Seit Juni 2015 ist Prof. Dr. Bernhard Weisser der Direktor des Münzkabinetts der Staatlichen Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz. Münzen-Online hat ihn gefragt, wie er zur Numismatik kam und wie es aktuell im Münzkabinett läuft. Die aktuelle Sonderausstellung "Lange Finger - Falsche Münzen: Die dunkle Seite der Numismatik" ist bis zum 21. September 2025 im Bode-Museum zu sehen. Schon kurz nach der Eröffnung war klar, dass sie ein Publikumsmagnet wird!
Prof. Dr. Bernhard Weisser mit Tetradrachmen
aus der Sammlung des Münzkabinetts
Foto: Kreutzer.
Münzen-Online: Haben Sie schon als Kind Münzen gesammelt?
Prof. Dr. Weisser: Als Kind und Jugendlicher habe ich Briefmarken gesammelt. Von Beginn an hatte ich eine Affinität zu kleinen Objekten mit ihren Bild- und Textbotschaften. Die größere Leidenschaft war aber die Klassischen Archäologie. Als ich mit dem Studium begann, sagte mir mein Professor Klaus Fittschen: Sie wissen schon, dass allein mit den wenigen Studierenden, die wir hier in Göttingen haben, sämtliche Stellen in der Klassischen Archäologie bis zum Jahr 2030 besetzt werden können. Er wollte mir vermitteln, dass ich kaum eine Chance hätte, diesen Beruf später auszuüben. In diesem Bewusstsein habe ich studiert. Ich habe das Studium genossen, war mir aber ziemlich sicher, dass viele Faktoren zusammenkommen müssen, um in diesem Beruf tatsächlich tätig sein zu können.
Münzen-Online: Dann haben Sie sich also im Studium für Münzen begeistert?
Prof. Dr. Weisser: Im Studium habe ich mich schon frühzeitig für Münzen interessiert. Ich belegte zunächst ein numismatisches Seminar bei Christof Boehringer in Göttingen und ein weiteres bei Hans Roland Baldus in München. Die intensive Beschäftigung mit der Numismatik begann im Zuge meiner Magisterarbeit. Ich habe über eine Basis für den Kaiser Tiberius publiziert, die in der Antike auf dem Marktplatz von Pozzuoli aufgestellt war und sich heute im Archäologischen Museum von Neapel befindet. Die Basis trug eine Sitzstatue des Kaisers Tiberius und zeigt vierzehn kleinasiatische Stadtpersonifikationen, darunter von Städten wie Ephesos, Sardis und Magnesia am Sipylus. Die Personifikationen sind ungewöhnlich dargestellt, zum Teil als Götter der Städte, im Fall von Ephesos aber auch als Amazone. Um die diese Stadt-Personifikationen zu verstehen, habe ich mir die zugehörigen Münzprägungen der Städte angeschaut (vgl. Weisser 2008).
Die Basis von Pozzuoli
Bildquelle: Weisser 2008, 121 Abb. 14–16.
Münzen-Online: Dabei haben Sie Feuer gefangen?
Prof. Dr. Weisser: Genau. Nachdem ich die Magisterarbeit abgegeben hatte, war ich mit einem Erasmus-Stipendium für ein halbes Jahr in Athen und habe ein Praktikum am Numismatischen Museum von Athen absolviert. Dort fand ich ein Thema für meine Doktorarbeit - die kaiserzeitliche Münzprägung von Pergamon. Seitdem bin ich der Numismatik verfallen, insbesondere der griechischen Numismatik. Danach kehrte ich nach München zurück und nahm drei Jahre an einem Graduiertenkolleg in Köln teil. Dabei ging es um städtische Eliten im Römischen Reich. Das Thema passte gut zu meiner Doktorarbeit. Schließlich wurde ich wissenschaftliche Hilfskraft bei Prof. Johannes Nollé an der Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik. Im Januar 1996 war meine Doktorarbeit fertig.
Münzen-Online: Dann ging es nach Berlin?
Prof. Dr. Weisser: Im April 1996 konnte ich hier als Museumsassistent in Fortbildung anfangen. Es war die Zeit der Vorbereitung auf den 12. Internationalen Numismatischen Kongress. Daran war ich intensiv beteiligt. Für einige Zeit unterbrach ich diese Tätigkeit. Für die Doktorarbeit hatte ich nämlich das einjährige Reisestipendium des Deutschen Archäologischen Institutes zur Förderung des akademischen Nachwuchses bekommen. Ich fuhr mit meiner Frau, der Klassischen Archäologin Andrea Gorys, in einem Camping-Bus fast um das komplette Mittelmeer herum. Dabei pilgerten wir von einer historischen Münzstätte zur nächsten. Es begann in Rom, ging weiter über Unteritalien, Sizilien, Tunesien, Libyen, Ägypten, Jordanien, Israel, Syrien, Libanon, die Türkei, dann über Griechenland wieder nach Italien zurück. Seitdem bin ich gut im Bilde, wie viele Münzstätten in diesen Ländern heute aussehen. Die Zeit empfinde ich rückblickend als außerordentlich bereichernd. Sie trägt mich bis heute.
Als Reisestipendiat an der Nekropole von Gerisa (Ghirza) in Libyen
Foto: Andrea Gorys.
