Während der Kriege Napoleon I. galt in Teilen Europas das französische Währungssystem. Dem nach der Revolution von 1789 eingeführten Franc waren 5 Gramm 900er Silber zugeordnet. Zugleich entsprach ein Franc etwa 0,32 Gramm 900er Gold. Aus dem Gewichtsverhältnis ergab sich ein Wertverhältnis der beiden Metalle von 15,5:1. Der italienische Kernstaat Sardinien-Piemont entschied sich 1820 definitiv für den Münzfuß der Franzosen. Im Zuge der Bildung des italienischen Einheitsstaates wurde das System auf ganz Italien übertragen. Belgien übernahm den Franc im Jahre 1832, die Schweiz im Jahre 1850. Ohne internationale Initiativen war faktisch eine Währungsunion entstanden.
Mit den Goldfunden in Kalifornien (1848) und Australien (1851) geriet das System der Doppelwährung aus Gold und Silber jedoch in Schwierigkeiten. Das Überangebot an Gold ließ den Preis des gelben Metalls sinken. Spekulanten beschafften sich Silbermünzen en gros, tauschten sie am Londoner Markt gegen mehr Gold als üblich ein. Auch in der Bevölkerung wurde das Silber gehortet. Die Schweizer Regierung reagierte, indem sie den Feingehalt ihrer Silbermünzen zu Beginn des Jahres 1861 von 900 auf 800 senkte. Italien verringerte den Silberanteil im Jahr 1862 auf 835. Die französische Regierung schloss sich diesem Schritt im Mai 1864 an. Auf belgische Initiative trafen sich die vier Staaten, deren Währungen faktisch einen Verbund gebildet hatten, im November 1865 zu einer Konferenz. Es entstand der Vertrag über die Lateinische Münzunion (LMU). Danach war eine festgelegte Nominalkette goldener Kurantmünzen in den beteiligten Staaten gegenseitig umlaufberechtigt. Dasselbe galt für das silberne 5-Francs- beziehungsweise 5-Lire-Stück aus 900er Silber. Die vier Silber-Wertstufen geringeren Wertes bis zu 20 Centimes oder Centisimo herunter mit einer fixierten Legierung von 835 sollten nur beschränkt umlaufberechtigt sein. Damit waren die zuletzt genannten Münzen zu Scheidemünzen degradiert, die zudem in den Teilnehmerländern nur bis zu einem Höchstbetrag von 6 Francs oder Lire ausgegeben werden durften.
Einige Jahre später veränderte sich das Wertverhältnis zwischen Gold und Silber allmählich zugunsten des Goldes. Lag das Preisverhältnis im Jahre 1871 noch bei 15,5 : 1, war es acht Jahre später bereits auf 18,3 : 1 gefallen. Im Jahr 1894 lag das Verhältnis der beiden Metalle bei 32,6 : 1, weitere acht Jahre später bei 42 : 1. Das in den Vertragsstaaten unbeschränkt annahmefähige 5-Lire-Stück versprach nun bei einem Umtausch in Goldmünzen erkleckliche Gewinne. Im Fall einer zunehmend mit Papiergeld und Inflationserscheinungen kämpfende Währung wie der italienischen erschien sogar der Erwerb ausländischer Waren mithilfe dieser Münzen interessant. Das notorisch klamme Italien machte sich die Situation zunutze. Die 5-Lire-Münzen wanderten zunehmend in die übrigen LMU-Länder ab. Sogar die italienische Regierung beteiligte sich an dem renditeträchtigen Münztransfer. In Kooperation mit Privatleuten ließ sie preiswertes Silber in derartige Lire-Münzen ausmünzen. Den Gewinn teilten sich die Regierung und ihre Geschäftspartner. Auf diese Weise exportierte Italien die Probleme seiner Papierwährung vor allem nach Frankreich.
Das italienische Papier anstelle des Silbergeldes provozierte im Lande selbst „eine Aussetzung des monetären Fußes. Goldmünzen, 5-Francs-Münzen aus Silber und die silbernen Unionsmünzen verloren vorübergehend die Qualität von Umlaufmünzen; sie wurden zu Waren mit wechselnden Preisen, ausgedrückt in Form eines täglichen variablen Aufgeldes (...). Die Differenz im Agio musste zu Spekulationen über den Export des zusätzlichen Silbers aus Italien im Falle nach Ratifizierung der Pariser Währungsvertrages führen, wodurch sich für diese Währung ein Absatzmarkt in Frankreich, der Schweiz und Belgien eröffnete.“ (Luca Einaudi, Monetary Unions an Free Riders, in: Rivista di Storia Economica, Turin 1997, S. 331).
Die übrigen Vertragsstaaten ließen sich diese Transaktionen nicht lange gefallen. Im Jahr 1874 wurde ein Anschlussabkommen unterzeichnet, wonach jedem Mitgliedsland nur noch ein begrenztes Prägekontingent an diesen Münzen zugestanden wurde. Im Jahr 1878 wurde die Ausprägung weitgehend eingestellt. Nach zähen Verhandlungen hatte man sich mit der italienischen Regierung zudem darauf einigen können, alle Banknoten mit einem Nennwert unter fünf Lire innerhalb von sechs Monaten aus dem Verkehr zu ziehen. Zur Erleichterung wurde den Italienern für das Jahr 1879 noch einmal ein Prägekontingent von 5-Lire-Stücken im Wert von 20 Millionen Francs zugebilligt. Parallel dazu kam es zu einer internationalen Goldanleihe für das Land, damit möglichst rasch die Papiergeldwirtschaft beendet werden konnte. Die mühsam erarbeitete Rückkehr der Italiener einer funktionierenden Metallwährung hatte jedoch keinen Bestand.
Ab 1890 führte eine Wirtschafts- und Währungskrise zu einer erneuten Abwanderung des Silbergeldes: „Vor allem kleinere Spekulanten kauften Silberscheidemünzen in Italien auf, transportierten diese nach Frankreich, wo sie in Gold eingetauscht wurden, welches darauf wieder nach Italien zurückfloss. Die Folge war, dass das vor allem für alltägliche kleine Zahlungen benutzte Silbergeld beträchtlich zurückging und die Regierung ein Verbot über den Export von Silberscheidemünzen nach Frankreich verhängte.“ (Guido Thiemeyer, Internationalismus und Diplomatie, München 2009, S. 220). Die Maßnahmen halfen jedoch nur wenig. Der Wert der Lira sank. Im Jahr 1894 musste neues Papiergeld ausgegeben werden. Außerdem wurde ein Zwangskurs für Münzgeld verordnet.
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