Zu Beginn der 80er Jahre des dritten Jahrhunderts war der Kaiser Marcus Aurelius Probus mit seinen Legionen sehr erfolgreich. Es gelang ihm in relativ kurzer Zeit, die Gegner in Kleinasien und Ägypten zu besiegen sowie Usurpationen in den westlichen Provinzen niederzuwerfen. In dieser „Zeit der Ruhe“ wollte er laut „Historia Augusta“, einer um 400 entstandene Sammlung von Kaiserbiografien, seine Soldaten mit eher „zivilen“ Tätigkeiten wie Entwässerungs- oder landwirtschaftlichen Arbeiten einsetzen. Dies führte zu großem Unmut bei den Legionären, da solche Tätigkeiten unter ihrer Würde wären. Das Heer rebellierte, Kaiser Probus wurde von den Soldaten im Herbst 282 in seiner Geburtsstadt Sirmium ermordet. Schon vorher, zwischen dem 29. August und dem 13. September 282, war sein Prätorianerpräfekt Marcus Aurelius Carus von den Truppen in Rätien und Noricum zum Kaiser ausgerufen worden. Der um 224 in Narbo in Gallien geborene Carus hatte sich im Heer bis zum „praefectus praetorio“ hochgedient und wurde nach seiner Akklamation zum Kaiser allgemein anerkannt.
Abb. 1 AV, 282, Lugdunum, RIC V-2 Carus Nr. 2
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Auf dem noch im ersten Jahr seiner Herrschaft in Lugdunum geprägten Aureus Abb. 1 sehen wir die nach rechts gerichtete Büste des Carus. Dieser ist mit einem drapierten Panzer bekleidet und trägt als Zeichen seiner Würde den Lorbeerkranz. Auf einem relativ langen Hals sitzt der nahezu kugelförmige Kopf. Auffallend ist die hohe Stirn, bedingt durch die weit zurückweichende Haarkappe. Diese setzt sich aus kurzen, hart ausformulierten Locken zusammen. Der Vollbart zeigt die gleiche Lockenstruktur wie die Haarkappe. Das Gesicht besitzt, bedingt durch den Erhaltungszustand der Münze, keine Binnengliederung und wird dominiert von der „klassischen“ Bildung von Kinn, Mund, Nase und Stirn. Die Averslegende "IMP C M AVR [C]ARVS P F AVG" (Imperator Caesar Marcus Aurelius Carus Pius Felix Augustus - …. der Fromme / Pflichtbewusste, der Glückliche … ) benennt den Dargestellten eindeutig; dies war bei der kurzen „Amtszeit“ und dem häufgen Wechsel der Kaiser sicherlich auch notwendig. Auf dem Revers sehen wir ein ganz traditionelles Bild: Pax, die Personifikation des Friedens, schreitet nach links, in ihren Händen hält sie einen Lorbeer- oder Olivenzweig und ein langes Zepter. Obwohl das Bildschema der Pax auf römischen Prägungen durchaus geläufig war, wird sie durch die Rückseitenumschrift "PAX AVG" (Pax Augusti) nochmals eindeutig benannt. Es wird durch dieses Münzbild der umfassende Frieden im Imperium beschworen, was gerade in dieser Zeitspanne ein wichtiges Desiderat gewesen sein dürfte.
Der Antoninian Abb. 2 zeigt auf seiner Rückseite wieder das Bild der Pax, jetzt allerdings nach links stehend, mit den den Attributen Zweig und Zepter in den Händen. Die Umschrift "PAX AVGG" (Pax Augustorum - der Frieden der Kaiser) lautet etwas anders als bei dem Aureus und müsste sich aufgrund des doppelten „G“ eigentlich auf zwei amtierende Augusti beziehen, d. h. zum Zeitpunkt der Prägung müsste ein zweiter Augustus in Amt und Würden gewesen sein. Diese Annahme ist allerdings, wie die nächsten Münzbeispiele zeigen, nicht ganz unproblematisch.
