Die Geschichte des irischen Schriftstellers James Plunkett spielt in einer Parkanlage von Dublin, einige Jahre nach der Unabhängigkeit des Landes. Ohne selbst einen Penny in der Tasche zu haben, beobachtet der junge Michael Kavanagh ein kleines Mädchen, das mit einer Münze spielt, die sie aus der Tasche ihres Großvaters gezogen hatte: „Als sie sie in die Luft warf, blitzte es auf; als sie niederfiel, klingelte sie silberhell über den Weg und kreiselte ringsherum. Sie rollte in mehreren Kreisen, ehe sie umkippte.“ (James Plunkett, The Half-Crown, in: Die Silbermünze – Irische Erzählungen, Leipzig 1966, S. 127).
Michael hatte an dem unschuldigen Spiel des Kindes jedoch keine Freude. Was könnte er mit einer wertvollen Münze wie einer Half Crown nicht alles tun? Einem hübschen Mädchen das Fahrgeld bezahlen und ihr ein Eis kaufen oder sich Zigaretten besorgen, die man nach dem Schwimmen gern rauchte, oder Fisch und Chips, die man abends auf dem Heimweg mit den anderen Jungen aus einer Papiertüte essen konnte. „Die Silbermünze stieg und fiel und Michael folgte ihr gierig mit den Blicken. Manchmal fiel sie hin, ein glänzender, wenn auch kleiner Stern, fiel außerhalb der Reichweite des Kindes, und die Kleine tippelte ihr unschuldig nach, um sie wieder zu holen. Manchmal fiel das Geldstück so hin, dass es wie unentschlossen zu Michael hinüberwackelte. (…) Die Silbermünze fiel hin und rollte auf ihn zu. Er beobachtete sie. Glitzernd beschrieb sie einen Bogen nach links. Vorsichtig hob er den Fuß und brachte sie zum Stehen.“ (Ebenda, S. 128). Als sich das kleine Mädchen ihm näherte, blaffte er es schroff an: „Hau ab. Geh weg!“
Das Geldstück, welches derartige Begehrlichkeiten weckt, entstammt einer bemerkenswerten irischen Münzserie aus den zwanziger Jahren. Nach der Unabhängigkeit des Landes war der irische Nobelpreisträger William Butler Yeats zum Vorsitzenden einer Kommission gewählt worden, die über die Motive der ersten irischen Münzserie entscheiden sollte. Da Irland fast seinen gesamten Handel mit Großbritannien abwickelte, erschien es sinnvoll, sowohl die Wertbezeichnung und Größe als auch den Durchmesser der Münzen von den Briten zu übernehmen. Das Auswahlverfahren begann im Jahr 1926. Über das Motiv der Vorderseite bestand rasch Einvernehmen. Anstelle eines Wappens sollte auf jeder Münze eine Harfe platziert werden. Ausgewählt wurde ein Instrument von Brian Boru, des bedeutendsten mittelalterlichen Herrschers, das im Dublin Trinity College ausgestellt ist.
Über die Motive auf der Rückseite war die Kommission dagegen lange Zeit uneinig. In einer der ersten Sitzungen der Kommission wurde vorgeschlagen, den heiligen Patrick als Schutzpatron der Insel abzubilden oder jenen legendären Brian Boru. Authentische Abbildungen von letzterem fehlten allerdings. Auch die Helden des wenige Jahre zurückliegenden Freiheitskampfes waren ein Thema. Viele von ihnen lebten aber noch und betätigten sich in der Tagespolitik. Schnell wurde klar, dass unverfängliche Symbole gefragt waren, mit denen sich jeder Ire identifizieren konnte. William Butler Yeats schlug daraufhin vor, die Tiere der Insel ins Bild zu setzen.
Unter dieser Vorgabe wurden sieben Münzgestalter aus Europa zu einem Wettbewerb eingeladen. Mit Percy Metcalfe setzte sich ein damals noch weitgehend unbekannter Brite durch. Als die ersten Münzen im Jahr 1928 in Umlauf kamen, sorgte die ungewöhnliche Motivwahl unter Traditionalisten für heftige Reaktionen. Im Lauf der Zeit wurde die Serie jedoch so beliebt, dass sie auch nach der Umstellung der Silbermünzen auf unedle Metalle im Jahr 1943 über Jahrzehnte hinweg beibehalten wurde. Das Symbol der Harfe findet sich sogar heute noch auf den irischen Euro-Münzen.
Als der junge Michael Kavanagh abends vom Park nach Hause ging, erinnerte er sich an die Münze in seiner Tasche. Abschätzig blickte er die vor ihm stehende Mutter an. Die reagierte wie üblich auf die Schweigsamkeit ihres Sohnes: „Ein Penny für deine Gedanken, Michael!“ Am liebsten hätte er seine Mutter in diesem Moment umarmt, ihr gesagt, wie sehr er sie mochte. Doch das schien einem Jungen in seinem Alter nicht anzustehen. So schwieg er sich aus: „Dann berührten seine Finger die Silbermünze in seiner Tasche. Aus Beschämung und im Gefühl seiner Unwürdigkeit stieg ihm langsam die Röte in die Wangen. Das gestohlene Geldstück war plötzlich wertlos geworden. Er konnte sich damit nicht kaufen, was er haben wollte.“ (Ebenda, S. 132).
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