Die Spindelpresse, auch Schraube, Balancier, Stoßwerk oder Anwurf genannt, ist ein Kind des 16. Jahrhunderts. Konkurrenten waren das Klippwerk und Walzenprägung, aus der sich das Taschenwerk entwickelte. Beim Klippwerk bewegte sich der Oberstempel in einer Schiene oder einem Rohr auf und ab. Mit Hilfe eines Steigbügels konnte der Oberstempel bewegt werden. Ein Verdrehen des Stempels und vor allem Verletzungen beim Prägen mit dem Hammer kamen weniger häufig vor, wie bei der althergebrachten manuellen Methode. Bisweilen haben zwei Münzer am Amboss gearbeitet: Einer hielt mit beiden Händen den Oberstempel fest, der andere schlug mit dem Hammer zu. Das Klippwerk, das das Festhalten des Oberstempels mit der Hand ersetzte aber nicht das manuelle Zuschlagen auf den Oberstempel, wurde vor allem bei kleineren Münzsorten eingesetzt.
Der Münzmeister prüft Geldstücke auf der Medaille zum XII. Internationalen Numismatischen Kongress in Berlin 1997. Bildquelle: Caspar.
Reichte im Altertum, das so wunderbare Münzen mit hohem Relief zustande brachte, und im Mittelalter mit seinen „hohl“ geprägten Brakteaten und den flachen Gulden und Groschen die manuelle Methode am Amboss noch aus, so musste zu Beginn der Neuzeit etwas Neues her - die Spindelpresse. Das Gerät mit den langen, kugelbewehrten Schwungarmen wurde Mitte des 16. Jahrhunderts konstruiert und wie ein Staatsgeheimnis gehütet.
Die Medaillenrückseite des Münzmuseums Burg Hasegg in Tirol zeigt die Arbeit an der Spindelpresse und am Amboss. Bildquelle: Caspar.
Niemandem war daran gelegen, dass ihre den Wein- und Buchdruckerpressen nachempfundene Konstruktion bekannt wurde. Natürlich konnte man eine solche Novität nicht lange für sich behalten. Das Gerät wurde bereits 1621 auf einem Rechenpfennig von Liegnitz-Brieg dargestellt. Der Apparat ist ganz klein oberhalb einer Schrifttafel mit der übersetzten Inschrift „Heute mir, morgen dir“ zu erkennen. Internen Charakter hatte ein Glasfenster, das im Jahr 1624 für die Münze zu Konstanz gemalt wurde und zeigt, wie Spindelpresse beim „Bregen“ von zwei Münzarbeitern bewegt werden, während ganz versteckt ein dritter Mann in der Grube sitzt und die Ronden oder auch Schrötlinge auf den Unterstempel legt beziehungsweise die fertig geprägten Stücke entfernt.
Spindelpressen fungieren auf Medaillen und einigen Münzen als Symbol für die Münzprägung und Geldwirtschaft. Obwohl sie schon lange außer Gebrauch sind, erscheinen sie auch heute auf geprägtem Metall. Im Unterschied zu Medaillen und einigen Münzen mit münztechnischem Bezug kann man die in Museen aufgestellten originalen Geräte an wenigen Fingern abzählen. Hingegen sind zahlreiche Münz- und Medaillenstempel erhalten, weil man sie als Beleg für eine lange zurückreichende Geldproduktion benötigte oder auch um mit ihnen neue Abschläge herzustellen. Die meisten teuer angeschafften Pressen hat man, als sie in Münzfabriken und Medaillenanstalten ihren Dienst getan hatten, verschrottet. Mit Dampfkraft und Elektrizität angetriebene Maschinen übernahmen ihre Aufgaben. Manchmal verdienten Spindelpressen noch ihr „Gnadenbrot“ bei der Herstellung von Uniformknöpfen und weiteren Gegenständen aus Metall.
Vom historischen Inventar der 1809 aufgehobenen Stolberger Münze blieben eine Spindelpresse mit abgeknickten Armen ohne Kugeln an den Enden, ein Gerät zum Rändeln der fertigen Münzen, ferner Stanzen und weitere Geräte, aber auch Stempel sowie Münzen und Medaillen erhalten. Bildquellen: Caspar.
