Wenige Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges grassierte in Österreich die Inflation. Der Disponent einer Wiener Metallwarenfabrik holte Anfang September 1922 die 56 Kilogramm Papiergeld für die Lohnzahlung in Rucksäcken von der Österreichisch-Ungarischen Bank ab: „Ich habe verlautbaren lassen, jeder Angestellte möge morgen zur Auszahlung eine Tasche mitbringen.“ (Karl Bachinger, Abschied vom Schilling, Graz 2001, S. 40). Die Sanierung der Währung erfolgte mithilfe einer Anleihe des Völkerbundes. Die neue Währungseinheit Schilling wurde auf der Grundlage eines am 18. Mai 1923 von der Nationalbank gewählten Stabilisierungskurses zum Dollar fixiert. Der Schilling entsprach auf dieser Grundlage zugleich einer bestimmten Menge Goldes. Aus dem Gesetzestext: „Die Bundesregierung wird Bundesgoldmünzen zu 100 und 25 Schillingen auf Rechnung des Bundes ausprägen. Hierbei entfallen auf einen Schilling 0,21172086 Gramm feinen Goldes. (…) Den Bundesgoldmünzen kommt unbeschränkte Zahlkraft für alle Zahlungen zu, die in Schillingen geleistet werden können.“ (Ebenda, S. 66). Gegen Goldabgabe konnten die Münzen auch auf Privatrechnung in Auftrag gegeben werden. So wurden zwischen 1926 und 1934 etwa eine Million Goldmünzen zu 25 Schilling und 400.000 Stück zu 100 Schilling geprägt. Entworfen wurden die im Stil der neuen Sachlichkeit gehaltenen Münzen von Arnold Hartig.
Arnold Hartig wurde am 12. August 1878 in Brand geboren, einem Ortsteil von Tannwald in Nordböhmen. Nach einer Graveurlehre besuchte er die kunstgewerbliche Fachschule in Gablonz (heute Gablonec in Tschechien). Dort entdeckte er sein Interesse an der Medaille. Mit einem Staatsstipendium ausgestattet, konnte er 1898 seine Ausbildung an der Wiener Kunstgewerbeschule bei Prof. Stefan Schwartz fortsetzen. Im Jahre 1903 begann er seine Tätigkeit als freischaffender Künstler in Wien. Im Sommer 1914 wurde er zum Kriegsdienst einberufen. Die ersten vier Monate verbrachte Hartig im Sanitätsdienst, danach als Kriegsmedailleur: „Während des Ersten Weltkrieges war er im Auftrag des österreichischen Kriegsfürsorgeamtes tätig. Seiner Signatur fügte er neben der Datierung in dieser Zeit auch die Angabe ‚Hauptquartier‘ hinzu, mit der er auf seine kriegsunterstützende patriotische Tätigkeit verwies.“ (Bernard Weisser, Medailleure in Deutschland während des Ersten Weltkrieges, Teil 14; in: MünzenRevue, Heft 12/2015, S. 29).
Im Katalog seines Nachlasses sind allein 54 Arbeiten aus dem Zeitraum von 1914 bis 1918 aufgeführt. Eine Medaille auf den Feldmarschall Erzherzog Friedrich von 1915 zeigt seine Fähigkeit, lebensnahe Porträts zu entwerfen. Dabei bevorzugte er die klassische Profilansicht. Anhand der stehenden Minerva auf der Rückseite wird deutlich, dass Hartig zu dieser Zeit noch immer dem Jugendstil nahestand. Das fließende Gewand und die verwendete Schrifttype sind ein Beleg hierfür.
Nach dem Ersten Weltkrieg wandelte sich die Bildsprache von Hartig zunehmend: „Nachdem er den Anschluss wiedergefunden hatte, entstand eine ganze Reihe von Werken für Repräsentanten der Großindustrie. In diesen Werken zeigt sich eine Hinwendung zu ‚sachlichen‘ Gestaltungsprinzipien. Der Nachlasskatalog verzeichnet 113 Werke zwischen 1918 und 1934, darunter auch zwei Münzentwürfe im Jahre 1926 für die 25 und 100 Schilling in Gold, die jeweils 1926-1931 und 1933-1934 geprägt wurden.“ (Martina Pesditschek, Achim Feldmann, Die Josef-Keil-Medaille 1958 von Arnold Hartig, in: Münstersche Numismatische Zeitung, Juni 2012, S. 6).
Ein Vergleich der 100-Kronen-Münzen aus der Kaiserzeit mit den 100-Schilling-Stücken von Hartig aus den Anfangsjahren der Republik verdeutlicht die inzwischen eher nüchterne Bildsprache. Für das Wiener Hauptmünzamt entwarf der Künstler in dieser Zeit nicht nur Münzen, sondern auch zahlreiche Medaillen. Seine ersten Komponistenporträts gehen auf diese Zeit zurück, zum Beispiel eine Silbermedaille auf Joseph Haydn und eine vergoldete Bronzemedaille auf Franz Schubert (beide 1924) sowie eine weitere Silbermedaille zum 175. Geburtstag von Wolfgang Amadeus Mozart (1931). In seiner Autobiografie betonte Hartig, dass er dabei immer ohne fremde Hilfe tätig war: „Ich habe mich niemals eines Mitarbeiters bedient, sondern jedes kleinere Gipsmodell selber gegossen, jeden Bronzeguss selber ziseliert und sowohl die Stahlverkleinerungen als auch die Negativ-Prägestempel selbst durchgearbeitet.“ (Arnold Hartig, Aus meinem Leben, Wien 1964, S. 81).
Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden viele der bis heute bekannten Werke von Arnold Hartig, darunter weitere „Meister der Musik“. Auch Aufträge für Münzen erhielt er wieder. Auf Hartig gehen die Wappenseiten der 50-Schilling-Stücke von 1963 und 1964 sowie der 25-Schilling-Münzen der Jahre 1955 bis 1958 sowie 1960 bis 1964 zurück. Dabei handelt es sich um den bekannten, später variierten Wappenkreis der österreichischen Bundesländer. Seine Werke fielen nun weniger inspiriert aus, waren stattdessen konventioneller. Im Nachlasskatalog finden sich 93 Werke aus der Zeit von 1946 bis 1963. Im Alter litt das Sehvermögen des Künstlers so stark, dass er letztlich erblindete. Am 2. Februar 1972 verstarb Hartig in Purkersdorf in Niederösterreich.
コメント