kunsthistoriker und Museumsmann war unter anderem für die Gestaltung neuer Hoheitszeichen, Geldscheine, Briefmarken sowie Münzen und staatlicher Medaillen, aber auch für offizielle Staatsakte zuständig. Als 1929 der zehnte Jahrestag der Gründung der Weimarer Republik begangen wurde, kamen ein Drei- und ein Fünfmarkstück mit dem Kopfbild des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg sowie der so genannten Schwurhand heraus. Gestalter war der durch seine ausgezeichneten Porträtdarstellungen ausgewiesene Braunschweiger Bildhauer Rudolf Bosselt. Dass ausgerechnet ein Feind der Republik und Freund der Monarchie, der frühere kaiserliche Generalfeldmarschall von Hindenburg, durch eine Jubiläumsmünze geehrt wurde, war im politisch links angesiedelten Lager ein Grund zu fragen, wie republikanisch die Republik noch sei und welche Rolle der Militär im Ersten Weltkrieg sowie bei der danach von ihm und seinesgleichen in die Welt gesetzten „Dolchstoßlegende“ gespielt hat.
Dass Hindenburg wie ein Monarch auf einer Gedenkmünze geehrt wird, war nicht Redslobs Entscheidung, sondern kam von „ganz oben“. Das aber spielte in der Kritik an dem, wie man sagte, „Verfassungstaler“ oder „Hindenburgtaler“ keine Rolle. Die Ausgabe wurde dem Reichskunstwart in ziemlich rüder Form angelastet. Dass sich Hindenburg 1933 als Steigbügelhalter für Hitler betätigten sollte, konnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand ahnen. In der Endphase der Weimarer Republik gab die KPD die Parole „Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, wer Hitler wählt, wählt den Krieg“ aus und sollte auf schreckliche Weise Recht behalten.
Der Direktor der Bremer Kunsthalle, Emil Waldmann, behauptete in der Zeitschrift „Cicerone“, die neue Münze sei so ziemlich das Elendste, was einem Volk geboten werden dürfe und schlimmer könne es nun nicht mehr werden. Der so angegriffene Rudolf Bosselt antwortete in den Berliner Münzblättern vom Mai 1930 in einem Offenen Brief mit dem schlichten Titel „Der Hindenburgtaler“, dass es selbstverständlich das gute Recht eines Rezensenten sei, seine Meinung vorzutragen. Waldmanns Ansinnen jedoch – es müsse sofort eine Reichsstelle geschaffen werden, um eine solche Blamage wie diesen „Hindenburgtaler“ zu verhindern – wies er zurück. „Dass diese Reichsstelle besteht, und dass sie mit Ihrem Kollegen – ein Kunsthistoriker müsste es doch wohl auf jeden Fall sein – Dr. Redslob besetzt ist, wissen Sie“, widersprach Bosselt seinem Kontrahenten Waldmann. „Also gilt Ihre Forderung nur einer anderen Besetzung dieser Stelle. Ihre Bewertung des jetzigen Inhabers geht mich nicht an; ich habe es mit einem beamteten Kunstsachverständigen zu tun, wie Sie ihn fordern“.
Edwin Redslob konnte sein beim Reichsinnenministerium angesiedeltes Amt als Reichskunstwart bis Anfang 1933 ausüben und hatte damit viel Erfolg. Die Nazis aber, die schon vor Hitlers „Machtergreifung“ gegen ihn gehetzt hatten, entließen ihn prompt und kürzten seine Bezüge, ließen ihn aber am Leben. Die Zeit der Hitlerdiktatur überstand der Kunsthistoriker als Übersetzer, Schriftsteller und Sammler von Hinterlassenschaften von Goethe und Schiller. In seinem Buch „Von Weimar nach Europa. Erlebtes und Erdachtes“ (Verlag Haude & Spener Berlin 1972) bemerkt der ehemalige Reichskunstwart eher nebenbei, dass Widerstandskämpfer um den 20. Juli 1944 ihn als Kultusminister in der nach dem gelungenen Attentat auf Hitler neu zu bildenden Reichsregierung vorgesehen hatten. Außer James Graf von Moltke und einer weiteren Person habe niemand von dem Plan gewusst. „Dieser Umsicht und der menschlichen Größe des Grafen Moltke, der mich während der Verhöre, denen er vor seiner schändlichen Hinrichtung ausgesetzt war, nicht nannte, verdanke ich, dass ich Deutschlands böseste Zeit lebend überstand“. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Redslob in West-Berlin Mitbegründer der Zeitung „Der Tagesspiegel“ sowie Mitbegründer beziehungsweise Rektor der Freien Universität Berlin. Außerdem betätigte er sich als Mitbegründer des Berlin-Museums, dessen Bestände heute zur Stiftung Stadtmuseum Berlin gehören. Seine Sammlung mit Büchern sowie Bildern zum Thema Goethe und Weimarer Klassik vermachte Redslob dem Goethe-Museum in Düsseldorf.
Interesse verdient Bosselts Schilderung in der Antwort auf die Waldmann‘sche Kritik, wie die Hindenburg-Münze zustande kam. Ihm habe nur ungenügendes Bildmaterial für den Kopf des Reichspräsidenten zur Verfügung gestanden. Sein Antrag, eine Studie nach dem Leben anzufertigen, sei abgelehnt worden, „ebenso dann auch der Wunsch nach einer photographischen Aufnahme, der ich wenigstens hätte beiwohnen können. Es ist sehr wenig, was mir an Unterlagen zur Verfügung gestellt werden konnte.“ Offenbar musste Bosselt unter hohem Zeitdruck arbeiten, und dazu noch mit ungenügenden Bildvorlagen. „Ich wiederhole, ich will mich nicht einen Augenblick lang hinter die Zustimmung der Reichsstelle, die Sie fordern, d. h. Dr. Redslobs, verstecken. Er trägt keine Verantwortung, was auch immer er tun mag, denn er hat die Münze nicht gemacht.“
Rudolf Bosselt forderte „zur Verhütung von Unglücksfällen“ folgendes: „1. Zeit – aber nicht nur für die beratenden Ausschüsse, die sie sich genügend nehmen, sondern auch für den Künstler, damit er die Wirkung seiner Entwürfe auch sich selbst abwarten, Neues versuchen kann. 2. Dass ein Künstler nicht nur eine Münze im Leben zu machen bekommt oder vielleicht zwei, sondern eine Reihe, aus der die eine oder andere missglücken kann, die dann nicht zur Ausgabe gelangt. Das gute Stück muss selbst von dem, der fähig dazu ist, erarbeitet werden. 3. Dass die Münze vom Künstler selbst vertieft in Stahl geschnitten wird. Das kann man natürlich nicht in zwei Größen – 3- und 5-M.-Stück – von ihm verlangen. Diese Wiederholung ist tötend – aber es muss ja auch nicht das gleiche Stück in verschiedenen Werten zur Ausgabe gelangen.“ Wie wir wissen, konnte Bosselt seine Könnerschaft bei den Münzen zur Erinnerung an den Dichter Gotthold Ephraim Lessing von 1929, den preußischen Minister Karl vom und zum Stein von 1931 und Johann Wolfgang von Goethe von 1932 sowie bei verschiedenen Medaillen unter Beweis stellen, und daran hatte Edwin Redslob einen nicht geringen Anteil. #PaulVonHindenburg #RudolfBosselt #EdwinRedslob #Gedenkmünze #Reichsmark #Hindenburgtaler #WeimarerRepublik #Mark #DrittesReich #Verfassungstaler #KPD #EmilWaldmann #Widerstandskämpfer #HelmutCaspar
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