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Dietmar Kreutzer

Israels Münzdesign: Das Schicksal des Jakob Zim

Sein Vater war ein polnischer Schildermaler. Sohn Jakob schloss sich einer zionistischen Bewegung von Jugendlichen an und studierte Kunst. Nach der deutschen Besetzung 1939 wurde Jakob mit seiner Familie ins Ghetto deportiert. Dort arbeiteten er und sein Bruder Emmanuel in der Werkstatt für Kunstgewerbe. Im August 1943 wurden seine Eltern und ein Bruder dann nach Auschwitz transportiert, wo sie ermordet wurden. Jakob selbst kam zunächst ins Arbeitslager Annaberg und dann nach Blechhammer. Dort traf er seinen anderen Bruder wieder: Nathan. Zu Beginn des Jahres 1945 wurden sie auf einen Todesmarsch nach Buchenwald geschickt.

In einem Video für die Gedenkstätte Yad Vashem berichtete er: „Großvater Alexander, Großmutter Teresa, Tante Eva, mein Vater Zvi, meine Mutter Gabriella und mein ältester Bruder Shmuel Emanuel wurden in Auschwitz ermordet. Ich lebe mit dem Schatten und schaffe mit dem Licht. […] Es war Sonntag. Die Russen rückten vor, und im Lager hörten wir schon das Dröhnen der Gewehre. Die Deutschen riefen: ‚Sammelt euch, alle!‘ und wir gingen. Mein Bruder Nathan und ich unterstützten uns gegenseitig beim Gehen. Wenn jemand zurückblieb, wurde er erschossen. Bis heute erinnere ich mich an zwei Brüder, die genau wie mein Bruder Nathan und ich gingen, und einer von ihnen sagte: ‚Ich kann nicht mehr weitergehen. Geh du, lass mich hier.‘ Sein Bruder weigerte sich rundheraus, und so erschoss der Deutsche sie beide. Der Schnee fiel auf die beiden Leichen, als wir uns entfernten. Nach etwa zwei Stunden war die Sonne aufgegangen, und ich sah in der Ferne einige Häuser und Dächer, deren rote Ziegel hier und da hervortraten. Die Sonne schien auf den Schnee, und ich sagte zu meinem Bruder: ‚Natek, schau mal, wie schön das ist!‘ Das verfolgt mich bis heute. Ich kann nicht glauben, dass ich in der Situation, in der wir uns nach dem, was den beiden Brüdern passiert war, befanden, noch die Schönheit der Schöpfung sehen konnte. Ich spürte damals, dass der kommende Frühling mir gehören würde.“[1]


Jakob Zim (1920–2015) [Youtube, Yad Vashem]


In Buchenwald sind die Brüder endlich befreit worden. Die gemeinnützige Organisation Œuvre de secours aux enfants (OSE) organisierte für die „Buchenwaldkinder“ den Umzug nach Frankreich. Jakob und Nathan wanderten 1945 nach Israel aus. Jakob Zim studierte an der Bezalel Academy of Art and Design. Im Jahre 1948 kämpfte er im israelischen Unabhängigkeitskrieg. Als Graphikdesigner legte er danach eine Karriere hin. Seine Malerei und Graphik wurde in zahlreichen Ausstellungen in Israel und im Ausland gezeigt. Unter Sammlern von Weltmünzen ist er vor allem für seine modernen Münzentwürfe bekannt geworden.


Israel. 100 Lirot von 1968. 800er Gold, 25 g, 33 mm [HD Rauch, Auction E-Live 32/224]


Von Jacob Zim stammt beispielsweise der Entwurf für die Gedenkmünzen zum 20. Jahrestag der Unabhängigkeit. Die Vorderseite zeigt oben rechts das Wort „Israel“ in Hebräisch, Arabisch und Englisch sowie den Nennwert in Hebräisch. In der Mitte befindet sich eine Nachbildung der Silbermünzen des Bar-Kochba-Aufstands, auf denen eine viersäulige Tempelfassade abgebildet ist. Darunter steht das Ausgabejahr in Hebräisch und Englisch. Auf der Rückseite sind ein Panorama der wiedervereinigten Stadt Jerusalem und das israelische Staatswappen zu sehen. Die Umschrift: 20. Jahr des Staates Israel.

