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Michael Kurt Sonntag

Hahn mit Wurm im Schnabel auf einem Triobol aus Dikaia

Obwohl man annimmt, dass Dikaia (griechisch „Stadt der Gerechtigkeit“) im 6. Jahrhundert v. Chr. an der Südküste Thrakiens gegründet wurde, ist recht wenig über die Geschichte dieser Stadt bekannt. Um das thrakische Dikaia von dem gleichnamigen makedonischen zu unterscheiden, wurde es bisweilen auch als „Dikaia bei Abdera“ bzw. „Dikaia nahe Abdera“ bezeichnet.


Errichtet wurde Dikaia im ursprünglichen Territorium der Bistonischen Thraker an einer Bucht des Bistonischen Sees. Folgt man der antiken griechischen Mythologie, dann lag die Stadt nicht weit entfernt vom Palast des bistonischen Königs Diomedes und seinen menschenfressenden Pferden. Wie bekannt, tötete Herakles diesen schrecklichen König Diomedes und stahl dessen Pferde. Auch soll Herakles danach einen Kanal vom Bistonischen See zum Thrakischen Meer gegraben haben. Diesen Kanal nutzten die Dikaier später als Schifffahrtsweg. Um 513 v. Chr. gelangte Dikaia ebenso wie ein Großteil der thrakischen Küste unter die Kontrolle des persischen Großkönigs Xerxes I. Vermutlich musste es zwischen 480 und 479 v. Chr. auch seinen Beitrag zur „Eroberung“ Griechenlands durch Xerxes leisten. Nachdem die Perser aber 479 v. Chr. bei Plataia und Mykale geschlagen worden waren, räumten sie Thrakien sowie Griechenland und Dikaia wurde bald darauf ein Mitglied des Attisch-Delischen Seebunds. Von 454/53-425 v. Chr. zahlte

die Stadt einen moderaten Tribut von etwa 3.000 Drachmen an den Seebund. Während des Peloponnesischen Krieges (431-404 v. Chr.), genauer gesagt 425/24 und 422/20 v. Chr. stieg sein Tribut zusammen mit dem von Abdera jedoch auf die enorme Summe von 75 Talenten (450.000 Drachmen) an.


Zu den Silbermünzen, die Dikaia im leichten thrako-makedonischen Standard (um 14,4 g je Tetradrachmon) zwischen 480 und 450 v. Chr. emittierte, gehören: Tetradrachmen, Drachmen, Triobole bzw. Hemidrachmen und Trihemiobole. Wenn man einmal von den Trihemiobolen absieht, zeigen alle Nominale auf ihren Vorderseiten den nach rechts gewandten Kopf des bärtigen Herakles im Skalp des Nemeischen Löwen. Auf den Rückseiten sehen wir einen nach rechts hin stehenden Hahn im geperlten Quadrat innerhalb eines Quadratum incusum.


Dikaia (Thrakien). Drachme (um 480-450 v. Chr.), Silber, 3,63 g, Ø 15 mm, Münzstätte Dikaia. [Bildquelle: Classical Numismatic Group, Auktion 88 (14. September 2011), Los 49].

Eine Ausnahme bildet lediglich ein Tetradrachmentyp, dessen Rückseite ein Kuhkopf ziert.

Dass der Hahn alle erwähnten Rückseiten schmückt und beim Trihemiobol sogar die Vorderseite, beweist die große Wertschätzung, die dieses „Haustier“ in Dikaia erfuhr. Mit einem Wurm im Schnabel erscheint der Hahn aber nur auf dem Triobol bzw. der Hemidrachme.


Dikaia (Thrakien). Triobol (3 Obole) bzw. Hemidrachme (um 480-450 v. Chr.), Silber, 1,83 g, Ø 11,7 mm, Münzstätte Dikaia. [Bildquelle: MA-Shops, Agora Ancient Coins (NL)].

Weshalb der Hahn allerdings ausgerechnet auf diesem Nominal einen Wurm im Schnabel trägt und auf den anderen nicht, ist nicht bekannt. Gut möglich, dass man die Hemidrache dadurch zusätzlich von der Drachme abzuheben suchte, vielleicht gab es dafür aber auch gar keinen besonderen Grund und das Ganze war nur der Versuch des Stempelschneiders, den Hahn etwas aktiver zu interpretieren. Interessant ist es allemal, zumal der Hahn darauf ein wenig aus der Reihe tanzt.


Auf den Trihemiobolen jener Zeit (480-450 v. Chr.) zeigt sich der nach rechts gewandte Hahn jedoch auf der Vorderseite und der Herakleskopf auf der Rückseite im Quadratum incusum.


Dikaia (Thrakien). Trihemiobol bzw. 1 ½ Obole (um 480-450 v. Chr.), Silber, 0,99 g, Ø 9 mm, Münzstätte Dikaia. [Bildquelle: Classical Numismatic Group, Electronic Auction 406 (27. September 2017), Los 32].

Hierdurch unterscheidet sich dieses kleinste Silbernominal auch optisch sehr schnell von der Hemidrachme und der Drachme.

Folgt man dem Numismatiker Oliver Hoover, dann sind alle erwähnten Silbernominale von Dikaia heute sehr selten. Er klassifiziert deren Seltenheit jeweils mit R2, was einem Maximum von 25 Exemplaren pro Nominal entspricht.

Übrigens, die Münzprägung der meisten Silbernominale wurde 450 v. Chr. eingestellt, nur die Ausbringung der Trihemiobole hielt man bis 430 v. Chr. aufrecht, allerdings mit geänderten Rückseitenmotiven. Michael Kurt Sonntag


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