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Helmut Caspar

König ohne Zopf: Warum Friedrich Wilhelm III. vom Preußen seinen Haarschmuck kürzte

Nach der Französischen Revolution von 1789 gab es in unserem Nachbarland einen Wandel in der Kleidung und Haarmode. Ausgedient hatten feine, bis an die Knie reichende Beinkleider aus Seide und weiße Strümpfe der Aristokraten. Jetzt trugen Männer lange, ungebügelte Hosen, weshalb man sie in Frankreich Sansculotten nannte, also Männer ohne Kniehosen. Gleichzeitig verzichteten viele Franzosen und mit ihnen auch Bewohner anderer Länder auf teure Perücken und ließen ihre Haare lang wachsen, bestenfalls hinten zu einem dünnen Zopf geflochten.


Auf dem Taler von 1802 [Leipziger Mzhlg. 101/1624] und dem Dritteltaler von 1809 [Leipziger Mzhlg. 72/1535] erscheint Friedrich Wilhelm III. von Preußen mal mit und mal ohne Zopf.


Wer bayerische, preußische, sächsische und andere Münzen aus dieser Zeit betrachtet, kann einerseits den Verzicht der dort abgebildeten Herrscher auf ihren Zopf und andererseits das nicht mehr zeitgemäße Festhalten an diesem feststellen. Zöpfe galten nach den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 als Inbegriff von Unfreiheit und Unterdrückung. Beim Wartburgfest zur Dreihundertjahrfeier der Reformation wurden 1817 die Hinterlassenschaften des Ancien régimes ins Feuer geworfen. Unter Freudenrufen der Teilnehmer gingen „Grundsätze und Irrlehren der Zwingherrschaft, Knechtschaft, Unfreiheit, Unmännlichkeit und Unjugendlichkeit, der Geheimniskrämerei und Blindschleicherei, des Kastengeistes und der Drillerei, die Machwerke des Schergen-, Hof-, Zopf-, Schnür- und Perückenteufels, der Schmach des Lebens und des Vaterlandes“ in Flammen auf, wie es in einer zeitgenössischen Beschreibung heißt.


Beim Wartburgfest haben freiheitsliebende Studenten verhasste Relikte der Feudalzeit, darunter auch Perücken, ins Feuer geworfen [Quelle: H. Caspar]


In dem Buch von Thomas Stamm-Kuhlmann König in Preußens großer Zeit. Friedrich Wilhelm III. der Melancholiker auf dem Thron (Berlin 1992) wird erwähnt, wie sich der Monarch seines Zopfes entledigte. Nach der Niederlage seines Heeres zusammen mit sächsischen Soldaten in der Schlacht von Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 und weiteren gegen den französischen Kaiser Napoleon I. verlorenen Schlachten verfiel der an die östliche Grenze seines Reiches nach Memel entwichene und als linkisch, wenig entschlussfreudig und sprachgehemmt geschilderte König in eine tiefe Depression. Er hatte Angst um seine Krone und sein Land und musste befürchten, wie andere Monarchen auf Befehl Napoleons I. entmachtet und kalt gestellt zu werden.

Statt sich mutig den Tatsachen entgegen zu stellen und auf kluge Ratgeber zu hören, lenkte sich Friedrich Wilhelm III. in seiner Abgeschiedenheit durch Entwürfe für neue Uniformen nach russischem Vorbild ab und griff zur Schere, um seinen Zopf abzuschneiden, mit dem er auf zahlreichen Münzen und Medaillen abgebildet ist. Das geflochtene Haarteil schickte er seiner Gemahlin Luise, die drei Jahre später mit nur 34 Jahren starb. Der Zopf soll ins Berliner Hohenzollernmuseum gelangt sein, wohin er nach dessen Auflösung nach 1945 kam, ist mir nicht bekannt.


Die Medaille von 1801 zeigt den Preußenkönig gemeinsam mit seiner Gemahlin Luise, einer geborenen Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz [Künker 353/4083].


Schauen wir uns Münzen von 1807 an, so ist von dieser haarigen Veränderung noch nichts zu sehen. Beim Anblick der Geldstücke und auch von Medaillen sollte man wissen, dass der König von Preußen im Frieden von Tilsit (1807) die Hälfte seines Landes und seiner Untertanen eingebüßt hatte und der Rest seines Reichs mehrere Jahre lang französisch besetzt war. Preußen musste 140 Millionen Francs an Frankreich zahlen. Friedrich Wilhelm III. erscheint erst 1809 auf seinen Geprägen mit neuem Kurzhaarschnitt, den er bis zu seinem Tod 1840 beibehalten hat. Das preußische Adlerwappen auf Talern und weiteren Münzen hat man durch eine Wertangabe im Eichenkranz ersetzt.


Maximilian Joseph von Bayern trennte sich frühzeitig vom traditionellen Kopfputz [Teutoburger 121/3605].


Etwa zeitgleich erschien der Bayernkönig Maximilian Joseph auf seinen Münzen ohne Zopf, hingegen finden wir auf anderen Geprägen des frühen 19. Jahrhunderts Perücken und Zöpfe. An seinem Zopf hielt der sächsische König Friedrich August I. eisern fest. Nie sah man ihn ohne den Kopfschmuck, der schon längst aus der Mode war. Sogar der Sterbetaler von 1827 zeigt den Herrscher, wie er sich schon nach 1763 darstellen ließ, als er noch Kurfürst von Sachsen war und sich Friedrich August III. nannte. Er und Friedrich Wilhelm III. von Preußen waren 1806 im Krieg gegen Frankreich Waffenbrüder. Doch als Napoleon I. siegte, wechselte der Sachse die Seiten, schloss sich den Franzosen an und durfte sich noch im gleichen Jahr König nennen.


Friedrich August I. von Sachsen blieb diesem hingegen bis zu seinem Tod treu [Sincona 22/1638].


Friedrich Wilhelm III. hat ihm den Verrat nie verziehen. Als sein Kontrahent zusammen mit Napoleon I. in der Völkerschlacht von Leipzig vom 16. bis 18. Oktober 1813 vernichtend geschlagen war und in preußische Gefangenschaft geriet, wollte der Preußenkönig ganz Sachsen schlucken, was aber seine Verbündeten zu verhindern wussten. Er hielt sich an einigen sächsischen Gebieten schadlos, deren Bewohner sich selbstironisch „Beutepreußen“ nannten. Das stark reduzierte sächsische Königreich spielte im 1815 gegründeten Deutschen Bund als politische Macht eine untergeordnete Rolle, war aber auf wirtschaftlichem Gebiet ausgesprochen potent und zeige anderen Ländern, was man mit sprichwörtlichem sächsischem Fleiß alles erreichen kann.

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