Eine modifizierte Variante der Stadtansicht ist auch in die 5000-Sheqalim-Banknote von 1984 integriert, die Jakob Zim ebenfalls entworfen hat.


Israel. 5000 Sheqalim von 1984. Entwurf von Jacob Zim [Wikimedia, Bank of Israel]


Die Gestaltung der im Jahre 1971 mit der Schriftzeile „Let My People Go“ ausgegebenen Gedenkmünzen hat Jakob Zim ebenso ausgearbeitet. Sie erschienen im Kontext des Sechs-Tage-Krieges im Nahen Osten, in dessen Folge viele russische Juden die Sowjetunion verlassen wollten: „Ein Gefühl des Stolzes richtete den Rücken der russischen Juden in ihrer feindlichen Umgebung auf. In verschiedenen Teilen Russlands bildeten sich Gruppen zum Studium der hebräischen Sprache und der Geschichte des jüdischen Volkes. Das Erwachen der jüdischen Gefühle verwandelte sich in eine offene nationale Bewegung.“[2] Trotz schwerer Repression konnten zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Untergang der Sowjetunion etwa 2,75 Millionen Juden auswandern.


Israel. 100 Lirot von 1971. 900er Gold, 22 g, 30 mm [The Coin Cabinet, Auction 52/145]


Für die Gedenkmünze zum 35. Jahrestag der Unabhängigkeit gestaltete Jakob Zim die Rückseite, die unter dem Motto „Tapferkeit“ steht und mit der die Streitkräfte des Landes geehrt wurden. Das Emblem der Israel Defense Forces (IDF) steht auf einem Hintergrund aus dem gemeißelten Davidstern. Unten rechts hat Zim kunstvoll das hebräische Wort „Zahal“ in den Stern eingearbeitet.


Israel. 10 Sheqalim von 1983. 17,2 g, 30 mm [Nomisma, Asta 18 Online/1326]


Die Formensprache der Münzentwürfe von Jakob Zim ist typisch für das Selbstverständnis des Staates: „Die frühen Gedenkmünzen des modernen Israel betonen das wirtschaftliche und technologische Wachstum der wachsenden Nation mit Münzen, die mit konkaven Oberflächen geprägt wurden. Die ersten 16 Ausgaben zu Israels jährlichen Unabhängigkeitsjubiläen sind alle mit dramatischen konkaven Oberflächen geprägt, die eine einzigartige Tiefe und einen funkelnden Glanz verleihen, anders als jede andere bis zu diesem Zeitpunkt ausgegebene Weltmünze.“[3]

Auch ausländische Designer, insbesondere jene in Finnland, orientierten sich an der modernen Formensprache. Das zeigen die dortigen Prägungen aus den sechziger Jahren: „Die Unabhängigkeits-Gedenkmünze von 1967 war von Anfang an als Andenken gedacht, und sie war sehr erfolgreich und innerhalb eines Tages ausverkauft. Künstlerisch beeinflusst von den jüngsten Münzen Israels, war sie auch mit den modernen Kunstmedaillen Finnlands verwandt.“[4] So zählen einige der israelischen Prägungen bis heute zu den schönsten aus der Moderne weltweit.


Anmerkungen

  1. „Holocaust Survivor Testimony“, auf: yadvashem.org.

  2. numista.com.

  3. Jeff Stark: „Early commems of modern Israel explore array of topics“, auf: coinworld.com.

  4. Tuukka Talvio: Modern commemorative coins – Symbols of national and cultural identity. Hannover 2007, S. 74.

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