In dem Roman „Im Schatten des Banyanbaums“ verarbeitete die Kambodschanerin Vaddey Ratner ihre Erlebnisse während des Schreckensregimes des Roten Khmer. Im April 1975 versuchte die Prinzessin aus einer Seitenlinie des Königshauses mit ihren Eltern, der Großmutter und einer kleinen Schwester aus Phnom Pen zu fliehen: Wir nehmen nur Geld und Gold mit, hatte der Vater gesagt. Alles andere könnten sie unterwegs kaufen. Seine Frau nähte die Notreserve in ein Gepäckstück ein. Doch alles kam anders. Gemeinsam mit vielen weiteren Bewohnern der Hauptstadt kam die Familie aufs Land. Der Vater wurde bald von einem Exekutionskommando abgeholt. Stück für Stück mussten sich die Überlebenden von ihrem versteckten Goldschmuck und einer wertvollen Armbanduhr trennen:
„Ein Halsband brachte einen Kissenbezug voller Reis. Für ein paar Ohrringe bekamen wir einen Block Palmzucker, der sparsam und in besonderen Momenten als Belohnung für Großmutter und die Kleinen eingesetzt wurde. Für ein Armband gab es eine Scheibe Rindfleisch, das Mama salzte, in der Sonne trockneten und so portionierten, dass es eine ganze Woche lang reichte.“ (1)
Staatsoberhaupt Prinz Sihanouk und Gattin (1969) – Bildquelle: Flickr, manhhai.
Wie es zum Schreckensherrschaft der Roten Khmer kommen konnte, die in vier Jahren etwa ein Viertel der Bevölkerung auslöschte, ist schnell erzählt. Der Modernisierungskurs des fortschrittlichen Staatschefs Prinz Sihanouk war 1966 im Zuge des Vietnamkrieges ins Stocken gekommen. Als der östliche Landesteil zum Aufmarschgebiet der verfeindeten Kontrahenten wurde, brach Sihanouk die diplomatischen Beziehungen zu den USA ab und wandte sich der Sowjetunion und China zu. Während einer Auslandsreise des Staatschefs putschte die Armee. Der amerikafreundliche General Lon Nol übernahm die Macht. Der sich anbahnende Bürgerkrieg ließ die kambodschanische Währung Riel zu 100 Sen abstürzen. Das einzige noch werthaltige Geld war nun der Dollar. Auf Druck der Chinesen verbündete sich der entmachtete Sihanouk mit den Roten Khmer, einer linken Guerilla-Gruppe. Der Bürgerkrieg ließ in der isolierten Hauptstadt Phnom Pen die Nahrung knapp werden. Da der vielerorts verehrte Sihanouk mit den Roten Khmer paktierte, flohen jedoch nur wenige. Im April 1975 brach das korrupte, von den USA unterstützte Regime von Lon Nol zusammen.
Szenenfotos einer TV-Doku zum Einmarsch der Roten Khmer in Phnom Pen (1975) – Bildquelle: Youtube, AFP Deutschland.
Unmittelbar nach ihrem Einzug in die Hauptstadt evakuierten die Roten Khmer sowohl Phnom Pen als auch einige andere Städte. Sie wollten das „parasitäre Stadtleben“ der Intellektuellen ausmerzen und Kambodscha in eine Nation von Landarbeitern verwandeln. Die Erträge sollten nach einem Plan verteilt werden. Das Geld wurde abgeschafft, ebenso die Märkte. Tauschhandel war verboten. Das Gebäude der Staatsbank sprengten die Roten Khmer in die Luft. Wer Widerstand leistete, wurde erschossen. Bei einem Staatsbesuch der Führungsriege um Diktator Pol Pot in Peking war ihr Vorbild Mao Zedong beeindruckt:
„Für jeden Schritt, den China macht, machen unsere kambodschanischen Genossen zwei.“ (2)
Im Gefängnis wurden Häftlinge, denen man feindliche Gesinnung oder Spionage vorwarf, auf bestialische Weise zu Tode gefoltert:
„Das Reich der Roten Khmer war die Hölle auf Erden, so gewalttätig, abstoßend, brutal, so mörderisch und ungeheuerlich, dass sprachliches Ausdrucksvermögen für die Beschreibung dieser Wirklichkeit nicht hinreicht.“ (3)