Münzen-Online: Wie waren die ersten Jahre im Münzkabinett?
Prof. Dr. Weisser: Als ich am 1. April 1996 am Münzkabinett anfing, wusste ich sofort, dass ich hier richtig bin. Es war eine tolle Erfahrung. Ich fühlte mich wie ein Fisch im Wasser! Ich war mir immer sicher, dass ich eine praktische Tätigkeit brauche, beispielsweise in einem Museum, also mit vielen Objekten, die ich anfassen kann. Ich bin bis heute jeden Morgen dankbar, wenn ich das Bode-Museum aus der Ferne sehe und weiß, jetzt darf ich hier wieder einen Tag verbringen. Ich betrachte es als ein Geschenk, hier arbeiten zu dürfen! Das Münzkabinett war schon immer ein aufregender Ort. Als ich als junger Mann erstmals hierher kam, lernte ich Hans Dietrich Schultz kennen. Er legte mir die Münzen von Pergamon vor. Ich erlebte, wie Wolfgang Steguweit mit Franziska Schwarzbach über Medaillenprojekte zu Kunstgeld diskutierte. Ich lernte den fantastischen Mittelalter-Numismatiker Bernd Kluge kennen, den damaligen Direktor. Im Jahr 1996 wurde ich dann von den Kolleginnen und Kollegen als „Museumsassistent in Fortbildung“ sehr warmherzig aufgenommen!
In der Ausstellung „Flinke Finger – Falsche Münzen“
im Bode-Museum auf der Berliner Museumsinsel
Foto: Franziska Vu
Münzen-Online: An welche Ausstellung der letzten Jahre erinnern Sie sich besonders gern?
Prof. Dr. Weisser: In der Regel veranstalten wir jedes Jahr mindestens eine Sonderausstellung. Ein Lieblingsprojekt von mir waren die Weltkriegsmedaillen, die im Jahr 2014 zum 100. Jahrestag des Kriegsbeginns von 1914 gezeigt wurden. Das Thema hat mich intensiv beschäftigt. Ich konnte feststellen, dass zu diesem Thema noch Einiges zu tun ist. Auf den Krieg in Syrien reagierten wir mit der Ausstellung „Syra Antiqua“. Ich fand auch unsere Ausstellung „Muse macht Moneten“ sehr interessant. Dabei ging es um Kunstgeld und Geldkunst. Die Schau hat viele Kunstliebhaber ins Museum gelockt. Zu den meisten unserer Ausstellungen erscheinen auch Publikationen, etwa zum Werk der Bildhauerin und Medailleurin Heide Dobberkau, die sich über die Ausstellung im Bode-Museum sehr gefreut hat. Besonders erfolgreich ist unsere aktuelle Ausstellung „Lange Finger - Falsche Münzen“, in der es um Kriminalität rund um Münzen geht. Auch die unlängst in diesem Zusammenhang erschienene Publikation „Falschgeld und Münzfälschungen“ verkauft sich sehr gut.
Hubertus von Pilgrim: Löwe und Maus (2007), Bronze, 108 mm.
Foto: R. Saczewski. Online
Münzen-Online: Sammeln Sie selbst Münzen?
Prof. Dr. Weisser: Ich hatte nie das Bedürfnis, antike Münzen zu sammeln. Ich sammle zeitgenössische Kunstmedaillen. Die kaufe ich in der Regel direkt bei den Künstlern. Dazu gehe ich zumeist auf die Messe im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medaillenkunst. Die Medaillen muss ich aber nicht behalten. Ich stelle sie auf und nutze sie wie bei den „Wahlverwandtschaften" von Goethe als Gesprächseinladung. Gern verschenke ich Medaillen als Freundesgabe. Meiner Tochter habe ich „Löwe und Maus“ von Hubertus von Pilgrim geschenkt. Die Medaille „Freiheit im Netz?“ von Andreas A. Jähnig habe ich sogar mehrfach verschenkt!
Zum Weiterlesen:
B. Weisser, Die Basis von Pozzuoli, in: Hrsg. A. Borbein, Antike Plastik, Lieferung 30 (München 2008) 105-160 Taf. 48-67. Online
B. Kluge und B. Weisser (Hrsg.), Gold gab ich für Eisen. Der Erste Weltkrieg im Medium der Medaille. Das Kabinett 14 (Berlin 2014). Leseprobe
A. Küter und B. Weisser, MUSE MACHT MONETEN. Kunst prägt Geld. Eine Ausstellung des Münzkabinetts mit Leihgaben der Sammlung Haupt "Dreizig Silberlinge - Kunst und Geld". Das Kabinett 16 (Regenstauf 2016). Leseprobe
B. Weisser (Hrsg.), W. Steguweit - J. Eberhardt, Heide Dobberkau. Bildhauerin und Medailleurin, Das Kabinett 18 (Regenstauf 2019). Leseprobe
B. Weisser (Hrsg.), Münzkabinett. Menschen Münzen Medaillen. Das Kabinett 17 (Regenstauf 2020). Leseprobe
Chr. Stoess – B. Weisser – B. Baltz (Hrsg.), Falschgeld und Münzfälschungen, Berliner Numismatische Forschungen, Neue Folge, Band 14, Regenstauf 2024, ISBN 78-3-86646-251-9, Leseprobe
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