Interview mit Wolfgang J. Mehlhausen
- Dietmar Kreutzer
- vor 1 Tag
- 4 Min. Lesezeit
Wolfgang J. Mehlhausen war schon in der DDR als Münzhändler tätig. Kurz nach der Wende gründete er mit seinem Partner Klaus Priese in Ost-Berlin eine eigene Münzhandlung. Vor einiger Zeit zog er sich aus dem Geschäftsleben zurück. Mehlhausen gilt bis heute als Fachmann für den osteuropäischen Münzenmarkt, insbesondere den polnischen. Er stellt die Münzneuheiten in der Zeitschrift Münzen & Sammeln vor.

Foto: Privat
Münzen-Online: Wie kam es zur Gründung Ihrer früheren Münzhandlung?
Wolfgang J. Mehlhausen: Mein Geschäftspartner Klaus Priese und ich waren Angestellte des Staatlichen Kunsthandels der DDR. Klaus Priese ist schon früh aus seinem Beruf ausgestiegen und in den Kunsthandel gegangen. Ich bin 1986 aus dem Außenhandel dazugekommen, wo ich mangels Parteizugehörigkeit nicht aufsteigen konnte. Beim Staatlichen Kunsthandel wurde ich Fachgebietsleiter für Münzen. Nach der Wende war ich an der Abwicklung der Firma beteiligt. Dabei ergab sich die Möglichkeit, den Münzhandel mit Klaus Priese in eigene Hände übernehmen.
Münzen-Online: Der Staatliche Kunsthandel hat auch Münzen angeboten?
Wolfgang J. Mehlhausen: Allerdings. In der Chausseestraße war der Ankauf für ganz Ost-Berlin angesiedelt. Ein Kollege ist immer durch die DDR gefahren, insbesondere in den Bezirken Potsdam und Frankfurt/Oder war er unterwegs. In den dortigen Städten hat er Münzen angekauft. Die Auktionen fanden zweimal im Jahr statt. Verkauft wurde in einem Eckgeschäft an der Friedrichstraße und in einem zweiten Laden am Bahnhof Frankfurter Allee. Der Eckladen an der Friedrichstraße verschwand wegen der hohen Miete kurz nach der Wende. Der Inhaber wechselte mit seinem Geschäft in eine Kleinstadt nach Brandenburg. Der zweite Laden ist erst vor kurzer Zeit aufgegeben worden.
Münzen-Online: Wie hat sich Ihr Geschäft nach 1990 entwickelt?
Wolfgang J. Mehlhausen: Als die Wende kam, war uns klar, dass der Staatliche Kunsthandel keine Zukunft haben würde. So wurden wir 1993 zu einer selbstständigen Firma, der Münzhandlung Priese & Mehlhausen. Mit vielen Ängsten haben wir von Monat zu Monat gefiebert: Wird der Monat gut, wird er schlecht? Doch die Firma ist im Laufe der Zeit gut gewachsen. Unser Laden in der Chausseestraße war dabei ein großes Plus. Zwei Auktionen haben wir pro Jahr ausgerichtet. Eine Fünf-Tage-Woche oder einen Acht-Stunden-Tag hatten wir jedoch nie. Aber wir haben es geschafft, hatten Freude an unserem Beruf. Im Jahr 2007 haben wir die Firma dann in jüngere Hände übergeben.
Münzen-Online: Welche Veränderungen haben die Sammler 1990 erlebt?
Wolfgang J. Mehlhausen: Die Veränderungen waren dramatisch. Plötzlich bekam man Silbermünzen, dazu noch sehr günstig! Das ganze Preisniveau bei Münzen war ja im Westen viel niedriger. In der DDR hatten wir einen utopischen Silberpreis von 5,75 Mark für ein Gramm. Kluge Leute holten das Silber aus dem Westen in die DDR und verkauften es hier. Sie bekamen einen Traumkurs! Auch Gold war mit 220 Mark pro Gramm viel teurer als im Westen. Mit der Einführung der D-Mark bekamen viele Sammler die Chance, die silbernen Gedenkmünzen aus der Bundesrepublik und Österreich zu kaufen. Für den, der Arbeit hatte, war ein 100-Schilling-Stück plötzlich sehr preiswert. Das hat das Sammeln sehr befördert! Es gab sogar Angebote, für zehn DM ein ganzes Kilogramm Münzen zu kaufen!
Münzen-Online: Hat sich das Sammlerverhalten in letzter Zeit verändert?