50 Sen (Kambodscha, 1959, Aluminium, 4 Gramm, 31 mm) – Bildquelle: Numista, Kunnappally.
Von der thailändischen Grenze aus verfolgte der deutsche TV-Journalist Winfried Scharlau die Anzeichen einer sich in Kambodscha ausbreitenden Not:
„Thai-Händler auf knatternden Mopeds fuhren unter der Brücke durch das Flussbett auf die andere Seite. Sie transportierten Reis, Zigaretten, Seife und Öl. Diese Waren ließen sie sich in Gold, Silber, in US-Dollar oder in der eigenen Währung, in Bath, bezahlen.“ (4)
In Überschätzung ihrer Möglichkeiten drangen die Roten Khmer mehrfach auf vietnamesisches Territorium vor. Im März 1978 kam es dabei zu einem Massaker nahe der Stadt Ha Tien. Dies führte Ende 1978 zu einem von der Sowjetunion unterstützten Gegenschlag der Vietnamesen. Diktator Pol Pot versuchte nun den unter Hausarrest stehenden Sihanouk für seine Zwecke zu instrumentalisieren. Er möge nach China reisen und Unterstützung organisieren. Nachdem Sihanouk abgeflogen war, ließ er jedoch seinen Gefühlen freien Lauf:
„Pol Pot mag ein Patriot sein, aber er ist ein Schlächter. Er behandelt das kambodschanische Volk wie Vieh, das zur Zwangsarbeit taugt, und wie Schweine, die ins Schlachthaus gehören.“ (5)
Der Diktator und sein Außenminister, so Prinz Sihanouk, seien einem Gespann aus einem Krokodil und einer Hyäne vergleichbar.
100.000 Riels (Kambodscha, 1974, 900er Gold) – Bildquelle: Stack’s Bowers Galleries, December 2023 World CCO Auction, Lot 31067.
Die Vietnamesen vertrieben die Roten Khmer. Unter ihrer Besatzung kehrte auch das Geld zurück. Die Banknoten und das ergänzende Kleingeld kamen aus Hanoi. Doch nach der Inflation unter General Lon Nol und dem Verbot allen Geldes unter Pol Pot war das Vertrauen in die Währung geschwunden. Viele Gebrauchsgegenstände wurden daher anfangs in Gold oder Silber bezahlt. In dem anfangs erwähnten Roman bezahlten Vaddey Ratner und ihre Mutter den Transport über die thailändische Grenze in Devisen und Gold. Selbst die sich in den im Dschungel zurückziehenden Khmer mussten nun ihre Lieferungen aus China in Gold bezahlen. Geliefert wurden Lebensmittel, Waffen und Munition. Ein Kämpfer sagte: „Zunächst trafen die zivilen Lkw ein und luden Reis ab. Unser Führer bezahlte in Gold. Dann kamen die militärischen Lkw und luden schwere Kisten mit Waffen und Munition ab. Unser Führer bezahlte mit einem Teil des Reises, den wir zuvor gekauft hatten.“ (6) Heute werden die meisten Geschäfte in Dollars abgewickelt. Nur kleine Summen begleicht man in Riels. Parallel dazu sind mehrere Digitalwährungen im Vormarsch.
500 Riels (Kambodscha, 1994, Bi-Metall, 6,5 Gramm, 26 mm) – Bildquelle: Numismatic Guaranty Company.
Dietmar Kreutzer
Quellenangaben:
Vaddey Ratner: Im Schatten des Banyanbaums; Zürich 2016, S. 178.
Winfried Scharlau: Vier Drachen am Mekong; München 1992, S. 249.
Ebenda, S. 236.
Ebenda, S. 258.
Ebenda, S. 267.
Tiziano Terzani: Ich höre noch Schreie in der Nacht; in: Der Spiegel, Heft 18/1980.
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