Glück war im Spiel, wenn die urtümlich anmutenden und zudem raumgreifenden Spindelwerke irgendwo in einen dunklen Winkel abgestellt wurden und erst lange Zeit später als erhaltenswerte Zeugnisse wieder entdeckt und in Museen aufgestellt wurden. Dieses Wunder geschah in der 1809 aufgehobenen Münzstätte der Grafen zu Stolberg im Harzstädtchen Stolberg. Man hat die Prägegeräte weggeschlossen und nicht, wie sonst üblich, verschrottet. Diesem umsichtigen Verhalten ist es zu verdanken, dass heute im „Museum Alte Münze“ an der Stolberger Niedergasse eine komplette Münzwerkstatt gezeigt werden kann. Die Ausstellung in einem Fachwerkhaus von 1535 präsentiert historische Münzstempel und zeigt, wie in alten Zeiten Metall gegossen, geschmiedet, gestreckt, gewalzt, gestückelt, justiert und schließlich unter kräftigen Hammerschlägen beziehungsweise mit Hilfe einer Spindelpresse oder auf anderem Wege in kurantes Geld verwandelt wurde. Ausgestellt sind ferner Geräte, die man in der gräflichen Münze zur Herstellung von Zainen und Ronden, also von gewalzten Blechen und Schrötlingen, benutzte. Die Geräte waren nach Einstellung des Prägebetriebs im Jägerhof nicht weit von der gräflichen Münze eingelagert und um 1920 wieder entdeckt worden. Dies geschah zu einer Zeit, als man solche Zeugnisse der Technik- und Kulturgeschichte wieder zu schätzen lernte und mit ihnen pfleglich umging. In dieser Reichhaltigkeit sind die Utensilien einer Münzstätte in Deutschland nur in Stolberg erhalten. Eine 1763 gebaute und voll funktionstüchtige Rändelmaschine diente der Markierung von Münzrändern als Fälschungsschutz.
Auf dem Weg zu den Schauräumen des Schlosses Friedenstein in Gotha kommt man an einer barocken Spindelpresse vorbei. Sie erzielte einen Prägedruck von 80 bis 90 Tonnen, mit dem sich Taler und Medaillen bequem und fehlerfrei schlagen ließen. Bildquelle: Caspar.
Frühe Kunde von der Spindelpresse gibt der für Papst Clemens VII. tätige, aus Florenz stammende Goldschmied Benvenuto Cellini (1500-1571). Seine abenteuerliche Autobiographie, die von Johann Wolfgang von Goethe ins Deutsche übersetzt wurde, enthält recht vage Angaben über den Umgang des Goldschmieds mit der „Schraube“. Während der Maler und Erfinder Leonardo da Vinci (1452-1519) sowohl eine „Prägebüchse“ für die Hammerprägung als auch ein riesiges Prägegerät mit fallenden Gewichten entworfen hatte, nutzte Cellini die Kraft einer Presse mit eisernen Armen, die eine Länge von mindestens sechs Ellen (ca. 2,50 Meter) haben sollen, wie er schrieb. Cellini zufolge waren vier Männer nötig, um die Eisenarme zu bewegen. Er äußerste sich über den Nutzen der Presse wie folgt:
„Den Prägedruck mit einer Schraube zu übertragen verursacht zwar mehr Kosten, ergibt aber bessere Resultate und schont vor allem deine Werkzeuge vor rascher Abnutzung. Obgleich das Verfahren kostspielig erscheinen mag, möchte ich doch behaupten, dass es von geringerem Kostenaufwand ist, weil mit zwei Schraubenumdrehungen deine Medaille bestens ausgeprägt ist, während du mit hunderten Hieben vorher kaum eine gute fertigstellst“.
Die aus der Barockzeit stammenden Spindelwerke im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg (links) und in den Arkaden des Güstrower Schlosses wurden glücklicherweise nicht verschrottet, sondern mit Respekt behandelt und ausgestellt. Bildquellen: Caspar.
In zahlreichen numismatischen Werken und technologischen Lexika des 18. und 19. Jahrhunderts finden sich Beschreibungen der Spindelpresse. Die berühmte französische „Enzyclopédie“ von 1765 veröffentlichte einen geradezu klassisch zu nennenden Kupferstich, der so populär wurde, daß er noch im 19. Jahrhundert in immer neuen Varianten abgebildet wurde. Zu sehen sind vier Arbeiter, die die Schwungarme der Presse herumreißen und damit den Oberstempel nach unten drücken. In einer Grube sitzt ein Mann, der die ungeprägten Ronden auflegt und die fertigen Münzen entfernt. Eduard Schlösser notiert in seiner „Münztechnik“ von 1884:
„Das Stoß- und Spindelwerk, auch wohl Balancier genannt, ist eine starke Schraubenpresse, deren Schraube so eingerichtet ist, daß sie schnell niedergeht, wodurch der an ihrem Kopf angebrachte und an seinen Enden mit schweren Metallkugeln versehene Balancier, welcher mit Kraft in Bewegung gesetzt wird, auf dem darunter befindlichen Schieber mit eingesetztem Stempel einen heftigen Stoß ausüben kann“.
Der Stempel war nicht mit der Schraube direkt verbunden, sonst hätte es Verdrehungen geben. Sobald der Prägedruck vollendet und die Schraube wieder in die Höhe gehoben sei, schreibt Schlösser weiter, wird auch der Schieber mit dem eingesetzten Oberstempel gehoben,
„was entweder mittelst einer Wippe oder der Feder ab geschieht. Das geprägte Geldstück kann alsdann entfernt und eine neue Münzplatte unterlegt werden“.
In der Ausstellung der Staatlichen Münze Berlin ist eine wohl zur der Herstellung kleiner Geldstücke und Medaillen eingesetzte Spindelpresse aufgestellt. Bildquelle: Caspar.
Helmut Caspar
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