Dass das 20-Mark-Goldstück des Herzogtums Sachsen-Coburg und Gotha von 1872 (J.270) die seltenste Goldmünze des Deutschen Reichs ist, ist unter Numismatikern, Kaiserreich-Sammlern und Händlern allseits bekannt. Schließlich ließ Herzog Ernst II. (1844–1893) von Sachsen-Coburg und Gotha 1872 nur 1000 dieser Goldstücke prägen. (Abb. 1)
Abb. 1: Deutsches Reich/Herzogtum Sachsen-Cobur und Gotha. 20 Mark 1872. Gold 900/1000 fein, Gewicht: 7,965 g, Ø 22,50 mm, Randschrift vertieft: GOTT – MIT – UNS, Münzstätte Dresden, Vs.-Entwurf und Stempel von Prof. Ferdinand Helfricht, Gotha. Bildquelle: F. R. Künker, Auktion 354 (30. September 2021), Los 6548.
Besagte Goldmünze zeigt auf ihrer Bildseite das nach links gewandte Porträt des Herzogs und nennt die Umschrift "ERNST HERZOG V[on] SACHS[en] COBURG U[nd] GOTHA". Unter dem Halsabschnitt befindet sich das Münzzeichen "E" für Dresden. Auf der Wertseite sehen wir den heraldischen Reichsadler mit ausgebreiteten Schwingen, von der Kaiserkrone bekrönt, mit dem preußischen Wappenschild auf der Brust, der wiederum von der Collane des Schwarzen Adlerordens umgeben ist und lesen "DEUTSCHES – REICH / 20 – M[ark] / 1872". Der Entwurf des Vorderseitenstempels stammt vom Gothaer Hofmedailleur Prof. Ferdinand Helfricht, der dafür mit 120 Talern entlohnt wurde.
Abb. 2: Fotoporträt des Herzogs Ernst II. um 1880. Bildquelle: wikimedia commons.
Der in Coburg am 21. Juni 1818 geborene Ernst August Karl Johann Leopold Alexander Eduard war seinem Vater Ernst I. am 29. Januar 1844 als Herzog Ernst II. auf den Thron des Doppelherzogtums Sachsen-Coburg und Gotha gefolgt. Ernst II., der auch der Neffe des belgischen Königs Leopold war, hatte von 1836–1837 in Brüssel Mathematik, Sprachen, Philosophie, Staats- und Verfassungslehre und danach in Bonn noch drei Semester Jura und Philosophie studiert. In Dresden hatte er zudem ab 1839 eine Militärausbildung im Königlich-sächsischen Garde-Regiment sowie eine musikalisch-kulturelle Ausbildung am sächsischen Hof erhalten. Aus dem sächsischen Militärdienst schied er als Generalmajor der Kavallerie 1842 aus. Seit dem 3. Mai 1842 war er mit Alexandrine Luise Amalie Friderike Elisabeth Sophie von Baden verheiratet. Doch blieb die Ehe kinderlos.
In der Schlacht bei Eckernförde 1849 im Deutsch-Dänischen Krieg, an der er als ranghöchster Kommandant teilnahm, hatte er entscheidenden Anteil am Sieg des Deutschen Bundes, wurde er doch danach als „Sieger von Eckernförde“ in ganz Deutschland bekannt und gefeiert. Nachdem er bereits seit 1846 Generalmajor der Königlich Preußischen Armee war, wurde er 1850 zum Generalleutnant befördert. Obwohl er in seinem Herzogtum eine sehr liberale Politik verfolgte und als energischer Förderer einer liberalen Nationalbewegung galt – unter seinem Schutz enstand der Deutsche Nationalverein 1859 –, was der Bismarckschen auf die Hegemonie Preußens orientierten Politik mißfiel, so unterstützte er die Erhebung des preußischen Königs Wilhelms I. zum Deutschen Kaiser dennoch uneingeschränkt. Eine Unterstützung, für die ihm König Wilhelm I. sogar persönlich Respekt zollte. So dass es dann auch nicht verwunderlich ist, wenn er auf dem Gemälde der Kaiserproklamation im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles, von Anton von Werner, in weißer Uniform hinter Kaiser Wilhelm I. und dessen Sohn im Vordergrund links auf dem Podest erscheint. (Abb. 3)
Abb. 3: „Die Proklamierung des deutschen Kaiserreiches“ (18. Januar 1871 im Spiegelsaal von Versailles). Gemälde von Anton von Werner um 1885, 3. Version – Diese Version wurde Otto von Bismarck zu seinem 70. Geburtstag geschenkt. Bildquelle: Wikipedia.
Aber Ernst II. war auch musisch begabt und kulturell sehr interessiert. Zum einen komponierte er auf Anregung von Franz Liszt die Oper „Zaire“ (1846), der dann 1848 und 1851 noch die Opern „Tony oder die Vergeltung“ und „Casilda“ folgten, zum anderen förderte er Sänger-, Sport- und Schützenvereine, ließ das Herzogliche Museum in Gotha erbauen und erweiterte dessen Kunstsammlungen erheblich. Darüber hinaus förderte er den Literaten Gustav Freytag und den Reiseschriftsteller Friedrich Gerstäcker. Doch auch mit Johann Strauß, dem Walzerkönig, war er freundschaftlich verbunden. U. a. ermöglichte er Strauß, Bürger seines Herzogtums zu werden und seine dritte Frau Adele Deutsch in Coburg zu ehelichen, nachdem dieser sich von seiner zweiten Gemahlin geschieden hatte. Mit dem berühmten Zoologen Alfred Brehm, dem Autor von „Brehms Tierleben“, reiste er 1862 gar nach Äthiopien. Die Eindrücke, die Ernst II. dort sammelte, hielt er im Buch „Reise des Herzogs Ernst von Sachsen-Coburg und Gotha nach Aegypten und den Ländern der Habab, Mensa und Bogos“ fest, das er 1864 publizierte. Nach 1871 widmete er sich der Industrialisierung seines Herzogtums sowie kulturpolitischen Fragen. Ernst II. verstarb am 22. August 1893 auf Schloss Reinhardsbrunn, bei Friedrichroda, im Alter von 75 Jahren und wurde anschließend auf dem Coburger Friedhof im Herzoglichen Mausoleum beigesetzt. Da die Ehe von Ernst II. und Elisabeth Sophie von Baden kinderlos geblieben war, wurde sein Neffe Alfred, der zweitgeborene Sohn von Albert und von Königin Victoria, sein Nachfolger im Doppelherzogtum.
Abb. 4: Das Herzogliche Museum Gotha nach der Wiedereröffnung 2013. Bildquelle: Krzysztof Golik - wikimedia commons.
Herzog Ernst II. als eine der „interessantesten Persönlichkeiten“ der deutschen Hocharistokratie zu bezeichnen, wie dies namhafte Historiker getan haben, ist angesichts seines überaus aktiven politischen und kulturellen Lebens durchaus gerechtfertigt und keineswegs übertrieben. Wenn er letztlich den Bekanntheitsgrad seines jüngeren Bruders Albert nie erreichte, dann nur deshalb, weil der jüngere Albert als Prinzgemahl der englischen Königin Victoria dem innersten Machtkreis des gewaltigen British Empire angehörte und folglich ein sehr viel größeres sozial-politisches Prestige genoss.
Die oben abgebildete Münze in der Erhaltung vz-Stgl. gelangte am 30. September 2021 in der 354. Auktion von Fritz Rudolph Künker zur Versteigerung. Ihr Schätzpreis betrug 75.000,– Euro. Der Zuschlag erfolgte bei 130.000,– Euro.
Michael Kurt Sonntag
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