Abb. 2 A, 282/283, Lugdunum, RIC V-2 Carus Nr. 13
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Auf der Vorderseite ist die nach rechts gerichtete Panzerbüste des Carus dargestellt. Der Kaiser trägt einen reich verzierten Helm mit Helmbusch. Auf dem Helm sitzt - etwas ungewöhnlich in der Darstellung - zusätzlich der Strahlenkranz als Zeichen des „Doppeldenars“. Das Kaiserporträt ist ansonsten wenig aussagekräftig. Die behelmte Panzerbüste auf dem Avers steht in direkter Beziehung zum Bild der Pax auf der Rückseite. Denn nur mit Hilfe des Militärs wird ein umfassender Friede möglich sein. Die Averslegende "IMP C M AVR CARVS AVG" (Imperator Caesar Marcus Aurelius Carus Augustus) hält sich im gewohnten Rahmen.
Der Ehe des Carus mit einer nicht näher bekannten Frau entstammten zwei Söhne: der um 250 geborene Marcus Aurelius Carinus und der um 253 geborene Marcus Aurelius Numerius Numerianus. Gegen Ende des Jahres 282, aber noch vor seinem jüngeren Bruder, wird Carinus zum Caesar erhoben, gleichzeitig erhält er den Titel des „princeps iuventutis“.
Abb. 3 A, 282,283, Tripolis, RIC V-2 Carus Nr. 209
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Auf dem Antoninian Abb. 3 sehen wir auf der Vorderseite die nach rechts gerichtete Panzerbüste des Carinus mit Strahlenkranz. Auf einem mächtigen Hals sitzt ein fast rechteckiger Kopf, dessen Kinn kaum über die Halskontur herausragt. Während sich die Haarkappe durch kleine, strichförmige Strähnen zusammensetzt, besteht der Vollbart eher aus kurzen Locken. Die Stirn, die von den Haaren kreisförmig umschlossen wird, ist glatt und geht nahezu eben in den Nasenrücken über. Der Gesichtskontur wird beherrscht von dem großen Auge mit seinen markanten Lidern. Das Kaiserporträt stellt einen wesentlich
älteren Mann dar als den ungefähr dreißigjährigen Carinus. Die Legende "IMP C M AVR CARINVS NOB C" (Imperator Caesar Marcus Aurelius Carinus Nobilis Caesar - …. der vortreffliche Caesar …) stellt klar, dass Carinus zum Zeitpunkt der Prägung noch nicht zum Augustus erhoben war. Aber gleichzeitig bezieht sich die Rückseitenumschrift "VIRTVS AVGG" (Virtus Augustorum - die Tüchtigkeit der Kaiser) mit den zwei “G“ üblicherweise auf zwei Augusti. Die Doppelung des „G“ könnte eventuell die in naher Aussicht stehende Erhebung des Carinus zum Augustus versinnbildlichen. Auf der Rückseite sind zwei einander zugewandte Figuren abgebildet. Die linke scheint mit Panzer und Paludamentum bekleidet zu sein und hält in ihrer linken Hand ein mit einem Knauf verziertes, kurzes Zepter. Die rechte Hand ergreift die Rechte der daneben stehenden Person, über dem „Handschlag“ schwebt ein Globus. Auch die rechts dargestellte Figur trägt - soweit erkennbar - militärische Tracht, mit der erhobenen linken Hand wird eine Lanze oder ein langes Zepter gehalten. Der rechts Stehende wird gemeinhin als der junge Caesar identifiziert, während in der linken Figur sowohl Jupiter als auch der Kaiser Carus gesehen werden kann. Die Darstellung impliziert auf jeden Fall die Teilung der kaiserlichen Macht mit dem Caesar Carinus. Oben, zwischen Carus und Carinus und genau über dem Globus, dem Symbol der Herrschaft über die gesamte Welt, befindet sich ein achtzackiger Stern, unten die Buchstaben "TR" als Zeichen der Münzstätte Tripolis. Unten im Abschnitt ist dann noch die Zahlenkombination "XXI" zu lesen. Diese Zahlenkombination findet sich seit Aurelian auf Billonmünzen und bezieht sich laut Christopher Howgego (Geld in der antiken Welt, 2000, S. 146) auf den Feingehalt der Münze, d.h. zwanzig Teile unedles Metall zu einem Teil Silber.
Abb. 4 A, 282/283, Siscia, RIC V-2 Carus Nr. 197 https://ikmk.uni-freiburg.de/object?id=ID8155.