Wolfgang J. Mehlhausen: Raffiniert beworbene Pseudo-Münzen sind noch immer gefragt. Man kann sie später nur nicht mehr verkaufen! Historische deutsche Münzen sind zumeist eine gute Bank. Die DDR-Münzen sind dagegen erheblich billiger geworden. Etwa 35 Jahre nach der Wende gibt es unter Sammlern kaum noch einen historischen Bezug zu diesen Stücken. Durch den extrem gestiegenen Goldpreis wird der Erwerb von Goldmünzen immer schwieriger. Bei einem Preis von über 90 Euro pro Gramm sind viele Kunden nicht mehr in der Lage, selbst kleine Goldmünzen zu kaufen. Der Silberpreis ist auch gestiegen. Er liegt heute bei etwa einem Euro pro Gramm, was recht teuer ist.
Münzen-Online: Welche Entwicklungen gibt es bei den Reichsmünzen?
Wolfgang J. Mehlhausen: Das Qualitätsdenken ist bei den Sammlern ein ganz anderes als früher. In der DDR hat man alles genommen. Heute, wo fast alles in Hochglanz und polierter Platte hergestellt wird, außerdem mit aufwändigen Herstellungsverfahren, haben Kunden mitunter utopische Anforderungen an den Erhaltungsgrad, sogar bei historischen Münzen. Doch viele Münzen aus dem Kaiserreich waren im Umlauf. Die haben Gebrauchsspuren und können oft nicht im Erhaltungsgrad „Stempelglanz“ erworben werden. Bei derartigen Ansprüchen kann man seine Sammlung nie komplettieren! Altdeutsche Taler und Reichsmünzen sind garantiert auch in Zukunft beliebt und eine gute Geldanlage.
Münzen-Online: Sehen Sie bestimmte Sammlergebiete, die im Kommen sind?
Wolfgang J. Mehlhausen: Durch Reisen kommen viele Leute zum Sammeln gekommen. In Osteuropa konnte man früher schnell eine Sammlung vervollständigen. Bei viele westeuropäischen Staaten wie Frankreich gelingt es nicht einmal, einen einzigen Jahrgang zu komplettieren. Da gibt es einfach zu viele spezielle Abschläge, beispielsweise aus Gold und Silber. Die kann kaum jemand bezahlen! Münzen aus Osteuropa werden in letzter Zeit zunehmend gekauft. In Polen wurde schon immer viel gesammelt. Nun kommen die Polen zu Geld und sorgen für steigende Preise bei ihren Münzen. Dieser Trend wird sicher noch eine Weile anhalten. Das dortige Pro-Kopf-Einkommen steigt ja weiter!
Münzen-Online: Gibt es noch ein Land, das gerade derart im Aufbruch ist?
Wolfgang J. Mehlhausen: Gedenkmünzen aus Bulgarien sind in letzter Zeit sehr teuer geworden. Das fällt sogar Sammlern auf, die mit dem Land nichts zu tun haben und kaum auf Auktionen gehen. Wer solche Münzen vor einigen Jahren gekauft hat, erlebt derzeit eine exorbitante Wertsteigerung. Das ist ein klassisches Beispiel für den Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und der Nachfrage nach seltenen Münzen. Händler aus solchen Ländern gehen sogar hierzulande auf Suche, kaufen auf deutschen Auktionen. Daheim verkaufen sie die Stücke zum doppelten Preis. Man darf gespannt sei, welche Länder sich als nächste entwickeln und in ihren Preisen nachziehen.
Münzen-Online: Sammeln Sie auch heute noch Münzen?
Wolfgang J. Mehlhausen: Ich bin jetzt 76 Jahre alt und habe den größten Teil meiner Sammlung verkauft. Das hat auch einen bestimmten Grund. Von den vielen Sammlern, die ich kenne, fallen mir nur wenige ein, bei denen sich auch der Sohn oder der Enkel für Münzen interessiert. Die meisten Sammler leiden darunter, dass sich die Kinder nicht für die Sammlung ihrer Eltern und Großeltern begeistern können. So ist es auch bei mir. Bis heute bearbeite ich aber die Münzneuheiten für die Zeitschrift Münzen & Sammeln. Auf diese Weise bleibe ich geistig fit und kann meine Kontakte zu Münzstätten pflegen. Ich habe Bekannte in den Prägestätten von Warschau, Tschechien, in der Türkei.
Das Interview führte Dietmar Kreutzer
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