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Dietmar Kreutzer

Großherzogtum Toskana: Der letzte Medici

Als der französische Philosoph Charles de Montesquieu bei Großherzog Gian Gastone de Medici weilte, lobte er überschwänglich dessen Wirtschaftspolitik: „Im Hafen von Livorno habe ich mehr als sechzig Schiffe gezählt. Die Stadt macht einen wohlhabenden Eindruck, der Handel scheint zu florieren.“ [1] Carlo Rinuccini, der Erste Minister der Toskana, bestätigte dies. Er ergänzte, dass das Wohlergehen des Volkes dem Großherzog ganz besonders am Herzen läge: „Die fünfprozentige Steuer auf die Einkünfte und Gehälter, die von seiner Durchlauchtigsten Hoheit selig, Cosimo III., noch wenige Tage vor ihrem Ableben beschlossen wurde, ist niemals erhoben worden. Bauern, Tagelöhner, Handwerker sowie all jene, die jährlich weniger als hundert Taler verdienen, wurden von der Steuer sogar ganz befreit; sie wird nur noch von Großgrundbesitzern, Kaufleuten und Bankiers erhoben. Auf Befehl von Seiner Durchlaucht habe ich den Kornpreis um vier Paoli pro Scheffel gesenkt.“ [2] Aufgrund der daraufhin anspringenden Wirtschaft konnte das Defizit des Staates deutlich gesenkt werden und ein Teil der horrenden Schulden getilgt werden.


Gian Gastone de Medici (1671–1737) – Bildquelle: Wikimedia, Douven


Die Republik Florenz war 1531 in ein Herzogtum umgewandelt worden. Unter den Medici entwickelte sie sich zum Mittelpunkt des Humanismus und der Renaissance. Im Jahre 1569 war das Großherzogtum Toskana mit der Hauptstadt Florenz entstanden. Das Währungssystem des Staatswesens basierte seit dem Mittelalter auf der Lira, einer Rechnungseinheit, die aus dem Gewichtsmaß der Litra hervorgegangen war: „In ganz Italien wurde in Lire gerechnet, die jeweils aus 20 Soldi beziehungsweise 240 Denari bestanden.“ [3]

Münzen der Rechnungseinheit Lira, deren Wert im Lauf der Jahrhunderte zunehmend verfiel, wurden allerdings so gut wie nie ausgegeben. Die umlaufenden Geldstücke waren zumeist Vielfache der Lira, des Soldo oder des Denaro. Die 3,54 g schwere Goldmünze Fiorino d’oro, also des florentinischen Guldens, hatte zum Zeitpunkt ihrer Einführung im Jahre 1252 noch den Wert einer Lira. Während der Wert der Lira verfiel, blieb der Wert des Guldens mit der Lilie auf der einen Seite und dem Bildnis des Johannes jedoch unverändert. Auch unter Gian Gastone wurde sie noch geprägt. Zusätzlich waren zu dieser Zeit halbe Florine mit dem Porträt des heiligen Johannes im Umlauf. Der dreifache Florin war unter dem Namen Ruspone bekannt: „Jedes Wochenende schenkte Gian Gastone seinen Lieblingsdienern einen Ruspone aus reinem Gold.“ [4] Die Lieblingsdiener des Herzogs wurden aus diesem Grund Ruspanti genannt.


Gian Gastone. Fiorino von 1731. Mzst. Florenz. 999er Gold, 3,5 g, 21 mm [MDC Monaco 4/927]


Die größte Silbermünze unter Gian Gastone war talergroß. Sie wurde für den Zahlungsverkehr im Livorno benötigt, dem wichtigen Überseehafen des Großherzogtums: „Die Münze wurde Tollero genannt, eine sprachliche Abwandlung des deutschen Wortes Taler. Die beiden letzten Medici sind auf den Tolleri-Münzen von Livorno abgebildet. Die Rückseite der Münze mit Cosimo III. zeigt Ansichten des Hafens von Livorno. Die Münze von Gian Gastone zeigt Details seiner Befestigung.“ [5] Im Binnenland waren anstelle des Tollero als Großsilber der Scudo oder die Piastra mit einem Gegenwert von etwa acht Lire gebräuchlich. Die Rechnungseinheit der Lira wurde bekanntlich in 20 Soldi aufgeteilt. Einem Soldo entsprachen drei Quattrini oder zwölf Denari. Weitere relativ große Silbermünzen waren der Testone im Wert von zwei Lire oder 120 Quattrini und der Paolo im Wert einer Zwei-Drittel-Lira oder 40 Quattrini. Als Kleingeld wurde unter dem Namen von Gian Gastone aber nur der Crazia im Wert von fünf Quattrini aus minderwertigem Silber geprägt. Die deutsche Entsprechung für die Münze war ein Kreuzer. Auf der Vorderseite trägt das winzige Geldstück das Wappen der Medici sowie den Namenszug des Großherzogs. Die Rückseite zeigt das schon von den toskanischen Goldmünzen her bekannte Standbild von Johannes dem Täufer.


Gian Gastone. halber Fiorino von 1726. Mzst. Florenz. 999er Gold, 1,7 g, 18 mm [Nomisma 2/672]


Den Toskanern in Erinnerung geblieben ist der letzte Medici vor allem wegen seines ungewöhnlichen Lebenswandels: „Gian Gastone verbrachte seine Tage auf homosexuellen Partys, die von Giuliano Dami organisiert wurden, der sich persönlich darum kümmerte, Jungen zu rekrutieren, die im Allgemeinen aus sehr einfachen Verhältnissen stammten.“ [6] Wer es in den Palast geschafft hatte, wurde wöchentlich mit einem Ruspone entlohnt, einem dreifachen Fiorino. Schon die Auswahl der Kandidaten war für einen Fürstenhof ungewöhnlich: „Sie mussten sich entkleiden und in dem großen Saal nackt auf und ab gehen, während der Fürst und seine Günstlinge lauthals die Details ihrer Anatomie kommentierten. […] Mit Fußtritten getrieben, mussten die durchgefallenen Kandidaten im Adamskostüm durch die endlosen Säle, Gänge und Treppen des Palazzo ihren Rückweg antreten; heulend ergriffen sie die Flucht, wurden obendrein noch von den rasendsten der Ruspanti verfolgt und bekamen von ihnen ihr Gewand erst draußen auf dem Platz wieder zurück, wo eine kleine, von Damiano bezahlte Schar von Schaulustigen ihnen die Schande einer öffentlichen Demütigung auferlegte.“ [7] Das Treiben fand erst mit dem Tod des Großherzogs im Jahre 1737 ein Ende. Mangels Nachkommen fiel das Großherzogtum dann lange Zeit an das Haus Habsburg.


Gian Gastone. Tollero von 1724. Mzst. Livorno. 917er Silber, 27,8 g, 44 mm [Asta Battut 16/151]


Quellen

  1. Dominique Fernandez: Die Rache des Medici. München 1998, S. 267.

  2. Ebd., S. 266.

  3. René Sedillot: Muscheln, Münzen und Papier – Die Geschichte des Geldes. Frankfurt/Main 1992, S. 226.

  4. "Gold Florin and Florentine Coins"; auf: torrinijewels.com.

  5. "The House of Medici and Tuscany: An inseparable pair, universally recognized excellence"; auf: astebolaffi.it.

  6. "The life and misadventures of Gian Gastone, the last grand duke of the Medicis"; auf: expertflorenceguide.com.

  7. Fernandez, S. 278f.

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