Auch auf dem Antoninian Abb. 4 sehen wir die nach rechts gerichtete Panzerbüste des Carinus mit dem Strahlenkranz. Die Umschrift "M AVR CARINVS NOB CAES" (Marcus Aurelius Carinus Nobilis Caesar) bietet nichts Neues, sie besagt immer noch, dass Carinus nach wie vor nur den Titel „Caesar“ trägt. Dazu passt auch die Reverslegende "PRINCIPI IVVENT" (Principi Iuventuti - dem Führer der Jugend), die den zusätzlichen Titel des „princeps iuventutis“ nennt. Mit diesem Titel wurden seit Augustus die potentiellen Nachfolger des Kaisers geehrt. Das Rückseitenbild unseres Antoninian zeigt Carinus, bekleidet mit Brustpanzer und Paludamentum, in leichter Schrittstellung nach links. Im linken Arm hält der Caesar einen Speer, dessen Spitze nach unten zeigt, und der hinten in einem Knauf endet. In seiner Rechten hält Carinus einen ebenfalls nach unten gerichteten kurzen Stab, der sicherlich in Zusammenhang steht mit der Würde des „princeps iuventutis“. Bei dem "T" rechts neben Carinus scheint es sich um ein Kontrollzeichen der Münzstätte zu handeln. Unten im Abschnitt befindet sich wieder die oben erläuterte Zahlenkombination "XXI".
Unter Carus werden auch für Numerianus, dem jüngeren Bruder des Carinus, Münzen geprägt. Unsere beiden Beispiele, wieder zwei Antoniniane, entsprechen in Schrift und Bild weitestgehend den beiden Antoninianen des Carinus. Numerianus wurde Ende 282, allerdings einige Zeit später als Carinus, zum Caesar erhoben. Gleichzeitig erfolgte die Verleihung der Würde des „princeps iuventutis“.
Abb. 5 A, 282/283, Antiochia, RIC V-2 Carus Nr. 378
Bildquelle: https://ikmk.uni-freiburg.de/object?id=ID749.
Auf dem Antoninian Abb. 5 ist die nach rechts gerichtete, drapierte und gepanzerte Büste des Numerianus mit dem Strahlenkranz dargestellt. Das Porträt des Numerianus zeigt einen jungen Mann mit einer Kurzhaarfrisur und langen Koteletten. Die Gesichtsoberfläche ist glatt, markant ist das große Auge mit seiner deutlich ausgeführten Augenbraue. Die Averslegende "IMP C M AVR NVMERIANVS NOB C" entspricht der des Carinus, nur dass der Name durch Numerianus ersetzt wurde. Auf dem Revers sehen wir eine nahezu identische Darstellung, Carus/Jupiter und Numerianus, wie auf Abb. 3, nur dass sich jetzt auf dem Globus noch eine kleine Victoria mit einem Kranz in ihrer erhobenen Hand befindet. Über dem Globus mit Victoria ist wiederum ein Stern abgebildet. Unten ist zwischen Carus und Numerianus ein "ε" als Kontrollzeichen der Münzstätte zu lesen. Unten im Abschnitt sehen wir wieder "XXI".
Abb. 6 A, 282/283, Ticinum (Pavia), RIC V-2 Carus Nr. 366
Bildquelle: https://ikmk.uni-freiburg.de/object?id=ID747.
Der Antoninian Abb. 6 gleicht sowohl in Umschrift wie auch in der Art der Darstellung dem Antoninian Abb. 4 weitestgehend, lediglich wird Carinus durch Numerianus ersetzt. Auf dem Avers ist Numerianus abgebildet mit der dazugehörenden Legende. Auffallend ist, dass Numerianus hier wie auch bei Abb. 5 deutlich jünger dargestellt wird als sein nur wenige Jahre älterer Bruder Carinus. Die Rückseite zeigt Numerianus als „princeps iuventutis“. Die bekannte Zahlenkombination "XXI" unten im Abschnitt wird ergänzt durch "VI"; hierbei handelt es sich um eine Kennung der Münzstätte Ticinum.
Wie schon viele Kaiser vor ihm, versuchte auch Carus durch die frühzeitige Teilhabe seiner Söhne Carinus und Numerianus an der kaiserlichen Macht seine eigene Machtposition zu stärken und eine Familiendynastie aufzubauen. Wie uns die Geschichte lehrt, ist ihm das allerdings nicht gelungen!
Horst Herzog
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